Hessens jüngster Bürgermeister Lukas Becker im Gespräch„Ich bin einer, der sagt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“
LAUTERTAL – Er stammt aus Gemünden, ging in Alsfeld zur Schule, hat schon in jungen Jahren bei der SPD politische Ämter in der Gemeindevertretung und im Kreistag übernommen – und für einen Rekord gesorgt: Lukas Becker ist mit 26 Jahren Hessens jüngster Bürgermeister. Drei Tage, nachdem er sein Amt in Lautertal angetreten hat, sprach OL-Mitarbeiter Axel Pries mit ihm über so Fragen wie: Warum macht er das? Wird er sich durchsetzen können?
Frage: Sie sind jetzt den dritten Tag im Amt. Haben Sie sich ein wenig eingerichtet und etwas Durchblick im neuen Büro bekommen?
Becker: Ja, ich habe ja schon bei der Übergabe in der letzten Woche die Abläufe kennengelernt und besprochen. Insofern wusste ich schon, was wichtig ist, worauf es ankommt.
Frage: Sie haben ja schon eine gewisse politische Karriere hinter sich. Lief das eigentlich immer schon irgendwie auf ein Bürgermeisteramt hinaus?
Becker: Ich würde schon sagen: ja! Denn es gab immer Leute, die mir gesagt haben: Du wirst sowieso mal Bürgermeister, es ist nur die Frage wann und wo. Das haben viele offenbar schon als vorprogrammiert gesehen. Man kann aber nicht sagen, dass ich das in die Wiege gelegt bekommen habe, weil in meinem Dunstkreis keiner direkt was mit Politik zu tun hat.
Man hat ja wohl die Vorstellung, dass man als Bürgermeister eine Menge bewegen kann. Haben sie Angst vor einem Praxisschock?
Eigentlich nicht. Ich hatte ja zum Glück die letzten acht Monate Zeit, mich auf alles, was so kommt, auch vorzubereiten. Ich habe mir nicht umsonst schon vor der Wahl viele Gedanken gemacht über die Themen, die ich mir auf die Agenda setze. Natürlich wird es auch mal Rückschläge geben, weil sich vielleicht doch die eine oder andere Idee so nicht umsetzen lässt, aber das gehört dazu, damit muss man leben. An anderer Stelle eröffnet sich vielleicht eine unerwartete Tür.
Bürgermeister werden immer wieder und immer wieder überall gewählt. Warum sind Sie eigentlich gegen den eigenen Chef angetreten? Da bestand doch auch das Risiko, dass Sie bei einer Niederlage künftig von ihm am Arbeitsplatz als Konkurrent betrachtet werden.
Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht fallen lassen. Das ist eine Entscheidung, die etwas im Leben verändert, und ich habe mich natürlich auch gefragt, wo eine Kandidatur möglich ist. Gemünden ist außen vor, weil wir da 2021 eine Wahl hatten. Ich wollte auch in einer Kommune kandidieren, die ich ein bisschen kenne, damit ich weiß, worauf ich mich da einlasse, welche Situationen und Themen vor Ort vorherrschen. Verwandtschaftliche Beziehungen zu Lautertal kamen dann hinzu, so dass mir die Gemeinde von vorne herein nicht fremd war. Dann war es auch so, dass es hier Themen gibt, in denen sich nichts bewegt, ich aber der Meinung bin, dass sich etwas bewegen sollte. Ich hatte auch eine andere Vorstellung, wie man sich als Bürgermeister präsentiert gegenüber Vereinen und Bürgern. Also war die Entscheidung: Man probiert oder man lässt es. Ich bin einer, der sagt: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Es gibt ein Sprichwort: Der Azubi wird im eigenen Haus kein Chef. Heißt: Er wird es immer schwer haben, anerkannt zu werden, weil alle noch den Azubi sehen. Fürchten Sie ein Durchsetzungsproblem in der Verwaltung – auch wegen Ihres jungen Alters?
Also, konkret in der Verwaltung verneine ich das. Wir kennen uns ja schon ein paar Jahre, und ich hatte in den drei Tagen nicht den Eindruck, dass man noch als Azubi gesehen wird. Das ist überhaupt kein Problem. Ich werde bei den Dingen gefragt, wie ich sie gerne hätte, und dann wird das auch so gemacht.
Ist es denn bei allen Kolleginnen und Kollegen beim Du geblieben oder ist da auch ein Sie zugekommen?
Nein! Wir bleiben hier schön beim Du! Wir sind ein zusammengeschweißtes Team, und wir fangen jetzt nicht an, uns wieder zu siezen.
In kleinen Städten und Gemeinde hängt politisch viel am Bürgermeister. Er muss Stichwortgeber und Initiator für kommunale Projekte sein. Sehen Sie sich in der Lage, diese Rolle in Lautertal auszufüllen?
Ja! Ich bin jetzt seit drei Tagen in dem Amt aktiv, und ich merke die Breite des Amtes – was man dabei alles erleben kann und berücksichtigen muss. Es ist wichtig, die Engagierten in der Kommunalpolitik mitzunehmen und den Stein ins Rollen zu bringen, damit sie sich entsprechend einbringen können. Die Politiker wollen sich ja einbringen.
Wie gut kennen Sie denn die politische Landschaft in Lautertal bereits?
Ich hatte mit Allen schon Berührungspunkte und Kontakte gehabt. Ich habe auch Gespräche angeboten, damit man sich miteinander austauscht, wer welche Vorstellungen für die Zukunft hat.
Sie haben schonmal etwas über Ziele für Lautertal gesagt – bezüglich Arzt und Einkauf – glauben Sie denn, dass moderne Technik wie Digitalisierung und Home-Office Lautertal voranbringt?
Also, schnelles Internet ist in den Haushalten schon vorhanden – bis auf Einzelfälle, zu denen ich zur Zeit leider auch noch gehöre. Die Digitalisierung weiter voranzubringen, ist eines meiner ersten Ziele. Da geht es nicht nur um Leistungen der Verwaltung, sondern es soll auch eine Art digitale App in der Gemeinde geben, über die die Bürger parallel zum kommunalen Blättchen informiert werden. Und intern soll es auch Veränderungen geben, etwa indem Arbeitszeiten nach dem Gleitzeitmodell angepasst werden, damit wir uns als moderne Arbeitgeber präsentieren können.
Wo hat Lautertal denn Entwicklungspotenzial?
Potenzial hat Lautertal auf jeden Fall bei unserem neuen Gewerbegebiet. Dafür gilt es jetzt Interessenten für zu finden, damit die Arbeitsplätze mitbringen. Es geht auch darum, die Menschen hier zu halten oder besser noch, neue Menschen für die Gemeinde zu gewinnen. Glasfaser ist dabei ein wichtiger Faktor für das Home-Office. Man muss nicht unbedingt fahren, wenn man hier leben will. Man kann hier leben und auch arbeiten. Wir wollen auch Geld in die Hand nehmen, um die Kita zu verbessern. Da wird etwas Modernes rauskommen, was den Ansprüchen der modernen Zeit genügt. Wir haben einen Schulstandort, wir haben eigentlich alles, was man als junge Familie braucht – bis auf Ärzte und Lebensmittelgeschäfte. Da gibt es noch Verbesserungspotenzial.
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