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Verwaltungsgericht GießenWegen nicht geschnittener Hecke ins Gefängnis? Antrifttal scheitert vor Gericht

VOGELSBERG (ls). Weil ein Bewohner seine Hecke nicht schneiden wollte, machte es die Gemeinde Antrifttal selbst und blieb auf die Kosten sitzen. Vor Gericht forderte die Verwaltung nun Ersatzzwangshaft, um den Bürger zu erziehen. Doch das Ansinnen scheiterte.

Es ist eine harte Erziehungsmaßnahme: Weil ein Antrifttaler seine Hecken und Bäume nicht geschnitten hat, die Gemeinde es daraufhin selbst machte und auch Zwangsgelder nicht gezahlt wurden, sollte der Einwohner inhaftiert werden – auch, um ihn künftig zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu bewegen. Das jedenfalls forderte Antrifttal vor dem Gießener Verwaltungsgericht.

Gemäß der Gemeinde-Satzung sind in Antrifttal überhängende Äste und Zweige von Bäumen und Sträuchern über Gehwegen bis zur Höhe von 2,40 Metern und über der Fahrbahn bis zur Höhe von 4,50 Metern zu entfernen. Der Anwohner ist dieser Verpflichtung im Sommer 2021 nicht nachgekommen, also setzte die Gemeinde mehrfach Zwangsgelder fest.

Bezahlt wurden die allerdings nicht und auch die Hecken und Bäume wurden nicht geschnitten. Die Gemeinde machte es dann selbst, blieb aber auch auf diesen Kosten sitzen. Insgesamt, also mit den ungezahlten Zwangsgeldern, stehen über 2000 Euro aus. Der betroffene Antrifttaler, so heißt es vom Gericht, sei vermögenslos.

Aus diesem Grund beantragte die Gemeinde beim Verwaltungsgericht Gießen die Anordnung von Ersatzzwangshaft – auch, um den Antragsgegner zukünftig zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu bewegen, wie es vom Gericht in einer Pressemitteilung heißt.

Bürgermeister verteidigt Gang vors Gericht

„Was hätten wir sonst noch für Möglichkeiten gehabt?“, fragt Antrifttals Bürgermeister Dietmar Krist am Telefon, als man mit ihm über den Fall spricht. Mehrfach seien Zwangsgelder verhängt worden, die nicht bezahlt worden sind, weshalb der Gemeinde letztendlich nichts anders übrig geblieben sei, als die Hecke selbst zu schneiden und die Straße selbst zu reinigen. Alle möglichen Mittel seien ausgeschöpft worden und der Anwohner habe bereits in der Vergangenheit angedeutet, seinen Verpflichtungen auch weiterhin nicht nachzukommen. Deshalb beantragte die Stadt als letztes Mittel eine Ersatzzwanghaft.

Das Ansinnen scheiterte vor dem Verwaltungsgericht. Der mit einer Ersatzzwangshaft verbundene Eingriff in die Freiheit des Bürgers, um die Verpflichtung zum Heckenschnitt durchzusetzen, sei nicht verhältnismäßig – insbesondere, weil die Gemeinde die Maßnahme bereits selbst vorgenommen habe, urteilten die Richter. Auch sei es rechtlich nicht zulässig, die Ersatzzwangshaft „auf Vorrat“ anzuordnen, damit der Anwohner künftig seiner Verpflichtung nachkommt.

Antrifttals Bürgermeister bedauert die Entscheidung. „Was sind die Konsequenzen? Er kommt mit seinem Handeln durch und der Verwaltung sind die Hände gebunden“, erklärt er. Dass der Anwohner seinen Verpflichtungen zur Reinigung der Straße nicht nachkomme, sei schon jahrelang so und werde wohl auch in der Zukunft weiter so sein. „Es ist auch nicht so, dass er nicht kann, er will nur nicht“, ergänzt Krist. Und der Gemeinde seien durch das Urteil auch in Zukunft die Hände gebunden.

