INTERVIEW mit Bürgermeister Paule über marode HäuserAbriss oder Sanierung? Was tun mit verfallendem Fachwerk in Alsfeld?
ALSFELD – Rund 400 Baudenkmäler gibt es in Alsfeld, die der Modellstadt das markante historische Antlitz verleihen. Doch die alten Häuser benötigen viel Pflegeaufwand, der offenbar nicht immer gegeben ist.. Es gibt Verfallserscheinungen. Beispiel ist ein Haus in der Unteren Fulder Gasse, das abbruchreif erscheint. Warum? Kann man es retten? Soll man es retten? Im Gespräch mit Ol-Mitarbeiter Axel Pries erklärt Bürgermeister Stephan Paule, welche Möglichkeiten und Perspektiven es gibt.
Frage: Eines von Alsfelds schönsten und am meisten frequentierten Fachwerkstraßen weist bedenkliche Schäden in der Häuserzeile auf: die Untere Fulder Gasse. Ist das Thema im Rathaus?
Paule: Die in die Jahre gekommen Häuser sind seit Jahren bereits Thema. Deshalb haben wir uns 2016 bemüht, in ein Bundes- und Landesprogramm zu kommen, das heute „Lebendige Zentren“ heißt. Damals hieß es „Städtebaulicher Denkmalschutz“. Das haben wir auch geschafft. Es gab dazu das sogenannte ISEK, das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept, in dem auch Schadenskartierungen aufgenommen wurden. Ein Fachbüro hat 2017 die ganze Altstadt begangen, und die Häuser in besonders schlechtem Zustand wurden identifiziert und kartiert. Das ist auch online abrufbar. Daraus ergibt sich eine umfangreiche Förderkulisse, von der Eigentümer profitieren können, wenn sie denkmalgeschützte Häuser sanieren wollen und dabei unrentierliche Kosten haben. Heißt: Alles was im Denkmalschutz teurer ist als im normalen Bauvorhaben, wird substanziell gefördert. Dazu gibt es auch Fördermittel für die öffentliche Hand – siehe Marktplatz oder Museum.
Frage: Wie hoch ist denn der Anteil der Häuser, die als marode eingestuft werden?
Paule: Es gibt unterschiedliche Erhaltungsstufen, und der Anteil, der Häuser, die als abkömmlich gelten, also unbewohnbar sind, der gilt als sehr, sehr gering. Es gibt aber sehr viele Häuser, die Instandsetzungsbedarf haben, und genau da greifen die Förderungen. Es gibt auch ein stadteigenes Förderprogramm namens Fachwerkstadt Alsfeld, bei dem es weniger bürokratisch zugehen soll, wenn es zum Beispiel darum geht, die Fassade zu verschönern oder mal einen Balken zu tauschen. Das wird aus dem städtischen Haushalt gespeist und soll relativ unbürokratisch Hauseigentümern Mittel zur Verfügung stellen.
Die meisten Häuser sind weitgehend in Ordnung und werden gepflegt. Wo liegen die Ursachen, wenn Häuser verfallen? Sind Erbengemeinschaften das Problem, die sich nicht einig werden? Sind es mittellose Eigentümer?
Wir haben ganz viele Einzelfälle. Das sind nicht nur Erbengemeinschaften. Wir haben auch einzelne Erben, die wenig örtlichen oder auch emotionalen Bezug zu einer Immobilie haben, und die bereit sind, „schlechte Mieter“ darin aufzunehmen. Dann kann so eine Verfallsgeschichte beginnen. Wir haben auch den Fall des Hauses am Kirchplatz 10, bei dem der Eigentümer vom Denkmalschutz beseelt war. Er war aber auch schon älter und konnte ganz objektiv keine Sanierung mehr vornehmen. Er hat sich also selbst etwas vorgemacht, hat aber deutschlandweit 30 denkmalgeschützte Immobilien gekauft und an keiner etwas saniert. Das ist schon ein psychologisches Problem. Mittlerweile ist er verstorben und wir müssen uns mit dem Nachlassgericht in einem anderen Bundesland „herumreißen“. Es gibt auch Fälle, in denen ein Eigentümer gerne etwas machen möchte, aber überhaupt kein Geld hat, auch nicht für den Eigenanteil neben der Förderung. Das ist aber selten der Fall.
