INTERVIEW - Der mögliche Erste Kreisbeigeordnete Patrick Krug über Vogelsberger Probleme und Fehlschlüsse der Berliner Ampel„Ändern muss sich, wie Politik auf der großen Bühne gemacht wird“
VOGELSBERGKREIS – 35 Jahre ist er alt und kann auf eine stete Karriere in der Vogelsberger SPD zurückblicken: Patrick Krug. Ob Schülersprecher oder Jusos: Immer war er der Vorsitzende – so wie jetzt auch beim SPD-Kreisverband. Beruflich hat der gebürtige Grebenauer und heutige Alsfelder es zum Richter am Landgericht Fulda geschafft und strebt nun das zweithöchste politische Amt an, das der Vogelsbergkreis zu bieten hat: das des Ersten Kreisbeigeordneten an der Seite des designierten CDU-Landrats Dr. Jens Mischak. Die SPD hat ihn dafür nominiert. Was will Patrick Krug? Im Gespräch mit OL-Mitarbeiter Axel Pries gibt er Einblicke.
Frage: Wenn man als Richter am Landgericht Erster Kreisbeigeordneter werden will: Ist es Ihnen als Richter langweilig geworden? Ist das überhaupt ein Aufstieg?
Krug: Ob das ein Aufstieg ist, liegt immer im Auge des Betrachters, es sind beides sehr spannende Tätigkeiten. Nein, mir ist als Richter nicht langweilig geworden, ich bin sehr gerne Richter. Aber genauso gerne engagiere ich mich auch gesellschaftlich und politisch. Das mache ich jetzt ja auch schon etliche Jahre, weil der Vogelsberg für mich mehr ist als irgendein Ort oder eine beliebige Region, sondern meine Heimat. Mir liegt viel daran, wie sich hier die Zukunft entwickelt, und wenn so eine Stelle neu zu besetzen, ist, macht man sich eben Gedanken, ob man das bisherige, ehrenamtliche Engagement zu etwas Hauptberuflichem machen kann. Das möchte ich jetzt tun.
Das ist aber immer auch eine Stelle auf Zeit als politischer Beamter. Wie funktioniert das in der Praxis? Werden Sie als Richter freigestellt oder müssen Sie am Gericht kündigen?
Nein, ich muss nicht kündigen. Das Richterverhältnis ruht, und dafür gibt es Regelungen in der Hessischen Kommunalverfassung. Ich bekomme natürlich keine Bezüge mehr, aber wenn das Wahlbeamtenverhältnis einmal enden sollte, habe ich einen Rückkehranspruch.
Der Erste Kreisbeigeordnete ist der Stellvertreter vom Landrat und hat auch eigene Aufgaben. Wo sehen Sie Ihren Schwerpunkt, in dem Sie sich engagieren wollen?
Für mich stehen drei Themen im Vordergrund, die die Grundlage meiner Kandidatur bilden und unter der Überschrift „Heimat mit Zukunft“ stehen. Das sind erstens Bildung, zweitens eine gute Versorgung samt zukunftsfähiger Infrastruktur und drittens die Stärkung von Ehrenamt und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Beispielsweise geht es mir beim Thema Bildung konkret darum, den Schülerinnen und Schülern an den 38 Schulen des Vogelsbergs die besten Möglichkeiten für den eigenen Bildungserfolg zu bieten. Denn die Aufgaben des Vogelsbergkreises auf dem Gebiet sind für mich mehr als Verwaltungshandlungen. Da geht es unter anderem darum, die Investitionen in die Schulen auch in finanziell schwieriger werdenden Zeiten hochzuhalten, weil gut ausgestattete Schulen gerade für Kinder, die nicht die besten Startbedingungen zu Hause haben, auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun haben.
Hat denn der Vogelsbergkreis da so viel Nachholbedarf?
Nein, der Vogelsbergkreis hat da nicht viel Nachholbedarf, denn wir sind als Schulträger gut aufgestellt,. Damit das so bleibt, haben wir aber in dem Bereich schon ein paar Projekte vor der Brust. Dazu zählt zum Beispiel die Sanierung der Oberwaldschule in Grebenhain, die erfolgreich zuende gebracht werden soll. Oder es wird darum gehen, für die Gesamtschule in Mücke eine realistische bauliche Perspektive zu entwickeln. Wichtig ist mir auch, dass wir wo nötig die baulichen Voraussetzungen an den Grundschulen schaffen, wenn im Jahr 2026 bundesweit der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung greift. Wichtig ist auch, die beiden Standorte der beruflichen Schulen weiter zu stärken, und da stehen wir mit Blick auf Schülerzahlen und Vorgaben des Landes schon vor ein paar Herausforderungen.
Welche Einflussmöglichkeiten hat man denn als Erster Kreisbeigeordneter? Man muss doch mit allem, was man vorhat, erst einmal beim Landrat ankommen, um dann politische Anträge stellen zu können.
