INTERVIEW - VR-Banken fusionieren in ungewöhnlicher Weise. Der Alsfelder Vorstand Helmut Euler erklärt Hintergründe„Wir müssen die Organisation auch für die Zukunft stabil halten“
ALSFELD – Die VR Bank HessenLand will mit zwei VR-Banken fusionieren. Zusammen mit der VR Bank Fulda und der Volksbank Lauterbach-Schlitz soll die VR VerbundBank entstehen. Diese Nachricht erregte vor wenigen Wochen großes Aufsehen. Was bedeutet das? Das Ende der vertrauten VR-Bank, der regionalen Mitwirkung? Gehen Arbeitsplätze verloren? Der Alsfelder Bankvorstand Helmut Euler erläutert im Gespräch mit OL-Mitarbeiter Axel Pries Hintergründe und Vorhaben.
Frage: Es ist diese Fusion geplant, und dazu haben die Bankvorstände erklärt, dass es solide Bilanzen gibt und eine gesunde Risikosituation. Wozu machen Sie dann die Fusion? Wieviel Not steckt denn darin?
Euler: Da steckt keine Not drin, wir vollziehen diese Fusion aus verschiedenen Gründen. Einer der zentralen Punkte ist die demografische Entwicklung in der Gesellschaft und auch im Mitarbeiterbestand. Wir müssen davon ausgehen, dass uns in fünf bis zehn Jahren 25 bis 30 Prozent der heutigen Anzahl Menschen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir müssen aber die Organisation auch für die Zukunft stabil halten, und das geht wesentlich besser in einem größeren Rahmen. Die Idee ist, dass alles, was zentral Erledigung finden kann, auch gemeinschaftlich abgehandelt wird. Dazu gehören zum Beispiel das Rechnungswesen, der Jahresabschluss, Compliance, IT, Regulatorik, Kreditbereich oder auch die Innenrevision. Wir haben in den vergangenen Jahren erfahren, dass man zentral gemeinsam handeln kann, ohne die dezentralen Standorte zu verlassen. Da müssen die Mitarbeitenden nicht durch die Gegend geschickt werden. Durch diesen Zusammenschluss wollen wir die regionale Nähe, die Identität und die Ansprechpartner nicht verlieren, sondern pflegen. Die Beraterinnen und Berater sind unverändert in ihren bisherigen Beratungszentren bzw. Geschäftsstellen tätig. Die Marken der drei Banken bleiben erhalten.. Das alles ist Bestandteil des VerbundBank-Konzeptes.
Also steht da weniger ein Einsparungsgedanken hinter, als sonst bei Fusionen?
Euler: Es ist eine Einsparung, aber nicht vergleichbar mit Fusionen, wie man sie aus der Vergangenheit kennt. Das sind meistens einfach Kostensparmodelle, bei denen Mitarbeitende oder Geschäftsstellen nicht mehr benötigt werden. Unser Konzept verfolgt andere Ziele.
Es gibt keine konkreten Einsparungen?
Wir erzielen Einspareffekte auf der Sachkostenebene, zum Beispiel für die Regulatorik oder für IT, die besser ausgelastet werden kann. Darüber hinaus ergeben sich Rabatierungseffekte aufgrund der neuen Größenordnung . Über den Daumen geht es dabei um etwa drei Millionen Euro Es finden keine Entlassungen statt. , denn wir werden uns anstrengen müssen, auch in der Zukunft genügend Mitarbeiter zu haben. Der Fokus liegt auf mehr Wachstum.
Die VR Bank hat sehr viel investiert in die Mitarbeiter- und besonders auch die Nachwuchsgewinnung. Stichwort: Einführung des Dualen Studiums. Hat das alles nicht gefruchtet?
Doch, im Prinzip schon. Aber die Gesellschaft verändert sich. Wenn wir zehn Azubis einstellen, wird nach unserer Erfahrung etwa die Hälfte nach der Ausbildung wieder gehen – etwa, um noch ein Studium dranzuhängen oder etwas anderes zu machen. Und von der anderen Hälfte, die bei uns bleibt, werden auch nicht alle über die nächsten zehn oder 15 Jahre bei der Bank bleiben. Das war früher mal anders. Mit zehn Azubis wären wir überglücklich, wir haben in diesem Jahr sechs eingestellt, und das ist wenig im Vergleich zu der Anzahl, die altersbedingt weggeht.
