Dresscode an Schulen – Wieviel Haut darf sein, wieviel Kleidung muss? – Betrachtungen einer SchülerinIrgendwo zwischen Anstand und Sexismus
REGION. Wie so oft im Leben besteht unser Dasein daraus sich Normen und Regeln unterzuordnen und stillschweigend zu nicken, diese zu befolgen und sie am besten nicht einmal hinterfragen zu dürfen. Das dies bereits in jungen Jahren der Fall ist, zeigt sich in der Reaktion einiger Schulen auf knappe Sommerbekleidung – die gefürchtete Kleiderordnung. Dass letzteres jedoch manchmal über den Köpfen der Schülerschaft hinweg beschlossen wird, zeigt sich wiederum in ihrer Reaktion.
Fast 600 Gefällt-mir-Angaben zählt die Facebookseite „Der Dresscode muss weg“, die sich die Rücknahme des Dresscodes am Deutschhausgymnasium Würzburg zum Ziel gesetzt hat. Aktuell wird viel diskutiert – doch wie sehen Schüler anderer Schulen diese Kleiderordnung? Ist sie berechtigt oder womöglich Einschränkung der persönlichen Entfaltung?
Bei heißen Sommertemperaturen habe ich mich auf die Suche nach Lösungswegen, Pro-und Kontra-Argumenten und ganz eigenen Thesen gemacht.
Es ist unumstritten, dass Schulen nach dem Lehrplan unterrichten müssen: Schüler müssen bestimmte Lektüren lesen, Formeln auswendig beherrschen und am besten eine weitere Fremdsprache lernen. Dennoch gibt es auch Informationen und Werte, die meiner Meinung nach auch außerhalb des Lehrplans vermittelt werden sollten, um die Schüler zu verantwortungsvollen Menschen zu erziehen.
Da ist es natürlich der leichteste Weg, alles zu verbieten, was aus den Normen fällt, um prinzipiell jede Andersartigkeit zu unterdrücken. Natürlich spreche ich mich nicht gegen Gleichheit aus, denn die erreicht man durch eine derartige Kleiderordnung mit Sicherheit nicht. Dadurch dass man die Schüler ein weites T-Shirt über ihre Kleidung anziehen lässt, fördert man im besten Falle aktiv die Abgrenzung der Bestraften. Das grenzt nahezu an öffentliche Blamage, so als wäre man auf dem besten Wege jemanden zum Henker zu führen.
Hilft eine Schuluniform?
Um für eine grundlegende Gleichheit zu sorgen, wäre womöglich eine Schuluniform von Nöten, die gewiss ihre Vorteile hätte. Nicht jede Familie kann sich teure Markenkleidung leisten. Eine Uniform würde für weniger Oberflächlichkeit sorgen, denn somit könnte zumindest niemand mehr anhand von Äußerlichkeiten urteilen. Eine Kleiderordnung hingegen fördert höchstens die Drauf-zeig-Mentalität à la „guck mal was der schon wieder angestellt hat“.
Meiner Meinung nach lässt sich das gesamte Konzept in weiteren Hinsichten hinterfragen. Etwas wird verboten, weil es jemanden reizt. Allerdings muss mach beachten, dass diese Stimmungsschwankungen sehr subjektiv zu beurteilen sind. Nur weil mir die Farbe rot nicht sonderlich gut gefällt, besitze ich noch lange nicht das Recht, anderen Menschen zu verbieten einem roten Faden im Leben zu folgen. Wenn mich etwas stört, so sollte ich in erstere Linie an mich selbst appellieren und mich fragen, wieso ich mich gestört fühle. Mich zwingt schließlich keiner rot zu sehen, ich zwinge mich höchstens selbst dazu. Außerdem stellt sich hier die Frage wie rot etwas sein muss, damit ich mich darüber ärgere. Um die Überleitung zu schaffen – sollen Hosen- und Rocklängen morgens fein säuberlich mit einem Zollstock vermessen werden?!
