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Nachruf auf Roland HeinrichEin Versöhner ist gegangen

ALSFELD. Mit Roland Heinrich ist ein Mann gestorben, der in Alsfeld zum Inbegriff für integren Journalismus geworden war. Durch seine Arbeit erwarb er sich allseitigen Respekt. Ein Nachruf seines langjährigen Kollegen Axel Pries.

Roland Heinrich ist gestorben. Im Alter von 75 Jahren erlag der langjährige Leiter der Lokalredaktion bei der Oberhessischen Zeitung am Sonntag einer schweren Krankheit, und die Nachricht davon hat bei vielen Menschen in Alsfeld und Oberhessen Bestürzung ausgelöst. Denn Roland Heinrich hat nicht nur durch seine lange journalistische Arbeit einen großen Bekanntheitsgrad erlangt, sondern durch seine so geradlinige wie ausgeglichene Haltung im ganzen Vogelsberg viel Respekt erworben.

Geboren wurde der Ehemann der früheren Stadtverordnetenvorsteherin Bärbel Heinrich und Vater zweier Söhne in der pfälzischen Gemeinde Rodt unter Rietburg, ging in Landau und Alsfeld zur Schule. Und es war vielleicht dieses Pfälzer Gemüt, das ihn im weiteren Leben kennzeichnete: ruhig, unaufgeregt, enorm beständig. Ein Studium in Marburg brachte erste Kontakte nach Hessen und Alsfeld. Zum Journalismus brachte ihn ein Praktikum bei den Nürnberger Nachrichten, dem sich ein Volontariat anschloss. Über einen Abstecher in Gießen erreichte Roland Heinrich schließlich 1981 die Oberhessische Zeitung, deren Lokalredaktion er 25 Jahre lang leiten sollte. Das Kürzel „rwh“ – wobei das w für den wenig genannten, zweiten Vornamen Walter stand – sollte bis zu seinem Ausscheiden 2012 Tausende Artikel als seine markieren.

Roland Heinrich war keiner, der seine Erfüllung nach Stunden berechnete

Das Geschehen vor Ort zu begleiten, der Leserschaft möglichst neutral zu erklären und per Kommentar einzuordnen, war die große Leitlinie, die der Journalist über alle Jahre verfolgen sollte. Wie sehr ihn dabei der journalistische Auftrag fesselte, zeigte sich, als er zwischendurch einmal für sechs Jahre die Seiten gewechselt hatte: in die Presseabteilung des Vogelsbergkreises. Ein Ruf aus Alsfeld genügte, um ihn wieder zur Zeitung zu locken, trotz der Belastung, die der Beruf auch in den 80er- und 90er-Jahren schon mit sich brachte.

Aber Roland Heinrich war keiner, der seine Erfüllung nach Stunden berechnete. Wenn die Anforderungen es verlangten, arbeitete er bis in die Nacht, und der Schreibtisch wurde dann am Samstag aufgeräumt. In aller Ruhe. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Oberhessische Zeitung weiter: mit einem regelmäßigen Reportageformat zum Beispiel, mit der Jugendseite Spot, mit ersten Internet-Auftritten. Es waren ein buchstäblich breites Kreuz und große Offenheit beim Chef der Redaktion, die es Kolleginnen und Kollegen erlaubten, sich unter seinen Fittiche kreativ auszubreiten.

Er selbst liebte es, die Entwicklungen mit regelmäßigen Kommentaren einzuordnen. Was immer sich in der Woche ereignete, es fand Widerhall in seinen samstäglichen, spitzen Worten.

Den Ehrgeiz zum Sieg entwickelte er am liebsten beim erfolgreichen Doppelkopf-Spiel

Aber so sehr Roland Heinrich dabei mit der scharfen Klinge der Ironie das Geschehen sezierte, er fand zugleich immer auch verbindliche, verbindende Worte, ließ niemanden bloßgestellt oder belehrt zurück. „Ein bisschen ironisch und ohne moralischen Zeigefinger, die überflüssigste anatomische Ausstattung von Journalisten“, so beschrieb er selbst einmal seinen Stil in einem Beitrag bei Oberhessen-live. Cholerisch hat ihn wohl niemand je erlebt, den Ehrgeiz zum Sieg entwickelte er am liebsten beim erfolgreichen Doppelkopf-Spiel, mit dem er nach eigener Erzählung sogar zum Teil sein Studium finanzierte.

Hinter so viel Ausgeglichenheit steckte der Wunsch dieses Mannes, Gegensätze zu vereinen, zwischen konträren Meinungen eine Verbindung zu schaffen – und sich dabei selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Diese Haltung war es, die ihm auch in allen politischen Lagern der Region Respekt einbrachte. Roland Heinrich ließ sich nicht in eine Ecke stellen. Kritikern pflegte er Recht zu geben, um dann in aller Ruhe zu erklären, warum sie Unrecht haben.

Verbindungen zwischen Menschen und Raum für Kreativität zu ermöglichen, war wohl auch der Antrieb, sich im Rentenalter ehrenamtlich zu engagieren: als einer der Organisatoren bei den Alsfelder Kulturtagen, als aktives Mitglied im Freiwilligenzentrum, wo er sowohl mit Arbeit hinter den Kulissen, mit Vorträgen im Kloster oder auch nebenan mit der Boulekugel in der Hand eine neue Aufgabe fand.

Die Nachricht seiner Erkrankung traf Roland Heinrich quasi aus heiterem Himmel. Sie sollte ihn trotz zeitweiliger Besserung nicht mehr loslassen. Mit ihm hat die Region einen Menschen von der Sorte verloren, wie sie in der Polarisierung unserer Zeit immer seltener anzutreffen ist – einen besonnenen Versöhner.

Ein Gedanke zu “Ein Versöhner ist gegangen

  1. Ein würdiger Nachruf für einen werten Kollegen und Wegbegleiter früherer Jugendtage. Ich möchte aber die Ausführungen des Axel Pries noch etwas ergänzen. Roland Heinrich ging in Alsfeld zur Schule, unter anderem gemeinsam mit mir. Wir besuchten das örtliche Gymnasium ,die Albert-Schweitzer-Schule. Roland war 1965 Schulsprecher und verantwortete als Chefredakteur unsere Schülerzeitung „Im Glashaus“, deren Redaktion auch ich zeitweise angehörte. Jahre später landeten wir beide im Journalismus. Er bei der Oberhessischen Zeitung als Redaktionsleiter, meine Wenigkeit als Sportchef beim Stader Tageblatt.
    Melchior Eschke

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