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Propsteitag Oberhessen 2024Zukunftswege für die Evangelische Kirche auf Schloss Laubach

LAUBACH/VOGELSBERG (ol). Bei dem Propsteitag Oberhessen 2024 auf Schloss Laubach diskutierten Teilnehmer aus der Region über aktuelle Erkenntnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) und zukünftige Herausforderungen der Evangelischen Kirche. Workshops, musikalische Beiträge und ein reger Austausch prägten den erfolgreichen Tag, der wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Kirche bot.

Am Mittwoch, den 3. Juli, war das historische Schloss Laubach der Schauplatz für den großen Propsteitag 2024 der Propstei Oberhessen. Unter dem Motto „Veränderungen, Herausforderungen und Chancen der Evangelischen Kirche“ versammelten sich dort zahlreiche Pfarrer, Kirchenmusiker und Gemeindepädagogen aus der gesamten Region. Eingeladen hatte Pröpstin für Oberhessen, Dr. Anke Spory, um gemeinsam über die Zukunft der Kirche im ländlichen Raum zu diskutieren, berichtet das Evangelsche Dekanat Vogelsberg in einer Pressemitteilung.

Die Propstei Oberhessen ist eine der fünf Propsteien (Regionalgliederungen) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit Sitz in Gießen. Zur Propstei Oberhessen gehören fünf Dekanate: Büdinger Land, Gießen, Gießener Land, Wetterau und das Dekanat Vogelsberg.

Themenschwerpunkt: Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU)

Hauptthema des Propsteitages war die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), die unter dem Titel „Wie hältst du’s mit der Kirche?“ veröffentlicht wurde. Diese umfassende Studie, die seit 1972 alle zehn Jahre durchgeführt wird, liefert wertvolle Erkenntnisse zur aktuellen Lage der Kirchen in Deutschland. Der Soziologe und Sozialwissenschaftler Dr. Christopher Jacobi vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) präsentierte die wichtigsten Ergebnisse dieser umfangreichen Studie. Mit 5.282 Befragten und insgesamt 592 Fragen ist die KMU die größte Studie zur aktuellen Lage der Kirchen in Deutschland.

Die Datenerhebung der sechsten KMU fand Ende 2022 statt, und erstmals wirkte auch die katholische Kirche mit. Die Studie ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung Deutschlands, unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Ein neues Erhebungsverfahren verhinderte Verzerrungen nach Religionsaffinität, hieß es. Eine regionale differenzierte Auswertung sei möglich, da die Wohnorte der Befragten bekannt seien. Ergänzend wurden kirchliche Meldedaten einbezogen. Der Auswertungs- und Veröffentlichungsprozess wurde diesmal deutlich beschleunigt.

Erkenntnisse der KMU

Dr. Jacobi erläuterte, dass die Kirchenbindung und Religiosität in Deutschland weiterhin abnehmen. Während 56 Prozent der Bevölkerung angeben, dass Religiosität in ihrem Leben keine Rolle spielt, gehöre nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung zu den kirchlich-religiös orientierten Menschen. Besonders „beunruhigend“ sei, dass viele Menschen nach ihrem Austritt aus der Kirche keine neue religiöse Bindung suchen, was zu einem generellen Rückgang des Glaubens führe.

Religiöse Sozialisation und Jugend

„Besonders junge Menschen sind ein Schlüssel zur Zukunft der Kirche. Es ist wichtig, dass sich in der kirchlichen Arbeit besonders auf die jüngsten Generationen konzentriert wird. Denn in Kindheit und Jugend werden Weichenstellungen für spätere Einstellungen zu Glaube, Religion und Kirche gelegt“, betonte Dr. Jacobi.

Vertrauen und Verbundenheit

Die Bevölkerung vertraue eher der Diakonie/Caritas als den beiden Großkirchen. In den letzten zehn Jahren haben die beiden Großkirchen spürbar an Vertrauen verloren, heißt es. Die Menschen stehen der Kirche kritisch oder indifferent gegenüber. Die Verbundenheit zur Kirche sei stabil geblieben, obwohl die sehr hohe Verbundenheit erodiert sei.

Gesellschaftliche Bedeutung

Ein weiteres zentrales Ergebnis der KMU sei die große gesellschaftliche Bedeutung der Kirche. Trotz abnehmender Kirchenbindung bleibe die soziale Reichweite der Kirchen hoch. 35 Prozent der Bevölkerung hatten in den letzten zwölf Monaten Kontakt zu einer kirchlichen Einrichtung, und 45 Prozent berichteten von Kontakten zu kirchlichen Mitarbeitenden. Diese Kontakte seien oft wichtig für den Lebensalltag der Menschen und unterstreichen die Rolle der Kirche als soziale Institution, heißt es.

