"Jahresausblick 2022" Interview mit Alsfelds Bürgermeister Stephan PaulePaule zu Industriegebiet: „Die Befürchtung, dass es unmittelbar dort weitergehen soll, ist vollkommen unbegründet“
ALSFELD (ls). 2022 wirft große Schatten voraus, insbesondere für Alsfeld. Da wären große Projekte wie der Kita-Neubau, die fertiggestellt werden, wieder andere, wie das umstrittene Industriegebiet, stehen in den Startlöchern und das Stadtjubiläum mit seiner Vielzahl an Veranstaltungen, lässt auf Abwechslung hoffen. Ein volles Programm, was da auf den Alsfelder Bürgermeister Stephan Paule wartet, wie er im Interview zum Jahresausblick erzählt.
Stephan Paule ist verärgert – und das schon wenige Tage nachdem das neue Jahr begonnen hat. Verärgert darüber, dass der Glasfaserausbau in und um Alsfeld nur so schleppend vorangeht. Schon vor zwei Jahren habe die Stadt auf die TNG gesetzt, vor wenigen Tagen habe er dann bei OL gelesen, dass die Kernstadt die Quote nicht erreicht hat, das Unternehmen aber dennoch ausbauen will und zuversichtlich ist, die Quote noch zu erreichen.
Für den Bürgermeister wirkt das wie eine Hinhalte-Taktik. „Ich befürchte, dass sie Alsfeld pro forma immer auf ihrer Liste behalten und das, was sie uns ständig versprechen, nicht umsetzen“, erklärt Paule. Schon die Goetel habe der Stadt viel versprochen, nichts gehalten und Alsfeld dann fallen gelassen.
Noch immer gebe es vier Ortsteile, die kein schnelles Internet hätten, Fischbach sei der Breitbandausbau versprochen worden, doch nun gehe es nicht, weil der Ort, ebenfalls wie Heidelbach, nur dann angeschlossen werden kann, wenn die Kernstadt die Quote erreicht. „Als Bürgermeister stellt mich das gar nicht zufrieden“, sagt Paule. Als Stadt sei man hier machtlos und dennoch würden die Bürger ihren Frust darüber bei der Stadt abladen. Besonders deshalb arbeite man hinter den Kulissen schon an anderen Lösungen, falls man auch von der TNG „im Stich gelassen wird“.
Die Gesetzeslage der EU und auch das Bundesrecht seien allerdings in dieser Angelegenheit sehr komplex, sodass eine schnelle Abhilfe nicht möglich sei. Es habe Versprechen gegeben, dass bis Juni letzten Jahres die ersten Häuser am Netz seien. Jetzt werde in manchen Orten gebaut, die Bürgersteige würden aufgerissen und hier und da ein Kabel gezogen. Als Bürgermeister wünscht Paule sich, dass man endlich Ergebnisse sieht, doch er bleibt realistisch: „Erstmal müsste ja in Romrod gebaut werden, da ist kaum ein Kabel gezogen, geschweige denn ein einzelnes Haus angeschlossen.“ Wenn Stephan Paule einen Wünsch frei hätte, dann dass das Thema in diesem Jahr einen Abschluss findet.
Aus A49-Protesten gelernt
Die einzige Herausforderung, vor der die Stadt steht, ist das nicht – ganz im Gegenteil. In diesem Jahr nämlich steht ein weiterer Meilenstein an: Start im neuen Industriegebiet „Am Weißen Weg“, das schon von Beginn an umstritten und viel diskutiert ist. Auf einer Fläche von 44 Hektar soll dort, nahe des Hombergs, Platz für Industrie geschaffen werden, was auf Widerstand aus Politik, Gesellschaft und Natur- und Umweltverbänden stößt und dabei in Ansätzen bereits an die Proteste gegen den Bau der A49 erinnert.