Die Entscheidung der Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen. Ob die Gemeinde davon Gebrauch macht, wird derzeit geprüft. 

13 Gedanken zu “Wegen nicht geschnittener Hecke ins Gefängnis? Antrifttal scheitert vor Gericht

  1. Es wäre bestimmt kostengünstiger gewesen, die Forderungen der Gemeinde im Grundbuch mit einer Sicherungshypothek abzusichern, als weitere Kosten (Verwaltungsgericht) zu produzieren. Als Empfehlung: Bitte Ortsbeirat (speziell Ortsvorsteher) gelegentlich einmal mit „offenen Augen“ durch den Ortsteil gehen um derartige Kostenverursacher frühzeitig abzumahnen.

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  2. Wo hört die Freiheit des Einzelnen auf? Wann muss Zwang ausgeübt werden? Ich habe selbst einen Nachbarn, dessen Äste ragen auf mein Grundstück und die Hecke auf den Bürgersteig. Kinderwagen müssen den Bürgersteig verlassen. Der ist auch nicht mittellos und sicherlich auch nicht faul, sondern einfach nur provokant. Er lässt auch nicht mit sich reden. Wenn dann die Gemeinde die Hecke schneidet, den Bürgersteig zur Nutzung wiederherstellt, ist es doch legitim die Rechnung dafür weiterzugeben und ggf auch rechtlich durchzusetzen.
    Apropos Bürgersteig, wann wird endlich etwas gegen die Bürgersteigparker getan. Man kommt ja auf den Nebenstraßen keine 100m auf dem Bürgersteig voran ohne auf die Straße zu müssen. Mütter mit Kinderwagen nutzen diesen schon gar nicht mehr.

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    1. Und wegen einer nicht geschnittenen Hecke willst du Menschen ins Gefängnis bringen?
      Ist das dein Ernst?

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      1. @ Klaus Meier: Nein, wegen vorsätzlich erzeugten Kosten und der Weigerung diese zu tragen.

        Wo ist der Unterschied, ob`s eine nicht geschnittene Hecke oder ein nicht bezahlter Unfallschaden ist? Entscheiden Sie das, weil Sie moralisch beurteilen wollen, welches Vergehen „schlimmer“ ist?

        Kompletter Unfug. Kann auch nur von jemandem kommen, der applaudiert, wenn in Dannenrod Polizeitautos demoliert und Polizisten mit Steinen und Fäkalien beworfen werden.

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      2. Das Schneiden der Hecke durch die Gemeinde war genauso sinnlos, wie der Polizeinsatz bei Dannenrod.
        Aber Verhältnismäßigkeit scheint bei manchen Politikern und deren Fans keine Rolle zu spielen.
        Für die jetzt entstehenden (Gerichts-)Kosten dürfen mal wieder wir Steuerzahler aufkommen,
        danke an die Verantwortlichen, wir bezahlen ja gerne jeden Unsinn.

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    2. Nicht der Polizeieinsatz in Dannenrod war sinnlos, sondern die Straftaten und das massiv rechtswidrige Vorgehen der sogenannten Aktivisten. Der Polizeieinsatz war eine logische – wenn auch viel zu teure – Konsequenz in einem demokratischen und freien Land welche sogar die Grünen mitgetragen haben.

      Wo kommen wir hin, wenn jeder selbst entscheidet, was im Rechtsstaat erlaubt ist und was nicht? Wo kommen wir hin, wenn ein ideologisch verblendeter und Straftaten auf dieser Plattform schon seit Jahren rechtfertigender Mensch entscheidet, was verhältnismäßig ist und was nicht?

      Niemand geht in den Knast, weil er keine Hecke schneidet. Und es ging hier wohl auch kaum um eine jahrelange Freiheitsstrafe. Es geht einfach darum, dass man die Kosten, die man verursacht, auch zu tragen hat.

      Ich hoffe sehr, dass Herr Krist nicht aufgibt und in Berufung geht.

