Landtagskandidaten stellen sich den Fragen von ErstwählernLandtagskandidaten fast aller Parteien präsentierten sich bei Aktueller Runde an der Albert-Schweitzer-Schule
ALSFELD (ol). Bei einer Aktuellen Runde an der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld hatten Erstwähler die Gelegenheit, Kandidaten für die Wahl zum Hessischen Landtag zu befragen. Vertreter fast aller Parteien, darunter Die Linke, SPD, Freie Wähler, FDP, CDU und AfD, nahmen teil und diskutierten Themen wie Bildung, ÖPNV und Umweltschutz. Die Diskussion bot den Schülern Einblicke in die Positionen der Politiker und förderte den Dialog über wichtige landespolitische Fragen.
Eine ganze Aula voller Erstwähler – da ließen sich die Kandidaten für die Wahl zum Hessischen Landtag nicht lange bitten, als der PoWi-Leistungskurs von Alexander Möller sie laut einer Pressemitteilung des Alsfelder Gymnasiums zur Aktuellen Runde an die Albert-Schweitzer-Schule einlud. Mit Barbara Schlemmer (Die Linke), Maximilian Ziegler (SPD), Dieter Welker (Freie Wähler), Mario Döweling (FDP), Michael Ruhl (CDU) und Gerhard Bärsch (AfD) waren außer der erkrankten Eva Goldbach (Bündnis 90 / Grüne) alle in die Aula des Gymnasiums am Oberstufenstandort gekommen, um sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler zu stellen, die das Moderatorenteam Janis Knuppertz und Jonas Alexander Hoffman sehr professionell stellte.
Es gab strenge Regeln und Zeitlimits, um eine möglichst gerechte Gesprächsatmosphäre zu schaffen – mit Blick auf den fairen Umgang miteinander ist das Konzept aufgegangen: Die Politiker hatten Gelegenheit, ihre Positionen zu den Themen Bildung, Klimaschutz und Öffentlicher Nahverkehr kundzutun und sich dabei auch kritischen Fragen aus der Schülerschaft zu stellen, heißt es.
Zunächst jedoch stellten sich die Kandidaten vor – die Reihenfolge der Beiträge wurde während der kompletten Veranstaltung übrigens durch einen Zufallsgenerator ermittelt: Die Schülerinnen und Schüler erfuhren einiges zu den familiären und beruflichen Hintergründen der Kandidaten, die sich allesamt sehr verbunden mit der ländlichen Region im Allgemeinen und dem Vogelsberg im Besonderen zeigten.
Den inhaltlichen Beginn der dreigeteilten Gesprächsrunde machte das Thema Bildung: Mit Barbara Schlemmer und Mario Döweling saßen gleich zwei Lehrkräfte auf dem Podium. Aus ihren Erfahrungen heraus vertraten sie jedoch unterschiedliche Positionen: Während die Linken-Politikerin sich dafür aussprach, dass Schülerinnen und Schüler bis zur zehnten Klasse gemeinsam beschult werden sollten, um niemanden zurückzulassen, zeigte sich Döweling als Verfechter des bestehenden dreigliedrigen Schulsystems. Er war hier in Gesellschaft von CDU und AfD, während Maximilian Ziegler für die Gesamt- und die Ganztagsschule votierte, hieß es. Gleichzeitig sei er für Einführung eines Fachs Arbeitslehre, das mehr junge Menschen in praktische Berufe führen könne. Dieter Welker von den Freien Wählern sagte, nicht das Schulsystem sei das Problem, sondern die Ausstattung der Schulen, hier insbesondere der Lehrermangel. Dieser Feststellung widersprach indes Michael Ruhl – als einziger der Anwesenden im Landtag und dort in der Regierungspartei, der angab, noch nie habe es in Hessen mehr Lehrer gegeben. Welker konterte, dass die Herausforderungen an Schulen gewachsen seien. Fast einheitlich forderten die Parteien hier einen Bürokratieabbau. Die Abschlussfrage galt den Schülerinnen und Schüler, die sich eindeutig für einen Systemumbau im Schulsystem aussprachen.