Aus den Protesten in der Nachbarkommune hat der Bürgermeister gelernt: „Was ich schon einmal gesagt habe – und ich denke da stimmen mir auch diejenigen zu, die Kritik am Industriegebiet haben – ist, dass Auseinandersetzungen nie gewalttätig werden dürfen. Argumente müssen ausgetauscht und diskutiert werden.“ Kritiker müssten ihre Meinung sagen dürfen, aber zur Wahrheit gehöre auch, dass es ein seit Jahren durch ein von ursprünglich allen, später drei von vier Parteien in der Stadtverordnetenversammlung und von der gesamten Verwaltung getragener Wille sei, das Gewerbegebiet auszuweisen.
Seit 2013 habe das Industriegebiet immer wieder in den Wahlprogrammen der Parteien gestanden, die mehrheitlich gewählt wurden. „Es wäre widersinnig, wenn die CDU, die sich das Industriegebiet zur Kommunalwahl 2021 auf die Fahne geschrieben hat und dann die absolute Mehrheit holte, jetzt dem Wähler sagen würde: ‚Wir erfüllen nicht das, was wir als Wahlversprechen vorgegeben haben'“, erklärt Paule. Das dürfe aber nicht daran hindern, sich auch mit Kritikern auseinanderzusetzen und mit ihnen zu diskutieren. Wichtig sei aber, dass auch die Argumente der Pro-Seite angenommen werden.
„Es gibt hier keine ungezügelte Flächenversiegelung oder eine Flächenerweiterung auf die andere Seite und es gibt innerhalb dieses Gewerbegebiets so viel Umweltschutz wie möglich“, sagt Paule. Vor wenigen Wochen erst wurden Befürchtungen des BUND laut, dass das Industriegebiet auch auf die gegenüberliegende Seite erweitert wird, weil die Fläche im Entwurf des neuen Regionalplans von einer landwirtschaftlichen Vorrangfläche zu einer landwirtschaftlichen Vorbehaltsfläche „abgestuft“ wurde.
Paule widerspricht: Keine Ausweitung des Gewerbegebiets geplant
Den Befürchtungen widerspricht Paule. Nach einer Gewerbestandort-Analyse, in der 16 mögliche Standorte anhand der gewerblichen Eignung, dem Erholungswert und den Auswirkungen auf Umwelt- und Artenschutz verglichen und bewertet wurden, sei die Fläche am Weißen Weg herausgekommen. Wenn nun noch weitere Gewerbegebiete ausgewiesen werden sollten, dann müsste nach einer breiten politischen Beteiligung zunächst die Standort-Analyse fortgeführt werden und dann der Regionalplan angepasst werden. Zur Erklärung: Ein Vorranggebiet ist einzig für eine bestimmte Nutzung vorgesehen – in diesem Fall: die Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu ist auf einem Vorbehaltsgebiet auch eine andere Nutzung möglich, die aber thematisch zur Landwirtschaft passt – wie beispielsweise eine Bebauung mit einer Biogasanlage oder aber Photovoltaik.
Dennoch: Egal ob landwirtschaftliche Vorrang- oder Vorbehaltsfläche, es bleibe eine Fläche für die Landwirtschaft – und der Weg das zu ändern, bleibe der gleiche Weg wie beim Weißen Weg vor über zehn Jahren. „Keiner dieser Schritte ist begonnen und es gibt im Moment auch nicht den politischen Willen, diese zu beginnen. Natürlich bindet sich ein Bürgermeister nie für die nächsten zehn oder 20 Jahre, aber die Befürchtung, dass es unmittelbar dort weitergehen soll, ist vollkommen unbegründet“, sagt Paule.
„Wenn argumentiert wird, wie dringend wir Jobs brauchen, ist das nicht richtig“
Als Stadt, so glaubt Paule, werde man hier noch einiges an Kritik aushalten müssen. „Ich sehe schon, dass an manchen Stellen Argumente so zugespitzt werden, dass es keine sachliche Debatte mehr ist, sondern, dass sehr stark pauschalisiert wird. Das trifft mich auch zum Teil, aber es darf mich am Ende nicht davon abhalten, weiter ins Gespräch zu kommen.“
Der einzige große Bauprojekt ist das Industriegebiet aber nicht: Mit der Kita Feldstraße wird ein millionenschweres Projekt fertiggestellt, was wegweisend für die Zukunft sein dürfte und auch das Alsfelder Erlenbad wird fertig werden, sodass pünktlich im Herbst die Hallenbad-Saison eröffnet werden kann, während es im Freibad mit der Sanierung weitergeht.
