ALA-Fraktionschef Riese und BUND-Mitglied Wolfgang Dennhöfer zu Plänen der FirmaKritiker begrüßen geplante Umwelt-Maßnahmen von Nordwest
ExklusivALSFELD (ls). Für seien Neubau im geplanten Alsfelder Industriegebiet hat Nordwest einige Naturschutz-Maßnahmen geplant und reagiert damit ganz konkret auf Kritiker. Was aber sagen genau die zu den Plänen? Nachgefragt bei ALA-Chef Michael Riese und Wolfgang Dennhöfer vom BUND.
Kaum ein Thema sorgte in Alsfeld im vergangenen Jahr für so viele Diskussionen, Demonstrationen und Debatten wie das geplante Industriegebiet auf dem Hausberg Homberg.
Neben Natur- und Klimaschutzverbänden sind es mitunter auch neugegründete Bürgerinitiativen, die die Ausweisung des Industriegebiets an sich, aber auch die dort angesiedelten Unternehmen für ihre Pläne kritisieren. Dabei scheuten auch der BUND Vogelsberg sowie die ALA unter Fraktionschef Michael Riese nicht, das Projekt und die Firmen, die dort bauen wollen, zu hinterfragen.
Eine dieser Firmen ist Nordwest Handel, das erste Unternehmen, was eine Fläche des Industriegebiets für einen Neubau erwarb. Auch wenn bei der Kritik meist der zweite Käufer, der Logistiker DHL-Express, im Mittelpunkt stand, ist die Kritik auch an Nordwest nicht vorbei gegangenen. In einem Interview mit OL legten Nordwest-Vorstand Jörg Simon und Projektleiter Bastian Wolfgarten ihre Pläne offen und zeigten, wie sie mit entsprechenden Maßnahmen zum Natur- und Umweltschutz auf entsprechende Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit reagieren.
Wie stehen die Kritiker nun zu der Maßnahmen-Liste des Unternehmens? Eine Nachfrage von OL bei ALA-Fraktionschef Riese und BUND-Mitglied Wolfgang Dennhöfer zeigt: unzufrieden sind beide damit nicht. Vielmehr sehen sie darin sogar eine Grundlage, die in der Satzung der Stadt für künftige Bebauungspläne aufgenommen werden sollte.
Wolfgang Dennhöfer: Nordwest-Maßnahmen in die Satzungen aufnehmen
„Wir denken: Die Liste der ‚Nordwest-Maßnahmen‘ wäre es wert, in die Satzungen der nächsten Alsfelder Bebauungspläne für Gewerbegebiete aufgenommen zu werden“, erklärt Dennhöfer. Die Maßnahmen von Nordwest hätten gezeigt, dass die verantwortlichen Leute in tüchtigen Unternehmen wissen, dass Umweltschutz ein „wesentlicher Teil nachhaltiger Unternehmensentwicklung ist“.
Im Oktober 2021 habe der BUND in der Stellungnahme zum Entwurf des Bebauungsplans kritisiert, dass die Stadt drauf verzichtet habe, auf den riesigen Dachflächen die PV-Nutzung vorzuschreiben – nun sehe Nordwest das von sich aus vor. Auch wenn die 44 Hektar am Weißen Weg weniger Raum für Landwirtschaft, Mensch und Tier bedeuten, begrüße er es sehr, dass ein Unternehmen wie Nordwest sich einen ganzen Katalog „sinnvoller ‚Umweltmaßnahmen'“ vornehme wie PV-Anlage auf dem Dach, Regenwassernutzung, Heizung ohne Gas und wasserdurchlässige Parkflächen. „Das ist kluges unternehmerisches Denken“, sagt Dennhöfer.
