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Der Hundertjährige: Buch top, Film ein Flop? Zwei Autorinnen über eine GeschichteDer Kino-Hundertjährige spaltet die Gemüter

VOGELSBERGKREIS. Nach dem großen Erfolg des Buches war es nur eine Frage der Zeit, bis „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ auch in die Kinos kam. Das Buch ein Erfolg, weil eine unheimliche charmante Geschichte – und der Streifen? Die gleiche Abstufung wie immer: Buch top, Film flop? Zwei Autorinnen, Friederike Gerbig und Juljana Battenberg, haben sich unabhängig voneinander Gedanken über Buch und Film gemacht – und kamen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.

Buch: Bestseller – Film: sehenswert

Das Buch, die Handlung: Nach 100 Jahren Lebenserfahrung zur Ruhe setzen? Das kommt für Allan Karlsson nicht in Frage. Er wird „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – so der Titel des Bestsellers des schwedischen Autors und Journalisten Jonas Jonasson aus dem Jahr 2009. Der Senior macht sich kurzerhand durch das Fenster aus dem Staub und beweist, dass man für Abenteuer nicht jung sein muss!
Hier sieht man mal, dass Kinospaß nicht unbedingt aus den USA kommen muss: Ein momentanes Kino-Highlight ist zweifellos der schwedische Film „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Es wird die Geschichte von Allan Karlsson erzählt: Der liebenswürdige Jubilar verspürt keinerlei Lust, seinen 100. Geburtstag mit Presse und Pflegern im Altenheim in Malmköping zu verbringen – und macht sich kurzerhand in Hausschuhen durch das Fenster aus dem Staub. Damit löst er mehr aus, als er vermutet hätte: Die Heimleiter machen sich Sorgen und schalten die Polizei ein, durch das Radio laufen Suchmeldungen.

Allan hingehen macht sich in Ruhe auf den Weg zum Bahnhof – sein Ziel: Auf jeden Fall weg und woanders hin. Trotz gewisser Planlosigkeit stolpert Allan in ein Ereignis nach dem anderen: Kurzerhand nimmt er einen Koffer mit – nicht wissend, dass sich in ihm 50 Millionen Kronen befinden. Dennoch ruft er damit schnell die Besitzer auf den Plan, ein paar Schwerkriminelle, die trotz elektronischer Fußfessel die Verfolgung aufnehmen. Allan beschäftigt dies eher weniger: Er lernt neue Menschen kennen, die bald zu Freunden werden, schließt die Elefantendame Sonia ins Herz und beeinflusst unweigerlich das Leben vieler Menschen – bis hin zu ihrem Tod.

Schnell wird klar: Diesen fitten Hundertjährigen bringt so leicht nichts aus dem Konzept! Wieso? Schaut man sich Allans bisheriges Leben an, verwundert einen nichts mehr: Stalin, Francisco Franco und die CIA – ohne es zu beabsichtigen, schlittert der Senior in seiner Vergangenheit immer wieder in bedeutende Ereignisse des 20. Jahrhunderts und beeinflusst dadurch mal mehr mal weniger, aber dennoch in gewisser Weise weitestgehend unbeabsichtigt und relativ beiläufig den Verlauf der Weltgeschichte. Immer mit dabei: Seine große Leidenschaft für Sprengstoff und Schnaps.

Doch trotz der vielen ereignisreichen Jahre, die Allan hinter sich hat, kommt es ihm nicht in den Sinn sich zur Ruhe zu begeben: Denn mit 100 ist ja schließlich noch lange nicht Schluss!

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des schwedischen Autors und Journalisten Jonas Jonasson aus dem Jahr 2009, dessen Debütroman schnell zum meistverkauften Buch Schwedens wurde. Als internationaler Bestseller erschien er 2011 erstmalig auf deutsch und war dabei zeitweise auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.

Wie so oft kann leider auch in diesem Fall der Film nicht an das Buch heran reichen: Einige Passagen wurden ausgelassen oder verkürzt. Auch der teils schwarze Humor, der die gesamte Geschichte durchzieht und prägt, kommt in der literarischen Vorlage eindeutig besser zum Ausdruck, ebenso wie die Vielschichtigkeit der Persönlichkeiten.

Nichtsdestotrotz überzeugt der Film mit einer witzigen, teils skurrilen, teils absurden Geschichte und vor allem durch einem einnehmenden Hauptcharakter: Der kluge und charmante 100-jährige Allan Karlsson nimmt den Zuschauer sofort mit seiner teils tollpatschigen, dennoch klugen und ruhigen Art und seinem fast schon unbeholfen wirkenden Charme für sich ein uns zeigt deutlich: Er hat mehr auf dem Kasten als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde!

Alles in allem ist der Film durchaus sehenswert, wenn er auch an einigen Stellen etwas langatmig wirkt – überzeugte Action-Fans werden hier nicht viel zu sehen haben: Den Zuschauer erwartet eine phantasievolle, mitreißende und beeindruckende Reise in das Leben von Allan Karlsson. Der Film ist somit zum Teil Komödie und Krimi, teils Abenteuer und teils Drama: Eher ein kecker, wenn auch teilweise tiefgründiger Blick auf das Leben, mit all seinen Erlebnissen, schönen Seiten und Tücken!