Das findet ja alles nicht im luftleeren Raum statt. Natürlich gibt es den Landrat, der als direkt Gewählter zurecht eine herausgehobene Stellung an der Spitze hat. Klar ist für mich aber auch, dass Jens Mischak als Landrat und ich als Erster Kreisbeigeordneter eine gemeinsame hauptamtliche Kreisspitze bilden und dabei von der schwarz-roten Kreiskoalition unterstützt werden würden. Ohne den Kreistag funktioniert das meiste ja nicht. Wir haben in der Kreiskoalition sowohl in der Sache, aber auch persönlich eine enge Zusammenarbeit, die von sehr viel Wertschätzung und großem gegenseitigen Vertrauen getragen wird. Deshalb verstehe ich meine Kandidatur auch nicht nur allein als Kandidatur für die SPD, sondern auch für die Kreiskoalition und als gemeinsames Projekt.
Der Vogelsbergkreis hat einige wachsende Probleme, die sich auch in der vergangenen Wahl gezeigt haben. Ich erwähne da einfach mal, dass die AfD so stark zugelegt hat. So etwas hat einen Hintergrund, und Landrat Manfred Görig hat selbst auch schon schwer gemahnt, da gegenzusteuern. Die SPD verliert insgesamt an Rückhalt. Mal von der Basis betrachtet: Was muss sich in Berlin ändern, dass auch der Vogelsbergkreis etwas davon hat?
Ich glaube, ändern muss sich, wie Politik auf der großen Bühne gemacht wird. Der Wahlerfolg der AfD und das gleichzeitige schlechte Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl sind ja kein vogelsbergspezifisches Problem, sondern sind vor allem in ländlichen Regionen zu beobachten. Die große Debatte um das Heizungsgesetz hat auch gezeigt, dass es gar nicht so sehr um die Frage geht, was für eine Anlage im Keller steht, sondern darum, dass ein relevanter Teil dieser Gesellschaft vor allem im ländlichen Raum das Gefühl hat, mit den eigenen Sorgen und dem eigenen Alltag in der großen Politik nicht mehr vorzukommen und nicht mehr gesehen zu werden. Das ist einerseits eine Frage der Kommunikation, aber hat auch etwas zu tun mit der Themensetzung. Der Ansatz, die Themen möglichst vieler Minderheiten aufzugreifen und zu glauben, es werden dann Themen der Mehrheitsgesellschaft, funktioniert nicht, glaube ich.
Das neue Wort, das durch die Republik geistert, heißt Bürgerräte. Ist es denkbar, dass man auch eine Art Kreisbürgerrat schafft, der dem Kreistag beratend zur Seite steht?
Ich weiß nicht, ob die richtige Antwort auf die Probleme ist, immer neue Gremien zu gründen. Zum einen haben wir ein repräsentatives System, in dem es klare Zuständigkeiten für die Ebenen und die Organe und damit auch die Erarbeitung von Lösungen gibt. Und dann ist das, was in einem Bürgerrat stattfinden würde, ja im Vogelsbergkreis bereits gelebte Realität – zumindest sind jene Volksvertreter diejenigen, die Kommunalpolitik ernst nehmen und ernsthaft betreiben, ja bereits im ständigen Austausch mit allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen. Noch ein neues Gremium zu gründen, mit dem ganzen Aufwand, der damit verbunden ist, ist am Ende nur eine Scheinlösung, die nicht dazu beiträgt, dass wir wieder zu einem politischen Konsens kommen, in dem sich möglichst viele mitgenommen fühlen.
Wie geht es jetzt weiter, und wie sicher ist denn, dass Sie tatsächlich in dieses Amt gewählt werden?
In der kommenden Sitzung des Kreistages am 4. Dezember gibt es einen Antrag von SPD und CDU auf Einrichtung eines Wahlvorbereitungsausschusses – das ist gesetzlich vorgeschrieben. Dazu wird es wohl einen Antrag der FDP geben, die Stelle zu streichen, darüber wird der Kreistag dann entscheiden. Wenn der Kreistag beschließt, dass es weiterhin sinnvoll ist, einen hauptamtlichen Ersten Kreisbeigeordneten zu haben, den es übrigens in 20 von 21 hessischen Landkreisen gibt, ist vorgesehen, in der Sitzung am 7. März zu wählen. Und Amtsantritt wäre dann gemeinsam mit dem Landrat im Juni 2024.
Zeichnet sich irgendwo ein anderer Kandidat ab?
Jede Fraktion im Kreistag kann jemanden vorschlagen, und es können sich weitere Bewerberinnen und Bewerber zu melden. Ich selbst werde nach dem Beschluss über die Einrichtung des Wahlvorbereitungsausschusses allen anderen demokratischen Fraktionen im Kreistag ein Gesprächsangebot machen und mich dabei vorstellen und um Unterstützung werben. Bei der Wahl habe ich natürlich die Koalition hinter mir.
Sehen Sie noch größere Hürden für sich vor dem Amtsantritt?
Es ist eine demokratische und geheime Wahl, die vorher offen ist. Im Prinzip kann viel passieren, aber es hat sich in den letzten Jahren der Zusammenarbeit in der Kreiskoalition gezeigt, dass die getroffenen Absprachen eingehalten werden, und deshalb habe ich keinen Grund, daran zu zweifeln, dass es diesmal auch klappen wird.
ein schon lange vorher abgekartetes spiel zwischen cdu und spd zur mehrheitsbeschaffung, das ist täuschung der wähler und wird die verdrossenheit noch weiter verstärken. die ämter sind nur noch da, um die parteifunktionäre zu versorgen, das ist keine demokratie mehr! es führt zu immer mehr nichtswählern und stärkung der radikalen lager.