Interview: Mario Cimiotti über den teuersten Flug seines Lebens an Bord eines Stratosphären-ObservatoriumsWissenschaftlich, überraschend und sehr gerne nochmal
ALSFELD (ol). Eine Woche lang war Mario Cimiotti als einer von vier deutschen Lehrkräften mit dem Deutschen SOFIA Instituts (DSI) in der kalifornischen Wüste, um in zwei Nächten an Bord eines Stratosphären-Observatoriums für Infrarot-Astronomie (SOFIA), einer umgebauten Boeing 747, an zwei Exkursionen an den Rand der Stratosphäre teilzunehmen.
Nun ist der Lehrer der Albert-Schweitzer-Schule schon seit einigen Tagen wieder gelandet und blickt zurück auf ein großes, ungewöhnliches Abenteuer, um das ihn nicht wenige Menschen beneiden.
Herr Cimiotti, die Vorfreude war groß, die Vorbereitungen lang – sind Sie nun auch ein wenig erleichtert darüber, alles gut hinter sich gebracht zu haben?
Ja, es hat sich vorher natürlich Spannung aufgebaut, zum einen die Angst, dass einem vorher noch die Grippe erwischt und zum anderen, dass alles gutgeht. Dann kamen auch doch noch ziemlich viele Presseanfragen im Vorfeld und die Termindichte nahm zu. Man ist schon erleichtert, wenn alles gut anläuft. Jetzt wirkt es noch sehr nach und ist noch sehr präsent.
Das ganze Projekt ist eine sehr wissenschaftliche und auch technische Angelegenheit – dennoch für Sie vermutlich auch sehr emotional. Wann ging denn das Kribbeln im Bauch los?
Ja, als wir zum ersten Mal abgehoben sind, war es ein besonderer Moment. Wir kamen im Forschungszentrum an und hatten den ganzen Tag mit Vorbereitungen zu tun. Aber immer war da das Gefühl ‚Morgen fliegen wir zum ersten Mal‘. Das ist schon etwas, worauf man wartet. Kurz vorm ersten Flug war noch ‚Mission Briefing‘, dann mussten wir schnell zum Flieger und die Spannung hat sich wirklich auf die Flüge hin konzentriert. Darum ging es ja schließlich auch.
Als Lehrer haben Sie ja wenige Möglichkeiten, wissenschaftlich tätig zu sein, dennoch scheint Ihnen das große Freude zu bereiten. Wie war es denn für Sie, mal eine Woche ganz aus der Lehrerhaut zu schlüpfen und zu forschen und dann noch gleich auf so hohem Niveau?
Das ist natürlich ein Highlight im Beruf, aber die Verbindung zur Schule ist ja immer da, weil man überlegt, wie man diese Erfahrungen jetzt einfließen lassen könnte. Aber in der Tat ist es so, dass man Wissenschaft sehr direkt erlebt. Natürlich lese ich sonst viel aus dem Bereich und beschäftigte mich auf wissenschaftlichem Niveau mit Astronomie als Leser von Fachpublikation – aus zweiter Hand sozusagen. Und dieses Mal war ich dabei und habe Wissenschaft vor Ort erlebt, war dabei, wie die Erkenntnisse entstehen und wie Wissenschaft auch gemanagt wird. Ein Projekt wie dieses, das durch öffentliche Gelder finanziert wird, soll ja am Ende seine Ergebnisse der Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung stellen. Im Vorfeld gibt es den ‚Call for Proposals‘, den Aufruf, Forschungsaufträge einzureichen, dem jeder Wissenschaftler folgen kann.
Ein Ranking entscheidet dann über die Realisierung. Genau dies sind dann die Arbeitsaufträge der Crew. Eine Zeitlang haben die Antragssteller die ermittelten Daten dann exklusiv, aber nach einer Zeit werden die Forschungsergebnisse öffentlich und alle aus der Wissenschaftsgemeinde haben Zugriff darauf. Man kann diese Erfahrung – den Ablauf in Technik und Management – neben den inhaltlichen Themen in der Schule auch bei der Beruflichen Orientierung einbringen: Beschreiben, wie es läuft, weil es an verschiedenen Forschungseinrichtungen, zum Beispiel bei der Arbeit mit einem Teilchenbeschleuniger ein ähnliches Vorgehen ist.
Hat diese Erfahrung denn Ihren Blick auf wissenschaftliche Veröffentlichungen geschärft?
Ich habe jetzt mehr Transparenz wie es abläuft. Die auftraggebenden Wissenschaftler können mitunter an dem Flug teilnehmen und direkt vor Ort diskutieren, was die Daten an Erkenntnissen liefern können, ob sie gut sind, oder ob man gleich nochmal nachbessern muss.
Können Sie sagen, welche Erwartungen Sie an den Aufenthalt im SOFIA-Team hatten und ob diese Erwartungen erfüllt wurden?
Die ganze Reise hat die Erwartungen sehr erfüllt. Die Technik ist noch komplexer als man sie sich vorher vorgestellt hat und vieles kann man erst nachvollziehen, wenn man es dreidimensional und in Bewegung vor sich sieht. Außerdem hat man viel Kontakt mit sehr netten Menschen, die sich bemühen, einem alles zu erklären, insbesondere was das Teleskop betrifft. Daran arbeitet ein zwanzigköpfiges deutsches Team, das uns viel erklärt hat. Wir haben viel von der Technik gesehen und haben wahnsinnig viel von der Arbeit der Forscher mitbekommen.
