Festschrift zum Alsfelder Stadtjubiläum präsentiert und erste Exemplare übergeben„Geschichte ist nicht eingestaubt und langweilig, sie hört nie auf“
ALSFELD (akr). Es war ein ganz besonderer Moment, an einem ganz besonderen, geschichtsträchtigen Tag, als Bürgermeister Stephan Paule und die ehrenamtlichen Autoren endlich die Festschrift zum Alsfelder Stadtjubiläum in ihren Händen halten konnten – an dem Tag, als die Stadt vor 800 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Über drei Jahre ist es her, als sich das Festschrift-Team erstmals zur Redaktionssitzung im Alsfelder Stadtarchiv traf, ehe an diesem Sonntag nach unzähligen ehrenamtlichen Stunden das Herzstück zum Stadtjubiläum endlich präsentiert werden konnte, wenn auch pandemiebedingt nur in einem kleinen, aber dennoch festlichen Rahmen.
Und dieses Datum, also der 13. März, wurde auch ganz bewusst ausgewählt, denn es war genau vor 800 Jahren als in einer Schenkungsurkunde des Wezzilo von Nidda aus dem Jahr 1222 erstmals ein „Sifridus scabinus de Adelsfelt“, also ein Schöffe und Bürger Siegfried von Alsfeld, genannt wurde. Dieses Datum gilt daher als frühester Beleg dafür, dass Alsfeld eine Stadt war.
Die dritte Festschrift
1922 und 1972, also zur 700 und 750-Jahr-Feier, wurde bereits eine Festschrift angefertigt. Für den Geschichts- und Museumsverein stand es also außer Frage, dass auch zum 800. Geburtstag der Stadt Alsfeld ein weiteres Werk nicht fehlen durfte. Zum dritten Mal im Abstand von 50 Jahren hatte der Verein also die Aufgabe übernommen eine Festschrift zu erstellen.
Dabei ist es wieder einmal gelungen, einen Kreis von sachkundigen Autoren – nicht nur aus Alsfeld – zusammenzuführen und auf ehrenamtlicher Basis für einen Beitrag aus dem jeweiligen Fachgebiet zu begeistern, wie Jochen Weppler, erster Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins in seinen Eingangsworten erklärte.
Mit Traudi Schlitt und Matthias Nicolai aus dem Rathausbuch-Team von 2012 konnte der Geschichts- und Museumsverein, der federführend für die Festschrift verantwortlich ist, die ersten Mitstreiter gewinnen. Hinzu kamen noch Prof. Dr. Otto Volk, Historiker aus Marburg mit den Arbeitsschwerpunkten Landes-, Zeit-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Sascha Reif, Fachinformatiker und als Historiker mit der Regionalgeschichte Oberhessens vertraut sowie Michael Hölscher vom Bauamt der Stadt Alsfeld.
Geschichten aus über 800 Jahren zeigen die Vielfalt der Stadt
Und nicht zu vergessen: Stadtarchivar Norbert Hansen, Mitglied im Geschichts- und Museumsverein und Schriftführer des Festschrift-Teams sowie Jochen Weppler. Zusätzlich zum festen Redaktionsteam konnten auch noch versierte Fachleute und Zeitzeugen als Gastautoren für die Ereignisse der letzten 50 Jahre eingebunden werden.
Unverzichtbar sei bei all diesen Projekten die finanzielle Unterstützung der Stadt gewesen, wie Weppler betonte und sich im Namen aller Beteiligten herzlich dafür bedankte, dass sie diese Realisierung ermöglicht hat. Weppler dankte im Namen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld als Herausgeber dem gesamten Redaktions-Team unter der Leitung des Schriftführers Norbert Hansen sehr herzlich für die Leistung und Ausdauer.
„Wiederum ist eine wertvolle Dokumentation zur Geschichte der Stadt Alsfeld entstanden“, betonte er. In seinen Dank eingeschlossen waren natürlich auch die sechs Gastautoren, die in Unterkapiteln authentische Beiträge zu ausgewählten Ereignissen in der Stadt aus den letzten 50 Jahren beigesteuert haben. „Historische Bücher, wie die neue Festschrift, aber auch unsere Museen, mit denen man die Geschichte neu erlebt ’nachlesen‘ und ‚erleben‘ kann, sind ungemein wichtig, gerade in der heutigen Zeit. Geschichte ist nämlich nicht eingestaubt und langweilig, sie hört nie auf“, betonte Weppler.