Eine Frage der Selbstständigkeit
Einen weiteres Gegenargument sehe ich ganz klar im Kontext zu der Selbstständigkeit von uns Schülern. Ab einem gewissen Alter, sollte man sich nun mal bewusst sein, welche Wirkung man durch seine Kleidung vermittelt. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte zumindest vom Elternhaus ein kleiner Hinweis folgen, dass es nicht die beste Idee ist im Bikini in die Schule zu gehen. Unmittelbar danach folgt die Schule, die Hinweise im privaten Rahmen kommunizieren könnte und den Schüler als solches nicht zum öffentlichen Spottobjekt machen sollte.
Mein größtes Problem mich mit einer solchen Regel anfreunden, besteht jedoch darin, dass man knapp bekleidete Mädchen als das eigentliche Problem ansieht. Man geht davon aus, dass sie das männliche Geschlecht ablenken würden und sich deshalb etwas anziehen müssten. In diesem Kontext fällt oft das Wort „Anstand“. Nun sollte man vielleicht einfach mal an den Anstand der männlichen Bevölkerung appellieren und darum bitten, seine Augen bei sich zu behalten.
Keine Frau macht sich freiwillig zum Objekt
Keine Frau macht sich freiwillig zum Objekt – sie wird zum Objekt gemacht. Wieso sollte sich eine Frau verdecken nur um jemanden nicht abzulenken, der sich selbst nicht ganz unter „Kontrolle“ hat. Der weibliche Körper ist nichts Verwerfliches. Das heißt natürlich nicht, dass wir jetzt alle nackt in die Schule marschieren. Es bedeutet einfach nur, dass man nicht hinterfragen sollte, wieso jemand etwas für sich selbst tut. Schließlich ziehen sich Frauen und auch Männer manchmal salopp gesagt aus ganz praktischen Gründen so an, wie sie es eben tun. Es ist sicherlich nicht schwer zu verstehen, wieso man bei 35 Grad im Schatten kurze , anstatt lange Hosen trägt. Kleidung muss nicht immer ein Akt sein, um dem anderen Geschlecht zu gefallen – man kann sich doch einfach einmal selbst gefallen.
Häufig drücken sich Menschen auch durch ihre Kleidung aus. Da ist es völlig legitim, wenn es jemand kurz und knapp mag. Man kann versuchen als eine Art Provokation gegen Normen und Regeln zu sehen – man kann sich darüber ärgern. Interpretationswege sind vielseitig.
Sicher ist jedoch, dass sich pubertäre Jungs eher auf den Unterricht, als auf den Ausschnitt ihrer Tischnachbarin besinnen sollten – doch wer sich nur um den Ausschnitt kümmert und nicht um den, der blickt, der hat das Problem noch lange nicht aus der Welt geschafft. Da ist es nicht verwunderlich, dass Mädchen dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie Opfer von sexuellen Überbegriffen geworden sind. Jeder begründet das damit, dass sie etwas anderes hätte anziehen können – dass jedoch jeder einmal zum Opfer werden kann, das sieht niemand, bis er selbst das Opfer ist. Schuldumkehr ist keine Problemlösung, sondern eher Problemverschiebung. Oder hat sich eine Schule mal darüber ausgelassen, wieso manche Jungs ihre Hosen so weit unten tragen, dass man sie über den Asphalt schrubben hört? Ist das dann auch ein Indiz dafür, dass der Junge, wenn er Opfer einer Straftat wird, selbst daran Schuld wird? Er hätte schließlich einen Gürtel anziehen können.