Die Nordwest-Pläne wolle er nicht kritisieren, auch habe der BUND nicht die Unternehmen kritisiert, sondern „die ausufernde Planung großflächiger Gewerbegebiete in ganz Mittelhessen“. Man kritisiere aber auch, dass der ökologische Fußabdruck der Logistiker durch den großen Flächenverbrauch und dem klimaschädlichen Lieferverkehr zu groß sei. „Dass innerhalb der Branche manche Firmen manches besser hinkriegen als andere ist gut – und muss Ansporn für die anderen sein“, sagt Dennhöfer.
In den nächsten Woche wolle man bei der zweiten Offenlegung den Bebauungsplan aufmerksam durcharbeiten und prüfen, welche Kritikpunkte berücksichtigt wurden. Unter anderem liege ein Augenmerk auf dem Flächenverbrauch.
Die europäische Umweltagentur gehe von einer Bedarfszunahme an Lebensmitteln von 70 Prozent für die kommenden Jahrzehnte aus – bei schwindenden Anbauflächen. Der Krieg in der Ukraine mache, so Dennhöfer, aus der abstrakten Zahl die konkrete Bedrohung.
„Wir sehen im Regionalplan Mittelhessen im Moment eine gigantische Flächenfress-Maschine und wir wünschen uns von der Stadt Alsfeld, dass sie eine ‚Vorrangfläche für die Landwirtschaft‘ auf der anderen Seite der B62 fordert“, ergänzt Dennhöfer. Dort nämlich wurden Teile der Fläche im Entwurf zu einer Vorbehaltsfläche für Landwirtschaft erklärt, wodurch eine landwirtschaftliche Nutzung für beispielsweise Biogas-Anlagen oder ähnliches möglich wäre.
Dennoch, so Dennhöfer, könnte man in Sachen Natur- und Umweltschutz „eigentlich“ die betriebliche und die städtische Planung so optimieren, dass die „nötigen Lager- und Verteilfunktionen ohne die Zerstörung wertvoller Ackerflächen“ erreicht werden – und ohne mehr Verkehrsaufkommen. „Und wenn ‚uneigentlich‘ dann doch und viel kleiner gebaut wird, weil wir es nicht schaffen aus unseren alten Mustern auszubrechen, dann gibt es immer Möglichkeiten zu optimieren“, sagt er und gibt zwei Beispiele von Nordwest an. PV auf dem Dach beispielsweise sei gut, dazu noch: PV über den Parkplätzen; Solche Anlagen könnten auch per Bürger-Energiegenossenschaft betrieben werden. Auch Fahrrad-Parklätze seien gut, dazu noch: Anbindung zur Stadt mit Radweg und Buslinie, oder natürlich die Nutzung der vorhandenen Bahntrassen, im Altenburger Gewerbegebiet oder die „Gründchen-Bahn.
„Ich kann mir zwar kein Bild von den Verantwortlichen bei Nordwest machen, aber ich habe in den letzten Jahren immer wieder Angestellte und Chefs oder Chefinnen kennengelernt, die mich mit ihrem Engagement für den Schutz der Natur und des Klimas beeindruckt haben und deren Zielstrebigkeit und Einfallsreichtum mir imponiert. Und gut fürs Geschäft ist’s meistens auch“, sagt Dennhöfer.
Michael Riese: Stadtverordnetenversammlung sollte klare Vorgaben beschließen
Auch die Kritik der ALA habe sich, so erklärt Riese, nicht gegen die Unternehmen direkt gerichtet, sondern insgesamt gegen die Pläne, 44 Hektar für Logistiker zu versiegeln. Was DHL im Besonderen betreffe, gehe es eher um die positiven Erwartungen, die manche mit der Ansiedlung von DHL-Express verbinden und die sich so nicht erfüllen werden.