Das sind dann tragische Geschichten, auch für das Haus…
Es gibt noch eine vierte Gruppe. Das sind sogenannte Investoren, die eine denkmalgeschützte Immobilie kaufen, ohne sie sanieren zu wollen. Stattdessen wollen sie in dem Zustand, in dem das Haus ist, noch maximalen Gewinn rausholen. Dazu wird der Mietraum mit möglichst vielen Menschen belegt, und wir können uns ausrechnen, was für Mieter dann da reinkommen oder vom Amt da hineingesetzt werden. Das tut der Substanz auch nicht gut. Wir wollen aber auch die nicht vergessen, die in Alsfeld wohnen und an ihrer Immobilie Interesse haben. Die haben von dem Förderprogramm profitiert und viele Tausend Euro in den Bestand investiert. Es gibt mehr als ein Dutzend Beispiele, in denen Häuser von den Eigentümern hervorragend saniert worden sind.
Einmal konkret zur „Unteren Fulder Gasse“. Da ist das Haus 22, das so aussieht, als ob es jeden Moment aus der Häuserzeile bricht. Kann man das noch retten? Wird das gerettet?
Die Stadt ist nicht Eigentümerin. Deshalb kann ich aus dem Kopf nicht zum konkreten Zustand sagen. Sobald Gefahr davon ausgeht, kann das Bauamt in Lauterbach auch entsprechende Sicherungsmaßnahmen anordnen.
Die Fenster sind kaputt, die Tür steht offen, da kann alles mögliche passieren.
So etwas gibt es in der Enggasse auch: Da steht die Tür offen, darin kann alles mögliche passieren. Das ist nicht schön, aber das Eigentum ist so stark geschützt, dass wir da jetzt nicht eingreifen können. Jüngst haben wir eingeführt, dass das für die allgemeine Gefahrenabwehr zuständige Ordnungsamt im mehrwöchigen Turnus Begehungen der gesamten Altstadt macht, um wenigstens Gefahren, die „nach außen“ von solchen Gebäuden ausgehen zu identifizieren und, wo möglich, für Abhilfe zu sorgen.
Man kann nicht eingreifen, aber man kann – bei allem Denkmalschutz – solche Häuser zur Not auch abreißen. Ein Beispiel gibt es in der Unteren Fulder Gasse, wo ein Neubau im Fachwerkstil entstanden ist. Wann geschieht so etwas?
Das kommt auf den Denkmalcharakter des Hauses an. Sie können ein Haus wie das am Kirchplatz 10 oder eines im Marktplatz-Ensemble nur sehr schwer abreißen. Ein anderes Beispiel gab es in der Hersfelder Straße, wo ein Haus völlig verfallen war und durch einen „sich einfügenden Neubau“ ersetzt wurde. Insgesamt sind die Hürden aber hoch. Beim Denkmalschutz geht der Erhalt immer vor der Entfernung.
Wenn kein Geld vorhanden ist zum sanieren, dann abreißen natürlich.
Gehört zur Kategorie, „Ausmisten/Entsorgen“ .
Und das von einer roten Socke… wenn kein Geld für Hart IV da ist, dann verhungern lassen, oder wie?
Spricht jemand, der von Immobilien so viel Ahnung hat, wie ich von Veranstaltugnen der Antifa. Ich lache mich schlapp 🤣
Es wird 2 Mal die „Untere Fulder Gasse“ und 6 x die „Untere Felder Gasse“ erwähnt. Was denn nun? Zwei unterschiedliche Straßen, wovon mir die Untere Felder Gasse nicht bekannt wäre. Zwei oder gar sechs Mal ein Tippfehler? Unsicherheit beim Verfasser, daher beide Varianten?
Vielen Dank für den Hinweis. Da hat offenbar die automatische Korrektur eingegriffen und aus einem unbekannten einen ihr bekannten Begriff gemacht, auch wenn er falsch ist. Natürlich ist Untere Fulder Gasse richtig, denn nur die gibt es. (Fast wäre es eben wieder passiert, der Algorhithmus mag Fulder Gasse offenbar nicht.) aep