      Übrigens kommen Sie doch mal ins Antriffttal. Wir haben hier blühende Wiesen, keine Straftaten und eine tolle Gemeinschaft.

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  3. Diese traurige Provinzposse zeigt eigentlich auch einmal mehr, dass Gemeinden in dieser Größenordnung am Ende sind.
    Eine gut qualifizierte Verwaltung kommt hier viel früher zum Ergebnis, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wohl verletzt sein könnte. Die Mittel-Zweck-Relation wird völlig außer Acht gelassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es in der gesamten Gemeinde wahrscheinlich nicht eine Stelle gibt, wo es wirklich hätte gefährlich werden können, weil Äste irgendwohin wachsen. Keine Bundesstraße, Bahngleise etc.
    Wahrscheinlich haben sich einfach nur die Nachbarn beschwert.

    Der Schaden nun? Viel größer als vor der Entscheidung des VG Gießen. Denn nun wissen alle: so gehts nicht. Die Gemeinde, der Bürgermeister als Ordnungsbehörde sind die großen Verlierer.

    Peinlich ist diese Geschichte auch noch. Die Zeiten, für jeden Mist in den Knast zu kommen, haben wir hinter uns gelassen. Das ist auch gut so.

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    1. @ „Freiherr von Stein“ 😂
      : „Zeiten in denen, jeder Mist -zur Verhaftung führt –
      Meinen sie vielleicht Staaten wie zb Russland – Iran- Katar – .und leider noch etliche andere Staaten ?!
      Sie meinen wohl : Deutschland !
      Unsere Justiz welche zb. : rechtsextreme Reichsbürger daran hinderte einen Putschversuch zu „ handeln „?
      – oder das unsere Demokratie/ welche auch voller Fehler ist .aber wahrlich nicht die schlechteste ist, sich gegenüber autokratischen Ländern ….. sehr unterscheidet ?
      Zb. auch sehr durchgreifende rechtsstaatliche Mittel gegenüber Gesetzes- übertretene Handlungen von Menschen bezüglich zb. A49 !!?
      Frage mich : was Sie wollen ?!
      Sicherlich wohl keine Demokratie! !!!!!

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      1. Lesen ist die Sinnentnahme aus der Schrift. Offenbar, haben Sie da nicht so ein glückliches Händchen.
        Demokratie bedeutet doch nicht, dass man in den Bau geht, weil man die Hecke nicht schneidet. Sieht das VG Gießen auch so, oder sind das jetzt auch Antidemokraten oder – Achtung Kalauer – Antikristen 🤣

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  4. Herr Krist ist beispielhafter Vertreter der politischen Klasse die unter sich verfilzt Vetternwirtschaft gut heißt. Aber sobald irgendein mittelloser Bürger ihm im Weg steht – dann muss umso härter durchgegriffen werden. Naja, beim nächsten mal wird eben genau so mit ihm verfahren. Fehlt ja noch so ein Bürgermeister der sich „seine“ Bürger unbedingt „erziehen“ will…

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    1. Ja sowas haben wir gern die Pseudo Moralapostel die ihre Willkürr mit der Missbrauch Justiz versuchen umzusetzen.
      Der arme Mann hat anscheinend Probleme hilft ihm etwas, aber nein es wird versucht den armen Mann zu brechen udn sogar ins Gefängnis zu stecken um ihn „los zu werden“
      In was für einen kranken Gesellschaft leben wir eigentlich?

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    2. Der Bürger ist weder mittellos noch sonst irgendwie arm dran. Er verursacht vorsätzlich Kosten und Ärger zu Lasten der Gemeinschaft.

      Keine Ahnung, wie man das so verfälscht wiedergeben und auch noch Herrn Krist die Schuld daran geben kann.

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    3. So sieht es leider in jeder Verwaltung in Deutschland , nur noch Vetternwirtschft .
      Nur korrupte Beamte und Politiker ,
      Vollkommen unfähige Politiker wie man es gerade bei Scholz , Baerbock , Habeck und Co sieht .
      Einfach lächerliche Typen ….

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