Wie war Ihr Empfinden, als Sie dann tatsächlich am Rand der Atmosphäre unterwegs waren? Gab es diesen einen Moment, als Ihnen genau klar wurde, wo Sie sich jetzt befinden?
Man fliegt ja eigentlich nur ein paar Kilometer höher als man mit einer Verkehrsmaschine fliegt. Die Luft ist dann deutlich dünner, aber das merkt man ja nicht direkt. Überraschend war, dass man auch wenig davon merkt, wenn sich dieses wirklich sehr große Teleskop öffnet. Das Flugverhalten ist allerdings etwas anders: Man muss ja möglich schnell auf eine gute Höhe kommen: Man muss oberhalb des Flugverkehrs sein, um ungestört Daten erheben zu können, und man muss in der vorgegebenen Zeit möglichst lange oben sein. Das heißt, man startet sehr schnell, kommt sehr schnell auf Höhe – in einem steilen Steigflug – und bei der Landung ist es ähnlich: kein gemächlicher Sinkflug, sondern eine schnelle Landung auf eine dunkle und verlassene Landebahn, deren Beleuchtung der Pilot mit einer Fernbedienung selbst einschaltet. Ich war im Cockpit dabei und dort merkt man schon, dass man anders als in einem normalen Flieger unterwegs ist.
Dieses Bewusstsein, an diesem einen außergewöhnlichen Punkt zu sein – gab es das?
Man merkt das wenig – eigentlich nur an der Temperaturanzeige an Bord. Nach einem ziemlichen Temperatursturz beim Aufstieg merkt man an einer wieder steigenden Temperatur, dass man in die Stratosphäre eingetreten ist, aber das war es dann auch.
Gab es irgendetwas, das ganz anders war als sie es sich vorgestellt hatten?
Ich war erstaunt, wie wichtig und kostbar doch die Beobachtungszeiten sind: Ein Nachtflug kostet umgerechnet auf das Jahresbudget des Projektes etwa 1 Million US-Dollar. Da ist klar, dass man die Zeit wissenschaftlich verwenden möchte. Und in dem Moment wo etwas Unvorhergesehenes passiert, muss das Team schnell reagieren, um Beobachtungszeit zu retten. Da heißt es abwägen, überlegen. Am Himmel dreht sich ja alles weiter, während man dabei ist, ein Problem zu lösen.
Entsprechend muss dann alles neu berechnet werden, die Geräte müssen wieder auf die sphärischen Bedingungen kalibriert werden. Wir haben wirklich viel erlebt. Beispielsweise auch, wie unglaublich gut dieses 17 Tonnen schwere Teleskop bei Turbulenzen seine Ausrichtung halten kann, um sein Bild beizubehalten. Andererseits gab es aber auch den Fall, wo man das Teleskop aus Sicherheitsgründen verankern musste. Das macht es für die Wissenschaftler natürlich stressig, für uns Gäste war das aber hochinteressant, zu sehen, wie man mit Problemen umgeht – stets die Beobachtungszeit als oberste Priorität.
Es gibt ja immer dieses Thema bei Astromauten, dass sie sagen, der Blick auf die Erde von so weit oben habe sie demütig gemacht. Hatten Sie auch Gelegenheit für einen solchen Blick?
Es war ja dunkel, als wir geflogen sind, und wir flogen ja auch über dem Pazifik in Richtung Hawaii, da war nicht wirklich viel auf der Erde zu sehen – also so richtig demütig wird man da noch nicht. Wir sind ja auch nicht so hoch wie Astronauten.
Sie haben in der Region ein ziemliches Medieninteresse ausgelöst. Wie fanden Sie es, plötzlich so gefragt zu sein?
Ich hatte nicht mit diesem großen Interesse gerechnet. Aber nach dem ersten Artikel war das Interesse sowohl vor dem Flug als auch nach dem Flug wirklich sehr groß. Ich hatte viele Anfragen von Zeitungen und auch vom Hessischen Rundfunk.
Was haben Sie denn Ihrer Familie von dieser Ausnahmereise mitgebracht?
Natürlich war ich im NASA-Souvenir-Shop. Da habe ich für die Kinder Astronauteneis mitgebracht. Dann natürlich sonst so die Sachen, die man gerne aus Amerika mitbringt, kleine T-Shirts aus dem Disney-Shop.
…und was hat Ihre Frau zu all dem gesagt?
Ihr Kommentar, als sie die Fotos mit der vielen Technik gesehen hat, war: ‚Boys need toys.“
War es denn eine Männerwelt da oben?
Nicht unbedingt. Es war eine wirklich internationale bunt gemischte Gruppe, bei der auch einige weibliche Wissenschaftlerinnen und auch eine Lehrerkollegin beteiligt waren.
Besteht eigentlich die Chance auf ein nächstes Mal und wenn ja, würden Sie sie nutzen?
Grundsätzlich könnte ich mir das schon vorstellen. Stellt sich natürlich die Frage, wie oft mich meine Schulleiterin dafür freistellen würde. Vielleicht würde sich ja auch ein Kollege aus der Schule für dieses oder ein ähnliches Projekt bewerben. Bei SOFIA schaut man schon, dass möglichst alle Regionen Deutschlands mal zum Zuge kommen und auch möglichst viele Lehrer. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass man da ein zweites Mal so schnell ausgewählt würde. Aber wenn es dazu käme, würde ich gerne mit einem anderen Detektor fliegen, um damit neue Eindrücke zu gewinnen. Auf jeden Fall hat mich diese Erfahrung motiviert, nach solchen Projekten verstärkt Ausschau zu halten.
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