Die einzelnen Kapitel und Autoren
Anschließend übernahm Norbert Hansen das Wort, der die einzelnen Kapitel und Autoren vorstellte. Die Zielsetzung des Buches sei von Anfang an gewesen, Lücken in der Geschichtsdarstellung bisheriger Festschriften zu füllen. Dazu gehörte ganz wesentlich die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit beiden Weltkriegen, Stationen der Nachkriegszeit, mit Schwerpunkten aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts und nicht zuletzt Alsfeld im 21. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Die Fixierung in der Themensetzung auf „,800 Jahre“ dürfe natürlich die Zeit vor 1222 nicht ausblenden. Deshalb hat Matthias Nicolai in einem Eingangskapitel alles zusammengetragen, was aus früher Zeit bekannt ist. Ein wichtiger Beleg ist hier beispielsweise der Brakteatenfund am Homberg von 1949, wie Hansen erklärte.
Nach dem Eingangskapitel folgt ein Novum in der bisherigen Stadtgeschichtsdarstellung. Matthias Nicolai und Sascha Reif haben nämlich Bild- und Textinformationen der letzten 800 Jahre als Zeitstrahl konzipiert. Ein siebenseitiges Faltblatt, beidseitig bedruckt, steckt in einer Tasche im hinteren Buchrücken. „Es versteht sich als komprimierte Übersicht und Ergänzung zu allen folgenden Artikeln“, erklärte der Stadtarchivar. Die folgenden rund 400 Seiten beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit den Themen, die in früheren Festschriften nicht behandelt wurden.
Den Anfang bildet Alsfelds Geschichte im 19. Jahrhundert. Sascha Reif hat diese Epoche, die überregional durch Restauration, Revolution, Industrialisierung, Technisierung, Patriotismus, Liberalismus und Nationalismus geprägt war, auf ihre Relevanz für die Stadt untersucht. Mit dem nächsten Abschnitt „Vom Obrigkeitsstaat zur Demokratie. Alsfeld 1914 – 1949“ füllt Prof. Dr. Otto Volk eine Lücke in der Stadtgeschichtsdokumentation der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Keiner aus Alsfeld hätte diese Aufgabe übernehmen können“, bedankte sich Hansen, bei dem aus Marburg stammenden Volk.
Aus seiner Zeit als Landrat berichtet Jochen Zwecker über die Gebietsreform 1969-1972 und den Verlust der Kreisstadtfunktion. Bürgermeister Stephan Paule setzt sich mit der Thematik „Alsfeld und das Geld“ auseinander, beginnend in der Nachkriegszeit über die Schwierigkeiten der Defizitjahre 1995-2013 bis zu den Verbesserungen in der jüngeren Vergangenheit. Michael Hölscher widmet sich der Altstadtsanierung 1966-1976 und dem Höhepunkt der Auszeichnung Alsfelds als Europäische Modellstadt 1975. Als „Ehemaliger“ stellt danach Herbert Böckel den früheren Bundesgrenzschutz-Standort Alsfeld vor.
Hansen beschäftigt sich anschließend mit dem jahrhundertealten Thema „Zuwanderung“. Von früher Arbeitsmigration über die Migration als Kriegsfolge, die „Gastarbeiter“, die Aus- und Übersiedler bis zu den Flüchtlingen des Jahres 2015 betrachtet er die Relevanz für die Stadt.
Aber auch Erlebnisschilderungen von Ereignissen in Alsfeld mit überregionaler Bedeutung dürfen nicht fehlen. Roland Heinrich erzählt vom „Spiel ohne Grenzen“ von 1976, Günther Krämer widmet sich dem 1., den 25. und dem nicht stattgefundenen 50. Hessentag in Alsfeld, ehe sich Dr. Hansen dem Projekt „Kommunale Oper Die Regentrude“ widmet. Bodo Runte, der leider nicht mehr unter uns weilt, blickt auf das Kulturstudium „Stadtzeichner“ zurück.
