
Westernfest in Lingelbach: Zahlreiche Besucher kamen nach "Lingelcreek"Der Wilde, Wilde Westen wurde wieder lebendig
LINGELBACH (jal). Glaubt man dem alten Hit der Band Truck Stop, fängt der Wilde, Wilde Westen gleich hinter Hamburg an. Das ist natürlich völliger Quatsch. Will man Cowboys, Schießereien und Indianer sehen, muss man nicht bis zur Hansestadt fahren. All das gibt es auch in Lingelcreek, der Lingelbacher Westernstadt. Am Wochenende feierte man dort das alljährliche große Westernfest.
Wer die staubige „Mainstreet“ von Lingelcreek entlang schreitet, der findet alles, was eine fast echte Westernstadt eben so braucht. Es gibt einen Barber Shop, ein Gefängnis, einen Fotografen mit Kostümverleih, eine Goldmiene, eine Dance-Hall, ein Steak House und natürlich einen Saloon. In der kleinen Kapelle des Städtchens werden seit kurzem sogar echte standesamtliche Trauungen angeboten. Offizielles Zahlungsmittel ist der Lingelcreek Dollar, der bei der Bank eingetauscht werden kann – wenn die nicht gerade wieder von irgendwelchen Banditen überfallen wird.
Es ist schon erstaunlich, was ein paar engagierte Dorfbewohner da vor Jahren aus dem Boden gestampft haben. Auf gut 200 Metern erstreckt sich am Ortsrand Lingelbachs eine Kulisse, wie sie die Bühnenbildner Hollywoods auch nicht besser hinbekommen hätten.

Wohlsein: diese Besucher gönnen sich einen kleinen Drink.
Jemand, der sich noch gut erinnern kann, wie alles begann, ist Stefan Quehl. Quehl – dunkelbraune Lederstiefel, beige-grau karierte Weste, schwarzer Hut und Halstuch, Schnauzbart – ist der Erste Vorsitzende von „Mainstreet 99“, dem Trägerverein der Stadt. Im Jahr 1999 haben die Landfrauen Line- und Squaredance angeboten, erzählt er. Und weil sich’s mit Männern eben besser tanzt, wurden auch ein paar Herren manchmal mehr, manchmal weniger freiwillig zu den Tanzkursen mitgenommen.
Einige Männer hatten zwar Lust auf Western-Abenteuer, wollten aber partout nicht tanzen, sondern lieber „etwas bauen und der Phantasie freien Lauf lassen“, sagt er. So wurde die Idee zu Lingelcreek geboren.
2005 machten sich die Dorfbewohner dran, das nachzubauen, was sie von Western aus dem Fernsehen kannten. Oft habe er bei den Filmen gar nicht mehr auf die Handlung geachtet. „Ich habe mir dann eher überlegt, wie die das wohl gebaut haben und wie wir das umsetzen könnten“, erzählt Vereinschef Quehl.
Alles nur Fassade
Dabei ist in Lingelbach wie im richtigen Western vieles nur Fassade: Der Kern vieler Gebäude sind alte Wohncontainer, die früher in Alsfeld als Behelfskindergarten dienten. Mit einer Menge Holz als Verkleidung und viel, viel Arbeit und Herzblut entstand aus ihnen eine filmreife Kulisse, die tatsächlich schon für echte Dreharbeiten genutzt wurde.

Marschieren stolz durch ihre Westernstadt: Die Mitglieder des Vereins „Mainstreet 99“ Winfried Bönisch, Dieter Müller, Bernd Döring, Stefan Quehl und Wolfgang Bellinger.
Die Mainstreet ist zwar für sich genommen schon sehenswert, richtig interessant wird sie allerdings erst, wenn so wie am Wochenende dutzende Westernfans mit authentischen Kostümen aus den Gründungsjahren der Vereinigten Staaten auf und ab flanieren. Frauen tragen ausladende Reifröcke und Sonnenschirmchen, begleitet von Herren in schicken Anzügen, an denen die Kette der Taschenuhr blitzt. Cowboys lehnen lässig an den Balken vorm Saloon, das Whiskeyglas in der Hand, die Stiefel über Kreuz.

Actionhöhepunkt des Western-Wochenendes: die Stunt-Show von Wolfgang Kring und seiner Frau Ilona Hein.
Um die Atmosphäre vom wild, wild West perfekt zu machen, gab es ein passendes Programm: Die Goldmiene hatte zum Schürfen geöffnet, in seiner „Apache live Show“ zeigte der Künstler Wolfgang Kring waghalsige Stunts hoch zu Ross und Bands wie „Overland“ und „Louisiana“lieferten die passende Musik für den Line-Dance. Ab und zu gab’s auch eine kleine Schießerei, bei dem der Verlierer aber glücklicherweise nach seinem Abtransport putzmunter aus dem Holzsarg wieder herauskletterte.
Kommerz nicht im Vordergrund
„Im Vergleich zu anderen Westernstädten sind wir nicht auf den Kommerz aus. Uns geht es ums Miteinander. Es ist toll, so etwas gemeinsam zu machen“, sagt Stefan Quehl. Dennoch muss der Verein aufs Geld achten. Bauteile an den ersten Gebäuden mussten bereits ausgetauscht werden, hinzu kommen Gagen für Bands und Künstler.
Leider, so sagt Quehl, habe man es auch nach mehreren Versuchen nicht geschafft, den Verein als gemeinnützig anerkennen zu lassen. Somit trifft die Westernfreunde die volle Steuerlast. „Wir sind quasi eine Firma, die keine Löhne zahlt“, sagt Quehl.
Wer das Feeling der Westernstadt einmal selbst erleben möchte, der muss nicht bis zum nächsten Jahr warten. Die Kulisse lässt sich mieten – zum Beispiel für Firmenevents. Und der Saloon „Gold Nugget“ hat jeden ersten und dritten Samstag im Monat von 20 bis 1 Uhr geöffnet.
Das Westernfest: Klicken Sie sich durch die Galerie!
Auch interessant:

Schreibe einen Kommentar
Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.
Einloggen Anonym kommentieren