Runde zwei der Veranstaltung drehte sich um den ÖPNV. Hier herrschte Konsens darüber, dass man in einer Region wie dem Vogelsberg nicht ohne Auto, also ohne Individualverkehr auskommen könne. Maximilian Ziegler: „Das ist ein schwieriges Thema.“ Er sprach sich für einen Ausbau des ÖPNV aus. Eine bessere Taktung von den Dörfern in die Mittelzentren könne durch den Ausbau der Anrufsammeltaxis erzielt werden. Auch die Vogelsbergbahn könne ausgebaut werden, allerdings: „Das darf kein Generationenprojekt werden – der Staat muss Dinge auch mal schnell hinbekommen.“ Für eine Verbesserung der Taktung und einen zweigleisigen Ausbau der Vogelsbergbahn sprach sich auch Dieter Welker aus. Er verwies jedoch darauf, dass jede verkehrspolitische Maßnahme auch Konflikte mit dem Umweltschutz nach sich ziehe. Für ein „integriertes Mobilitätskonzept“ warb Barbara Schlemmer. Dieses sehe eine Vernetzung aller vorhandener Verkehrsmittel und -wege vor, vom AST bis zum Radweg. Vor den Neubau von Strecken und Straßen stellte sie die Sanierung vorhandener Infrastruktur. Mario Döweling äußerte Bedenken zur Finanzierbarkeit und verwies auf digitale Lösungen und autonomes Fahren zur Steuerung und Verbesserung der Verkehrsflüsse. Die AfD sprach sich gegen jede Bevormundung hinsichtlich der Auswahl der Verkehrsmittel aus. Gerhard Bärsch forderte sowohl die Sanierung der vorhandenen Straßen als auch den Bau von neuen. Michael Ruhl berichtete von dem Zielkonflikt, der entstehe, wenn man die Menschen entweder schnell von A nach B bringen oder in jedem Dorf halten wolle. Er bemängelte auch, dass in einigen Orten außerhalb der Schulzeit kein ÖPNV stattfinde. Auch er sprach sich für einen Ausbau der Vogelsbergbahn aus und verwies auf die Schnellbusse zu den Oberzentren. Die Schülerinnen und Schüler äußerten ganz klar, dass sie direkt mit dem Führerschein auf Individualverkehr umsteigen. Sie sprachen sich für einen Ausbau des ÖPNV aus, hieß es.
Der letzten Themenkomplex widmete sich der Frage nach den größten Umweltsünden und ob klimapolitische Maßnahmen auf Landesebene gebracht werden müssten. Hier zu äußerte sich als Erster Mario Döweling. Tatsächlich liege hier viel in der Kompetenz des Bundes, so der passionierte Jäger, der sich auf Länderebene für eine deutliche Aufwertung der Wälder aussprach: „Der Wald ist der beste Klimaschützer“, sagte der FDP-Politiker, der Mittel für die Instandsetzung der hessischen Wälder forderte. Dieter Welker identifizierte den Energieverbrauch als größte Umweltsünde, insbesondere der Bedarf energieintensiver Wirtschaftszweige müsse aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Auch er sprach sich in Hessen für eine sinnvolle Aufforstung aus, warnte aber vor Zwang und Dogmatismus: Klimaschutz müsse Spaß machen und es müsse eine Energieoffenheit geben. Explizit für Umwelt- und Klimaschutz sprach sich auch Gerhard Bärsch aus. Die AfD wolle Wälder aufforsten, Wasserressourcen schützen und Klimaanpassungsmaßahmen vorantreiben. Sie lehne es indes ab, Millionen in Klimaschutzprojekte zu stecken. Für Maximilian Ziegler dauere die Energiewende zu lange. Er forderte viel mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien, heißes es. Als Umweltpartei präsentierte Barbara Schlemmer auch Die Linke. Sie sei gegen den Ausbau von Autobahnen und für den Schutz von Mooren, Gewässern und Wäldern. Im Dannenröder Forst könne man deutlich sehen, welchen Schaden der Ausbau der A49 angerichtet habe. Der Landtagsabgeordnete der CDU Michael Ruhl ging zunächst auf seinen Vorredner aus der AfD ein: Die einzige Partei, die im Landtag offen gegen jedes Klimaschutzprojekt gestimmt habe und deren umweltpolitischer Sprecher den Klimawandel leugne, sei die AfD. Auch Ruhl warb für eine Sanierung der Wälder, jedoch nicht nur mit heimischen Baumarten, sondern klimaresistenteren Sorten. In der Diskussion verwies Dieter Welker auf die bürokratischen und gesetzlichen Hürden bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und fragte Ziegler direkt, wie dieser angesichts dieser Tatsachen Maßnahmen schneller umsetzen wolle. Der SPD-Politiker sprach sich dafür aus, entsprechende Gesetze zu entwickeln, offen am Denkmalschutz zu arbeiten und sich darüber klar zu werden, dass man „nicht alles umarmen“ könne, sondern Prioritäten setzen müsse. Bärsch bestand darauf, dass die AfD den Klimawandel nicht leugne, dass die Rolle Hessens dabei jedoch sehr klein sei. Dennoch sei man Teil der Welt, konterte Ruhl, und auch Hessen müsse und könne seinen Beitrag leisten. Dass zu viel Bürokratie hinderlich sei, meinten alle Beteiligten. Während Ruhl jedoch sagte, der Wille zum Klimaschutz dürfe nicht die Wirtschaftskraft des Landes zerstören, konterte Schlemmer, dass die ohne Klimaschutz „an die Wand fährt.“ Die Schülerinnen und Schüler forderten mehr Aktivitäten im Klimaschutz auf Landesebene, hieß es.