Ab ins 21. Jahrhundert
Anschließend geht es ab ins 21. Jahrhundert. Hier werden nicht nur die kürzlich wiederentdeckten Altertümer, wie beispielsweise der Gewölbekeller zwischen Kirchturm und Rathaus, sondern auch ein Blick in die Zukunft gewagt. Der letzte große Textblock stammt nämlich von Traudi Schlitt, die einen sehr detail- und bildreichen Beitrag mit dem Titel „Alsfeld heute – Stadt zum Leben“ geschrieben hat und auch die Frage „Kann Alsfeld Zukunft?“ nicht ausgeklammert hat. „Es gibt nicht nur viel zu lesen, sondern auch viel zu sehen“, freute sich Hansen.
Eine umfangreiche Bibliographie zur Geschichte der Stadt Alsfeld, zusammengestellt von Prof. Dr. Volk, beendet schließlich die 504 Seiten starke Festschrift 2022. „Eine Fundgrube von Titeln aus allen Zeiträumen, um sich mit der Geschichte der Stadt zu beschäftigen“, hob Hansen hervor. Die gesamten Texte hat Reif gesetzt, die Gestaltung hatte wieder Jürgen Litzka übernommen.
Das erste Exemplar durfte an diesem Sonntag Bürgermeister Paule, stellvertretend für die Stadt Alsfeld entgegennehmen. Er bedankte sich bei allen Beteiligten für die mühevolle Arbeit, es erfülle ihn mit Stolz. Als Gastautor habe er sich mit großer Freude mit den historischen Sachverhalten beschäftigt. Der Bürgermeister betonte, dass vor dem Hintergrund, was gerade in der Welt passiere, fröhliche Aktivitäten zu verblassen es scheinen. Es sei dennoch richtig, trotz der Pandemie, trotz des Kriegs sich mit dem Stadtjubiläum darauf zu besinnen, „wie unsere Alsfelder Identität aus der Geschichte gewachsen ist.“
Weitere Veranstaltungen geplant
Nachdem auch die übrigen Autoren endlich voller Stolz ihr Exemplar in den Händen halten durften – samt Urkunde-, gab Weppler noch einen Ausblick auf die weiteren Veranstaltungen des Geschichts- und Museumsvereins in 2022, der in diesem Jahr übrigens 125 Jahre alt wird. So findet am internationalen Museumstag, der 15. Mai, die Vernissage zur großen Sonderausstellung mit dem Titel „Alsfeld Jubelt“ statt -„ein Ausstellungstitel, der kaum passender gewählt sein könnte für ein Stadtjubiläum“, freute sich Weppler.
Die begleitende Sonderausstellung des Geschichts- und Museumsvereins wirft schlaglichtartig den Blick auf Wegmarken der Geschichte von der frühen Besiedlung bis zur Gründung des Stadtmuseums. Im Mittelpunkt stehen die musealen Objekte aus der umfangreichen Sammlung des Geschichts- und Museumsvereins, der selbst zu den ältesten Museumsvereinen in Hessen gehört.
Mit dieser geplanten Ausstellung ist zugleich ein weiteres freudiges
Ereignis verbunden, wie Weppler mitteilte – und zwar die Rückkehr in die Räumlichkeiten des Stadtmuseums nach nunmehr über sechsjähriger Schließungszeit, wenn auch nur mit einer Sonderausstellung. Auch in diesem Kontext sei ein Meilenstein erreicht: hin auf dem Weg zu einem modernen stadtgeschichtlichen Museum als neuem Ort kulturellen Lebens im Herzen unserer Alsfelder Altstadt. Zum 125-jährigen Jubiläum im September will der Verein dann noch ein Hof- und Museumsscheunenfest veranstalten.
Wer jetzt neugierig geworden ist und in die Geschichten aus über 800 Jahren Alsfeld eintauchen möchte: Die Festschrift gibt es ab dem 14. März für 30 Euro beim TCA oder in der Buchhandlung Lesenswert.
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