„Sie fragen, ob Nordwest-Logistik mehr in Sachen Natur- und Umweltschutz tun könnte? Ja sicher, statt in Alsfeld neu zu bauen, könnten sie ja auch in Gießen bleiben“, sagt Riese. Die Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz auf dem künftigen Nordwest-Gelände dürfte man gerne begrüßen, allerdings, so Riese, handele es sich bei den meisten Plänen ohnehin um „gesetzliche Vorgaben, beziehungsweise um Maßnahmen, die derzeit in der Pipeline der Bundesregierung und des Bundestages sind“. So komme gewiss eine Solarpflicht für Gewerbegebäude und Solar und Begrünung auf dem Dach oder am Parkplatz könne schon heute von der Stadtverordnetenversammlung verbindlich vorgeschrieben werden.
„Jenseits der Frage der Zukunft des IG Am Weißen Weg sollte der zu beschließende Bebauungsplan klarere Vorgaben haben, die verbindlich für alle Investoren gelten“, fordert Riese.
Bei Nordwest heiße es, dass man die Gebäude an die naturhafte Umgebung anpassen möchte. „Das hört sich gut an. Allerdings sehen die bisherigen Aussagen Hallenhöhen bis 17 Meter vor“, kommentiert Riese. Der bisherige Entwurf des Bebauungsplans sehe Hallenhöhen bis 20 Meter vor. Würden sich die Stadtverordneten nach den Vorgaben des Regierungspräsidiums richten, dann „sollten vielleicht nicht mehr als 12 Meter erlaubt sein“, sagt Riese.
Das gesetzliche Mindestmaß zur Erzeugung von Wärme- und elektrischer Energie aus erneuerbaren Energieträgern bei Neubauten seien derzeit noch 15 Prozent. Vor dem Hintergrund der erhöhten Notwendigkeiten der Energiewende dürften es in den Vorgaben des Bebauungsplans seiner Meinung nach ruhig 30 Prozent sein. Auch die Idee von Nordwest, Wärmepumpen für die Wärmegewinnung einzusetzen, sei nicht „nice-to-have“, sondern die derzeit effektive Technik, um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.
„Die Stadtverordnetenversammlung sollte klare Vorgaben beschließen, wenn diese sich mit den Absichten der Investoren von Nordwest-Logistik treffen, dann um so besser“, meint Riese.
Die Solarpflicht wird definitiv kommen. Zu befürchten ist aber, dass diese für das Gewerbegebiet zu spät kommt.
Auch stellt sich die Frage, ob die zur Verfügung stehenden Flächen voll genutzt werden. Zur Deckung des Eigenverbrauchs wird nämlich keine große Anlage erforderlich sein.
Wer von anderen Umweltschutz verlangt, der muss auch bereit sein, sich in Details einzuarbeiten, um einen umweltfreundlichen Bau und Betrieb des Gewerbegebietes zu fordern und zu erreichen.
Von Seiten der Politik und Umweltverbände einfach nur abwarten und zum Schluss über alles nur nörgeln, das darf diesmal nicht passieren.
Aber vielleicht wird es diesmal anders und die Alsfelder erhalten ein Gewerbegebiet, das alle realistischen Umwelt- und Naturschutzbelange erfüllt und vielleicht tatsächlich eine Vorbildfunktion für andere (nicht zu vermeidende) Projekte hat.
Durch die Flächenstilllegung wird europaweit 4% aus der Lebensmittelerzeugung genommen. Es stellt sich daher die Frage, ob es richtig und zu verantworten ist, willkürlich eine so große Fläche aus der Nahrungsmittelproduktion zu nehmen.
Man sollte deshalb überlegen, ob nicht eine kleinere Fläche, die aktiv zu Biotopen gestaltet wird, der Natur besser hilft. Außerdem sollte auch darüber nachgedacht werden, diese Flächen zusätzlich durch Photovoltaik zu nutzen.
Es ergäbe sich dann eine win-win-win Situation.
1. Weniger Flächenstilllegung = mehr Nahrungsmittel
2. Optimaler Lebensraum hilft auch gefährdeten Tier- und Pflanzenarten.
3. Klimaschutz durch CO2-freie Stromerzeugung.