Friederike Gerbig

Charmante Geschichte, mäßig unterhaltsamer Film

Der Roman „Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war ein Überraschungserfolg aus Schweden, geschrieben von Jonas Jonasson, der im Nu die Bestsellerlisten auf der ganzen Welt eroberte. Die charmante Geschichte über den munteren Greis Allan Karlsson begeisterte auf ganzer Bandbreite.

Allan Karlsson ist gerade erst hundert geworden, hat in seinem Leben jedoch schon weitaus mehr gesehen als die meisten Menschen in diesem hohen Alter. So hatte Allan bereits oftmals das Vergnügen, mit diversen einflussreichen Staatschefs zu plaudern, zu trinken oder ihnen in irgendeiner Form behilflich zu sein. Der von klein auf Sprengstoff begeisterte Allan kann am Ende auf eine erstaunliche Lebensgeschichte, die ebenso spektakulär wie unglaublich ist, zurückblicken; so erfindet er doch tatsächlich die Atombombe mit, ist mal Gefangener der Sowjets, mal Agent der Amerikaner.

Letztlich landet er jedoch bedauernswerterweise in einem Altersheim in Malmköping, mitten in seinem Heimatland Schweden, nachdem er zum wiederholten Male sein Eigenheim erfolgreich in die Luft gesprengt hat. Aus diesem entschließt er sich dann kurzerhand an seinem hundertsten Geburtstag auszubrechen, klettert aus dem Fenster, zermatscht dabei die Stiefmütterchen und flieht in seinen Pantoffeln hinaus ins weite Schweden. Als er sich an der Haltestelle eines Busbahnhofs des hiesigen Ortes in Obhut eines Koffers wiederfindet – auf welchen er jedoch eigentlich nur mal eben kurz aufpassen soll – entschließt sich Allan, den Koffer auf seine Reise mitzunehmen. Wie sich bei seinem ersten Aufenthaltsort in Gesellschaft eines Gelegenheitsdiebes herausstellt, befinden sich in dem Koffer doch sage und schreibe 50 Millionen Kronen. Kurzerhand entschließen sich Allan und sein neugewonnener Freund dazu, das Geld an sich zu nehmen, als nach kurzer Zeit bereits dessen Besitzer – ein Mitglied einer kleinen Verbrecherorganisation namens Never Again – Allan aufsucht, bedroht und schließlich jedoch aufgrund seines begrenzten Verstandes von dem gewitzten Hundertjährigen und seinem Komplizen überlistet und überwältigt werden kann.

Der gerade frisch rausgekommene Kinofilm, der auf dem Buch basiert, ist jedoch nicht halb so fesselnd und tiefgreifend wie der Roman. Wie bei den meisten Verfilmungen kann der Film dem Buch kaum das Wasser reichen, da es schlichtweg einer Herkulesaufgabe gleichkommt, eine solch bunt durchstrickte Lebensgeschichte in knapp 115 Minuten Film zu zwängen.

Während die eigentliche Geschichte des Romans, in welcher Allan Karlsson und seine neugewonnenen Freunde 50 Millionen quer durch Schweden vor der Polizei verstecken, bloß mäßig unterhaltend und plump gesagt schlichtweg langweilig dargestellt wird, ist die im Rückblick erzählte Lebensgeschichte Allans für den Zuschauer ebenfalls kaum verständlich, geschweige denn zusammenhängend oder logisch erzählt , da dem Zuschauer nichts anderes übrig bleibt, als dem Geschehen auf der Leinwand müde hinterherzuhecheln und die verschiedenen Lebensstationen des Abenteurers seicht auf sich einprasseln zu lassen. Es scheint nahezu unmöglich, sich ganz in die Materie einzufinden, in sie hineinzutauchen oder sich gar von dem Film mitreißen zu lassen.

Stetig ist der belesene Zuschauer verzweifelt damit beschäftigt, den hochkarätigen Stoff des Buches in der Verfilmung wiederzufinden. Starke Abstriche musste die Handlung sowieso machen, dies sollte jedoch nicht auf Kosten der gesamten Verfilmung erfolgen.

Im Großen und Ganzen ist die Verfilmung vielleicht eine Unterhaltung für einen Abend, ein zweites Mal muss man sie sich jedoch nicht ansehen. Wer den Roman tatsächlich gelesen hat, wird stark enttäuscht sein, wenngleich diese Zuschauer sich wohl als Einzige in der Lage befinden, den hinkenden Szenen des Films inhaltlich folgen zu können, so ist der unbelastete Kinogänger jedoch wohl eher unzufrieden.

Der Roman ist eindeutig klug durchdacht, mit sympathisch humoristischem Unterton und Charme, der Film hingegen ein seichter grauer Matsch Literaturverfilmung, fad, öde und höchstens ganz nett.

Juljana Battenberg

 

 

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