Sie sagen, für die Kundschaft ändert sich nur, dass es durch eine individuellere, modernere Beratung besser wird. Was heißt das?
Dadurch, dass wir über einen breiteren Rahmen an Beraterinnen und Beratern verfügen, ist es möglich, aus diesem größeren Pool heraus stärkere Spezialisierungen zu schöpfen. Ein Beispiel: Wir sind im Bereich erneuerbare Energie und Entwicklung von Nahwärmekonzepten für Dörfer Marktführer. Das Knowhow, das wir über viele Jahre erworben haben, lässt sich natürlich wunderbar auf die anderen Regionen übertragen. So ist das bei den anderen Häusern ebenso. Ein Kompetenzfeld, das wir aus dem Fuldaer Bereich heraus erschießen möchten, ist zum Beispiel das Auslandsgeschäft.
Also, die individuellen Besonderheiten der Einzelbanken kommen allen Kunden zugute.
Ja. Ein Haus ist zu klein, um das alles im größerem Rahmen abbilden zu können, aber wenn wir mehr sind, kann man solches Knowhow sehr gut übertragen. Das geht sehr schön und einfach.
Sie schreiben auch, dass es bei der Anzahl der Vorstände bleibt. Es ist also keine übliche Fusion, bei der eine neue Spitze gebildet wird, sondern es ist mehr ein Gleichschritt dreier Banken.
Ja, das mit dem Gleichschritt ist eine gute Formulierung, Eine andere Metapher wäre, drei Goldklumpen zu nehmen. Die kann man verschmelzen, aber dann ist vom Einzelnen nichts mehr sichtbar. Wir wollen, dass diese drei Stücke in ihrer Beschaffenheit bestehen bleiben. Die Marke VR Bank HessenLand bleibt und wird als Markenvorstand von einer Person unverändert geleitet . Das gleiche gilt für die Volksbank Lauterbach-Schlitz für Herrn Lautenschläger und für die VR Bank Fulda für Herrn Sälzer. Je mehr Regionen in der Zukunft dazukommen, desto mehr Markenvorstände wird dieses Haus haben. Die VR VerbundBank wird, so wie das üblich ist, über einen Vorstandssprecher verfügen. Diese Funktion soll für das Gesamthaus bei mir liegen.
Die Rede ist auch von Mitgliederbeiräten, die gegründet werden sollen. Ist das was Neues bei Genossenschaftsbanken?
Ja und nein. Die Volksbank Lauterbach-Schlitz praktiziert das bereits sehr erfolgreich, und wir wollen das für jede Region einführen. Der Beirat ist also für die einzelne Marke da, und das wird ein Kreis von etwa 60 oder 70 Personen sein. In diesem Kreis soll die geschäftliche Entwicklung etwas intensiver erörtert werden, als man es in einer großen Vertreterversammlung kann. Der Schritt ist auch notwendig, denn das Gesamthaus wird in einer gemeinsamen Vertreterversammlung repräsentiert, und dann braucht man Formate, um die Regionen wiederzugeben. Ein solches Format ist der Beirat, ein anderes sind regionale Mitgliederveranstaltungen. Wir haben jetzt den bekannten Schiedsrichter Deniz Aytekin zu einer Mitgliederveranstaltung eingeladen. Da wird es Informationen geben, aber eben auch Infotainment.
Vor ein paar Jahren war noch vom Tod der kleinen Banken die Rede, die mit den neuen Anforderungen nicht Schritt halten können. Ist dieses Gespenst vom Tisch?
Die Frage möchte ich zunächst einmal statistisch für den Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken beantworten. Pro Jahr gibt es um die 50 Verschmelzungen, das ist ein ziemlich konstanter Wert. Die Fusionen finden bei ganz unterschiedlichen Größenordnungen statt. In den letzten Jahren eher weniger bei ganz kleinen Banken. Da muss man großen Respekt zollen, dass die Häuser den Betrieb noch bewältigen. Wenn ich mal unsere drei Banken betrachte, dann reden wir neu von 743 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das hat ein neues Gewicht, das wir für die Zukunft und die Region brauchen.
Schon geil… ein Sozialist durch und durch und ein Provinzbanker zweiter Klasse führen ein Gespräch. Danke für so viel Satire, liebes OL Team.