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Alexander-von-Humboldt-Schule (Lauterbach) und Johanneum (Herborn) schicken Ballon in die AtmosphäreKollaborative Weltraumforschung in 35.000 Metern Höhe

LAUTERBACH/HERBORN (ol). Die Alexander-von-Humboldt-Schule in Lauterbach und das Johanneum in Herborn haben sich kürzlich zu einem Weltraumprojekt zusammengeschlossen, bei dem sie einen Wetterballon auf 35.000 Meter Höhe in die Atmosphäre schickten. Dieser war mit verschiedenen Messgeräten ausgestattet, um die Zusammensetzung der Atmosphäre zu untersuchen. 

Space Science, also die Erforschung des Weltraums, ist nicht eben das Standardfach an deutschen Schulen. Im hiesigen Raum haben sich nun mit der Alexander-von-Humboldt-Schule (AvH) in Lauterbach und dem Johanneum in Herborn erstmals zwei Gymnasien zu einem Weltraumprojekt zusammengeschlossen, so berichtet das Lauterbacher Gymnasium in einer Pressemitteilung.

Rieke Althage leitet an der AvH schon lange die Space-Science-AG und das ExoLab-Projekt. Am Johanneum sind Thilo Zerbe und Dorit Betz für die Satelliten-AG und den Wahlunterricht im Fach Astronomie verantwortlich. „Als wir feststellten, dass wir alle sehr enthusiastisch den Weltraum, oder zumindest die uns umgebende Atmosphäre, erforschen, lag es auf der Hand, sich für ein Projekt zusammenzutun“, sagt Rieke Althage, die gemeinsam mit Thilo Zerbe und den Schülerinnen Leonie Hoffmann (Johanneum) und Sofie Schilke und Jasmin Lang (beide AvH) von dem Experiment mit dem Wetterballon berichtete, der vor wenigen Tagen von Herborn aus 35 000 Meter hoch in die Atmosphäre aufstieg, dort erwartungsgemäß platzte und seine teure Fracht – die Sonde und den Speicher mit vielen aufgezeichneten Daten – zunächst an unbekannter Stelle wieder zur Erde ließ. Inzwischen sind auch diese Komponenten wieder gefunden und den Auswertungen der genommenen Messwerte steht nichts mehr im Weg.

Bereits zum zweiten Mal konnte das Johanneum einen Wetterballon in die Stratosphäre schicken. Befüllt mit 4300 Litern Helium machte er sich auf den Weg in Schichten, die bis minus 45 Grad kalt waren. Am Ballon befestigt war eine Styroporbox, die die Elektronik enthielt. Diese sollte mit einem Fallschirm dann wieder zur Erde kommen. Bereits während des Fluges gab die Sonde schon Messwerte weiter – sie arbeitete mit LoRaWAN, einem Datenübertragungssystem, das auch die Universität Gießen nutzt, die das Projekt unterstützte, wie es hieß.

Ziel des Experiments war die Identifizierung der Atmosphärenschichten (Troposphäre und Stratosphäre) mit Hilfe von Informationen zu Temperatur, UV-Strahlung, Luftdruck, und Ozongehalt. All das konnten die Messgeräte in der Sonde bestimmen, und mehr als das: An Bord war auch ein Geiger-Müller-Zählrohr, das die radioaktive Strahlung messen konnte. Mit Hilfe dieser Daten sollten die Schülerinnen und Schüler die Ozonschicht identifizieren, die in der Stratosphäre liegt. Dies gelinge, indem man die Parameter der einzelnen Schichten kennt und ihre Änderungen deuten kann, heißt es. „Mit diesem Experiment bot sich den Kursteilnehmenden die Möglichkeit, die Zusammensetzung der Atmosphäre selbst und damit auch unseren Planeten Erde zu erkunden“, führt Althage aus.

Neben dem Wetterballon samt Sonde und Speicher, den das Johanneum zur Verfügung stellte, steuerte die Universität Gießen noch einen Myonendetektor bei, mit dessen Hilfe weitere kosmische Strahlung dokumentiert werden konnte. „Wir hatten außerdem Pflanzgut mitgeschickt und möchten nun untersuchen, ob der Aufenthalt der Samen in der Stratosphäre sich auf deren Wachstumsverhalten auswirkt“, erklärt Althage. UV-Strahlung, radioaktive Strahlung und andere Parameter könnten hier Einfluss haben. Dazu wird Material verwendet, das genetisch identisch mit dem Saatgut sei, das im letzten Schuljahr im ExoLab-Projekt untersucht und auf die ISS geschickt wurde.

Es seien also durchaus anspruchsvolle Untersuchungen, die die Schülerinnen und Schüler in allen naturwissenschaftlichen Disziplinen durchführen. Umso größer war der Schreck, als die Sonde zunächst verloren war. „Der Ballon ist 35.000 Meter hochgeflogen“, berichtet Thilo Zerbe, „doch im Sinkflug ist der Kontakt zum Ballon circa 1700 über dem Boden verlorengegangen.“ Klar war, dass sich die Ladung samt rotem Fallschirm in einem Fichtenwald im Sauerland befinden müsse. Doch Suchaktionen mit Hilfe von Kollegiumsmitgliedern des Johanneums und einer Gruppe von Geocachern blieben zunächst erfolglos. Als man schon dachte, man müsse weitere Hilfe über die Polizei, die Forstämter oder auch Funk und Fernsehen suchen, kam die erlösende Nachricht, dass die Sonde ein Funksignal abgesetzt hatte. Dorit Betz konnte mit Hilfe eines Drohnenpiloten den zwanzig mal zwanzig Zentimeter großen Schirm entdecken und die Box samt Inhalt aus dem Fichtenwald bergen.

Nun können also Daten im großen Stil ausgewertet und verglichen werden: Die Schülergruppen werden damit gut zu tun haben. „Die ganze Aktion war unglaublich spannend“, sagt Sofie Schilke, „es ist einfach toll, dass die Schule uns so etwas ermöglicht.“ Ihre Mitschülerin Jasmin Lang ergänzt: „Ich kenne wirklich niemanden außer uns, der solche Experimente machen kann.“ Wie Leonie Hoffman interessieren sich beide für Astronomie, Space Science, Physik und Raumfahrt.

Wie gut, dass die Lehrkräfte an beiden Schulen noch viele interessante Pläne für weitere spannende Themen rund um die den Weltraum haben. Und wie gut, dass sie ihre Kooperation fortsetzen und Ressourcen und Kompetenzen im Sinne der Schülerinnen und Schüler bündeln wollen.

Fotos: AvH/Johanneum

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