Erwartungen und Reformen

Die Bevölkerung habe sehr hohe Erwartungen an die Kirche, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Flüchtlingshilfe und soziale Arbeit. 80 Prozent der Evangelischen sind der Meinung, dass die Kirche sich grundlegend verändern müsse, um eine Zukunft zu haben. Die EKHN hat diesen Wandel bereits mit dem Reformprozess „ekhn2030 – Licht und Luft zum Glauben“ begonnen, der darauf abziele, notwendige Einsparungen umzusetzen und die Kirche zukunftsfähig zu machen.

Workshops und Austausch

Der Propsteitag bot nach dem KMU-Vortrag zahlreiche Workshops zu Themen wie Kirchenmusik, Soziales, Kasualien, Religionspädagogik, Social Media und Neue Gemeindeformen. Beim letzteren zum Beispiel stellte der Referent für Young Generation und Digitale Kirche, Tim Guttenberger, „UND Marburg“ vor, ein gemeinnütziger Verein aus Marburg. Als ein selbständiges kirchliches Startup wirke dieser innerhalb des Kirchenkreises Marburg.

Die zentrale Frage aller Workshops lautete: „Und jetzt?“ – Wie können wir mit den Ergebnissen der KMU die Kirche im ländlich geprägten Raum weiterentwickeln? Pröpstin Dr. Anke Spory betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass „der Tag erfolgreich ist, wenn die Teilnehmenden mit mehr Fragen nach Hause gehen, als sie gekommen sind.“ Laubachs Pfarrer Jörg Niesner, Mitglied des Vorbereitungsteams, betonte auch die Bedeutung des Austauschs und der Vernetzung: „Wir wollen hier heute einen besonderen Ort schaffen, an dem wir gemeinsam über die Zukunft unserer Kirche nachdenken können.“ Auch Celina Gräfin zu Solms-Laubach, Gastgeberin und Hausherrin sowie auch aktives Mitglied im Kirchenvorstand in Laubach, unterstrich die Bedeutung des Miteinanders: „Das Wort ‚zusammen‘ steht heute im Mittelpunkt des Tages.“

Da auch viele musikalische Menschen vor Ort waren, „gibt es heute sehr viel Musik, unter anderem eine Open Stage, an der sich jeder beteiligen kann“, verkündete Dr. Anke Spory mit sichtlicher Freude. Die musikalischen Beiträge, wie zum Beispiel von Daniela Werner (Dekanatskantorin Gießener Land), Anja Martine (Dekanatskantorin Gießener Land), Christoph Becker (Dekanatsmusiker Gießener Land) Claudia Regel (Dekanatskantorin Vogelsberg), sowie viele weitere brachten eine besondere Atmosphäre in den Tag und zeigten, wie verbindend und inspirierend Musik sein kann, so hieß es weiter.

Ein gelungener Tag

Der Propsteitag endete mit viel Zeit für Austausch, leckerem Essen, kühlen Getränken sowie toller Live-Musik. Pröpstin Dr. Anke Spory bedankte sich nach einem besonderen Abschlusssegen am Abend bei allen Beteiligten für ihr Engagement und verteilte als kleines Dankeschön Süßigkeiten. „Wir haben heute viel diskutiert und viele neue Ideen entwickelt. Nun ist es wichtig, die gewonnenen Erkenntnisse und Impulse in die Praxis umzusetzen“, schloss sie den Tag ab.

Der Propsteitag 2024 in Laubach sei ein wichtiger Schritt zur Reflexion und Diskussion über die Zukunft der Evangelischen Kirche gewesen. Mit inspirierenden Vorträgen, praxisnahen Workshops und zahlreichen Möglichkeiten zur Vernetzung wurde ein starkes Fundament für die weitere Arbeit gelegt, hieß es.

Mehr Informationen zur sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) gibt es auf der Website www.kmu.ekd.de, die den German Web Award gewonnen hat. Auf dem Online-Portal gibt es zudem Begleitstudien zu Themen wie Kirchenmusik, Wertorientierungen, Entscheidungsverhalten und die Kommunikation des Evangeliums.

Fotos: Patricia Luft

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