Sexistisches Gedankengut: Schritt in die falsche Richtung
Für mich bleibt fraglich, wieso manche Schulen solche sexistisches Gedankengut wortlos unterschreiben und vermitteln – zu Zeiten in denen Emanzipation eigentlich bereits verinnerlicht und Bestandteil unserer Alltags sein sollte. Somit wird nicht nur der letzte revolutionäre Funken ausgetreten, sondern ein Schritt in die falsche Richtung getan: Zurück! Querdenker sind somit gar nicht erwünscht. Es wird auf Einheitsbrei getrimmt. Ob das Aufgabe der Schule sein sollte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst finde, dass aktive Abgrenzung, unterschwelliger Sexismus und die Erziehung zum stumm nickenden Bürger, keinen Platz in Schulen finden sollte. Über eine Schuluniform ließe sich hingegen zu Gunsten der Gleichheit reden. Ob Kleiderordnung oder nicht – jemand wird immer unzufrieden sein!
von Jessica Haak
Die Frage zum Thema: Wie hälst du es mit der Kleiderordnung?
Benedict Christ, 17:
Ich finde eine Kleiderordnung nicht gut, da sie jeden einzelnen in seiner Persönlichkeitsentfaltung behindert oder sie gar nicht erst ermöglicht. In diesem Falle steht für mich ein solches Verbot sogar im Konflikt mit dem Grundgesetz. Ein Eingriff in die Auswahl der Kleidung ist fast vergleichbar mit einem Eingriff in die Würde des Menschen. Deutschland ist ein freies Land. Hier sollte jeder die Möglichkeit besitzen darüber entscheiden zu können was er anzieht – auch in die Schule. Solange sich die Kleidung in einem bestimmten Rahmen bewegt, ist daran nicht Verwerfliches oder Negatives festzustellen. Ich sehe hierbei kein Problem. Keiner hat das Recht in eine solche Entscheidung einzugreifen. Zumal ein Verbot sowieso sinnlos wäre und eher das Gegenteil bewirken würde.
Valentina Braun, 17:
Ich finde dass jeder anziehen sollte, was er möchte.Solange er sich darin wohlfühlt, ist das völlig okay. Vor allem ist es in Ordnung bei so warmen Temperaturen, Hotpants mit einer normalen Länge in die Schule anzuziehen. Dennoch würde ich keine bauchfreien Oberteile in der Schule tragen. Sollte sich jemand damit gut fühlen, habe ich jedoch nichts dagegen.
Isabel Raßner, 18:
Ich verstehe nicht, wieso es eine solche Regelung geben muss. Der Begriff „Freizügigkeit“ ist sehr subjektiv , sodass sich wohl die Lehrer schlussendlich mehr daran stören als die Schüler selbst. Prinzipiell sollte jeder genug Anstand besitzen, sich so zu kleiden, dass es keinen reizt. Ich persönlich hätte Angst, wenn man meinen Kleidungsstil missversteht. Ansonsten sollte jeder anziehen dürfen, was er will. Ich verstehe natürlich, wenn jemand bei so warmen Temperaturen bauchfrei trägt. Dennoch gibt es irgendwo ein persönliches Schamgefühl sich so freizügig in der Öffentlichkeit zu zeigen, weswegen ich so etwas eher Zuhause anziehe. Auch muss man bedenken, dass keiner etwas für seine körperliche Statur kann. Wenn jemand lange Beine hat, sieht eine kurze Hose generell kürzer aus. Da wäre es blöd dem einen etwas zu verbieten, was anderen erlaubt ist. Außerdem findet nicht jeder weite lange Hose so schön wie kurze. Das soll jeder für sich selbst festlegen dürfen.
Pascal Döll, 18:
Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn jemand Hotpants, Tanktops und Co. trägt, wobei es einige Menschen jedoch ein wenig übertreiben. In England und den USA haben viele Schule schon seit langer Zeit eine Uniform eingeführt, was meiner Meinung nach, nicht unbedingt schlecht ist. Oftmals werden Kinder gemobbt, weil sich ihre Eltern keine Markenklamotten leisten können und sie somit nicht immer die neueste Kleidung besitzen. Eine Schuluniform würde dies natürlich vorbeugen. Generell bin ich mir jedoch nicht ganz schlüssig über eine bestimmte Kleiderordnung, denn schließlich sollte jeder selbst entscheiden dürfen, was er oder sie trägt und was nicht. Ein Verbot von Hotpants usw. ist demnach Quatsch.
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