In ihren Abschlussstatements – einem Blick in die Zukunft der Region – machten alle Politiker noch einmal deutlich, dass sie für einen starken Vogelsberg stehen. Das Fünfjahresziel von Dieter Welker ist es, wieder mehr Menschen, insbesondere junge Familien in die Region zu holen. Handwerk und Klimaschutz müssten dazu von der Politik priorisiert werden. Mario Döweling möchte in fünf Jahren auf einen Abbau der Bürokratie schauen, Bildung gestärkt haben und den Blick der Politik auf den ländlichen Raum verändert haben. Barbara Schlemmer attestiert dem Vogelsberg starke Ressourcen. Sie möchte einen sanften Tourismus entwickeln und Landwirtschaft, Ökologie, regionale Vermarktung, Artenschutz und Energiewende vernetzen. Maximilian Ziegler sagte, die Herausforderung sei der demografische Wandel. Darum habe die Versorgung mit Ärzten, Pflegekräften und bezahlbarem Wohnraum große Priorität. Michael Ruhl indes sieht den Kreis besser aufgestellt, als Prognosen vorhergesehen hätten: Die Einwohnerzahl sei stabil geblieben. Um diesen Trend zu stärken, müssten strukturelle Maßnahmen greifen: Breitbandausbau und eine Erhöhung der Eigentumsquote nannte er als Aufgabe der Politik. Gerhard Bärsch forderte eine Aufwertung des ländlichen Raums: Verkehr, Versorgung und Digitalität müssten vorangetrieben werden, hieß es weiter.
„Wählen ist in Deutschland keine Pflicht, doch es gibt eine moralische Verpflichtung, am demokratischen Prozess mitzuwirken“, hatte Schulleiter Christian Bolduan die jungen Erwachsenen zu Beginn der Veranstaltung zum Wählen aufgefordert. Zum Abschluss der Aktuellen Runde attestierte er allen Mitwirkenden „School at its best“. Er dankte dem PoWi-Kurs für die Organisation. Auch dessen Tutor Alexander Möller zeigte sich begeistert und beeindruckt von dem Engagement der Schülerinnen und Schüler. Insbesondere lobte er Julia Rausch, bei der im Vorfeld alle organisatorischen und kommunikativen Fäden zusammenliefen.
Dass nach langer Zeit wieder eine Aktuelle Runde an dem Alsfelder Gymnasium stattfand, wurde von allen Beteiligten als sehr positiv empfunden. Ablauf, Inhalt und der Umgang der Diskutanten miteinander seien vorbildlich gewesen. Die Schülerinnen und Schüler äußerten sich sehr zufrieden mit diesem Format, das Politik nahbar macht.
Fotos: Schlitt
Jetzt ziehen sie wieder durch die Lande und versprechen den Himmel auf Erden und nach der Wahl ist alles vergessen.
Hier muss ich klarstellen: für die FDP ist es eben nicht entscheidend ob dreigliedriges Schulsystem oder Gesamtschule! Wichtig ist das die Schulen gut mit Lehrern ausgestattet werden und das Land Hessen mehr in die Digitalisierung investiert! Ich unterrichte selbst an einer kooperativen Gesamtschule mit Förderstufe und angegliederter Grundschule! Nicht die Schulformen ist entscheidend, sondern die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte im Rahmen der Selbstständigen Schule und die sachliche und personelle Ausstattung durch das Land Hessen! Und nicht zuletzt der Abbau der Bürokratie an der Schulverwaltung und Lehrkräfte zu Lasten der Schüler zu leiden haben!
Tolle Sache. Sehr fair und offen. Wie zu erwarten war, punktet die AfD in einem Rennen der besseren Argumente massiv. Eine gute Veranstaltung für 🇩🇪