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Von Psychopaten, Lasten aus der Vergangenheit und tödlichen VerflechtungenMORDsZEIT in Alsfeld brachte acht Krimi-Autoren der Region auf die Bühne

ALSFELD (ol). Die erste MORDsZEIT in Alsfeld war ein großer Erfolg mit acht regionalen Autoren, die ihre verschiedenen Krimiwelten dem Publikum vorstellten. Die zweitägige Veranstaltung, die von mehr als siebzig Zuhörern besucht wurde, ist für das nächste Jahr bereits wieder geplant.

Erstmals fand sie Ende April in Alsfeld statt: die „MORDsZEIT“, die sich Johanna Mildner, Barbara Möser und Traudi Schlitt ausgedacht hatten, weil sie festgestellt hatten, dass die Mordlust ein weit verbreitetes Phänomen unter den Autoren der Region ist. Sie luden laut einer Pressemitteilung sieben Autorinnen und Autoren in das Beinhaus und den Buchladen ein und ließen es vor Spannung knistern rund um den ehrwürdigen Marktplatz, die Kirche und das Rathaus.

Zum Auftakt lasen am Freitagabend Traudi Schlitt und Claudia Hafner im Beinhauskeller. Für die Alsfelder Autorin ging damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, spielt ihr Krimi „Tod im Beinhaus“ doch genau in diesem Gebäude, wenn auch im darüberliegenden Stadtarchiv. Mit ihr sorgte Claudia Hafner für Spannung. Sie war Gastleserin in dem ansonsten regionalen Reigen und war einer Einladung von Traudi Schlitt gefolgt, die mit ihr in einer Schreibgruppe ist. Voll und sehr atmosphärisch war es im Beinhauskeller, als das Publikum nicht nur auf Alsfelder, sondern auch auf Heidelberger Pfaden wandelte. Denn dort treibt ein psychopatischer Mörder sein Unwesen und stößt auf Kommissarin Brenda Blüme.

Foto: Enrico Röhner

Am Samstagnachmittag nahm als Erster Berndt Schulz die Zuhörer im Buchladen mit in ein bedrohliches Szenario, das sich an den Motiven des Märchens vom Rotkäppchen orientierte. „Das Dunkel im Inneren des Wolfes“ zeige, so der vor einigen Jahren aus Berlin in die Schwalm zugereiste Autor, die Tat als Fingerabdruck einer Gesellschaft, die zur Gewalt neigt. Eine Gesellschaft, die in der Schwalm und überall Dinge unter der Decke lassen möchte, die irgendwann mit Macht hervorwollen.

„Cosy Crime“ versprach im Anschluss Cynthia Lotz aus Kirtorf. Sie hatte gleich alle drei Teile ihrer Nora-Nieberg-Reihe mitgebracht und verschaffte dem Publikum einen tiefen Einblick in die Verwirrungen rund um die in einen kleinen Vogelsberger Ort eingewanderte Frankfurterin, die von einem mysteriösen Fall in einen anderen fällt. Ihr Beitrag bestach durch die vielen Perspektivwechsel und machte neugierig auf das Leben der Menschen im fiktiven Bergental.

Wolfram von Haugwitz stellte in der nächsten Leserunde seinem Publikum den Ex-Kommissar Peter Brockmann vor, der in Hamburg – der Heimatstadt des inzwischen in Alsfeld lebenden Autors – als halbverdeckter Ermittler zu einem Todesfall hinzugezogen wird, der ein Politikum werden könnte. Vergangenheit und Gegenwart verquickt er zu einer spannenden Handlung, seine Lesung bestach durch seinen lebhaften und sehr gutgelaunten Vortrag, hieß es.

Einen realen Fall – und kein geringerer als die Morde des NSU – legte Bernd Hauck seinem Buch zugrunde. „Eine verhängnisvolle Urlaubsbekanntschaft“ führt ihn zurück in seine Heimatstadt Alsfeld. Dorthin verlegte der pensionierte Deutschlehrer, der seit langem in Lengede zuhause ist, seine akribisch recherchierte Geschichte um eine Familie, die sich im Urlaub mit dem mörderischen Trio anfreundete – offenbar ohne auch nur zu ahnen, mit wem sie es da zu tun hatten. Kann das sein? Diese Frage trieb und treibt sowohl den Autor als auch einige der Gäste um, die danach noch viele Fragen an die beiden Autoren hatten.

Nach Heidelberg, Alsfeld, Kirtorf, der Schwalm und Hamburg nahm als vorletzte Leserin des Krimi-Marathons Isbella Trummer das Publikum mit ins Silcherland. Dort, in der Steiermark, spielen die Krimis der Österreicherin, die abwechselnd dort und in Alsfeld lebt. Mit ihr gemeinsam lernten die Zuhörer Leopold Kranzelmeier kennen, der davon „überzeugt ist, dass das Leben ihm etwas schuldig ist“. Aus diesem Grund wird er zum Verbrecher – seine Perspektive und das Wissen darum ist der ungewöhnliche Ausgangspunkt dieses Romans, der – zumindest für das deutsche Publikum – auch von dem österreichischen Zungenschlag lebt, den die Autorin mit nach Hessen brachte.

Den Abschluss der MORDsZEIT machte Rainer Wälde. Während die anderen Autoren erstmals im Buchladen lasen, war er bereits zum zweiten Mal dort zu Gast und las aus seiner Jahreszeiten-Reihe. „Sommertosen“, den finalen Band der Reihe, hatte er mitgebracht und stellte dem Publikum nicht nur Timo von Sternberg, den jungen, etwas schnöseligen Kommissar vor, sondern auch Jörg Möbius, einen etwas abgehalfterten Lokaljournalisten, der zum Pressesprecher des Flughafens Kassel-Calden avanciert. Lebhaft, bildreich und mit viel Lust am Fabulieren präsentierte Wälde seinen Krimi, der – so wie die anderen Werke der MORDsZEIT viel Anklang beim Publikum fand, wie es hieß.

Johanna Mildner, Barbara Möser und Traudi Schlitt hatten für alle Autoren ein kleines Alsfelder Dankeschön bereit und freuten sich sowohl über die Bereitschaft der Schreibenden als auch über das Interesse der Gäste: Mehr als siebzig Zuhörerinnen und Zuhörer hatten an den beiden Tagen von dem Krimi-Angebot Gebrauch gemacht. Interessant waren für die drei Organisatorinnen, die alle vier Lesungen der acht Autoren gebannt verfolgt hatten, wie unterschiedlich man sowohl an das Schreiben als auch an das Vortragen und den Aufbau einer Lesung gehen kann: Einige stellten zunächst die Personen in den Vordergrund, andere gingen direkt ins Geschehen, manche trugen sehr sachlich vor, andere mit schauspielerischen Qualitäten. Es gab verschiedenste Perspektiven und Herangehensweisen. Und während die einen eine sehr literarische Sprache zeigten, liebten es die anderen schnodderig oder kühl: „Schon allein die Vielfalt dessen war ein großer Gewinn für uns und zeigt, wie kreativ die Schreibenden hier in der Region sind“, freut sich Barbara Möser. Für sie und ihre Mitstreiterinnen ist klar: Eine MORDsZEIT in Alsfeld soll es auch im nächsten Jahr wieder geben.

Fotos: Traudi Schlitt

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