Die neue Brücke über die Schwalm in den Erlen soll installiert werden, wenige Meter weiter eröffnet bereits im Frühjahr der Skatepark, in der Grünberger Straße soll die Innenstadtverdichtung vorantreiben werden, genauso wie die Ausweisung eines Neubaugebietes zwischen der B62 und dem Reibertenröder Weg, „wobei man hier weiß, dass wir hier in diesem Jahr noch nicht bauen werden“, ergänzt Paule.
Und während einige Projekte fertiggestellt werden, geht es an anderer Stelle erst so richtig los: Mit dem Eigentümer des Welle-Geländes sollen Gespräche über die Weiterentwicklung – möglicherweise hin zu einem Wohnquartier – geführt werden, auf dem Bücking-Gelände wird der Bau der Lehrkräfteakademie unterstützt, in Berfa soll die Sanierung der Kita beginnen und der Wohnmobilstellplatz soll erweitert werden. Auch in Sachen Straßensanierungen wird einiges investiert: Die Straße in Angenrod, die Straße in Elbenrod und auch die Straße in der Rambach – nach Ansicht Paules die größte „Schlagloch-Piste“ in Alsfeld – soll saniert werden. „Das sind natürlich Investitionen, die keine Begeisterungsstürme auslösen, weil sie zum Pflichtprogramm gehören“, sagt der Bürgermeister.
Für größere Begeisterung dürfte da der Grunderwerb und der Rückbau des Hofs Krausmüller in Leusel sorgen, womit die Stadt noch in diesem Jahr beginnen will – und ohnehin sind im Rahmen des IKEK-Programms einige Projekte in den Stadtteilen geplant. „Alsfeld besteht nicht nur aus der Kernstadt, auch wenn sie unser historisches Kleinod ist. Aber wir haben noch 16 weitere kleinere Kleinode“, sagt Paule. Deshalb freue er sich mit dem IKEK auch die Stadtteile zu fördern – all das seien Projekte, die ihm am Herzen liegen würden.
Ausstellung im Museum zum Stadtjubiläum geplant
Apropos historisches Kleinod: Nachdem der Marktplatz im vergangenen Jahr fertig wurde, soll in diesem Jahr das bestellte Stadtmobiliar aufgestellt werden und auch der vordere Kirchplatz soll fertig werden, ebenso wie der Bereich rund um den Schwälmer Brunnen. Fertig ist die Altstadtsanierung damit aber nicht: Nun sollen die Stadteingänge in den Fokus gerückt werden, ebenso wie das Parkdeck Schnepfenhain oder private Sanierungen.
Auch in das Alsfelder Museum wird man in diesem Jahr – pünktlich zum 800. Stadtjubiläum – wieder einen Fuß setzen können, gibt der Bürgermeister bekannt. Seit über sechs Jahren ist das Museum nun schon geschlossen, erste Meilensteine sind aber geschafft und das Neurathhaus samt Fassade erstrahlt bereits in neuen Glanz. Noch in diesem Jahr soll das Tourist Center einziehen. Als das Museum um 1977 umzog und im Neurathhaus und Minnigerodehaus eröffnete, gab es ein strenges Budget, wie Paule erklärt. So sei damals baulich nicht alles ganz fachgerecht gemacht worden, was heute saniert werden müsse.
In diesem Jahr gehe es nun darum, zu entscheiden, welche Bereiche des Museums, wie die Scheune, ein Museumsshop oder der Hinterhof, noch in die Sanierung einbezogen werden, bis dahin könnte noch einige Zeit ins Land ziehen. „In einer Stadt wie Alsfeld mit solchen historischen Gebäuden ist man nie ganz fertig. Wir werden sehr grobe Bauzeiten planen, wonach wir schätzungsweise in 2025 mit dem Minnigerodehaus fertig sein könnten. Was mit dem Rest des Areals dann passiert, muss erst mal die Politik entscheiden“, sagt Paule.
Zum Jubiläum soll es außerdem eine kleinere Ausstellung geben – vorausgesetzt, die Infektionslage lässt zu diesem Zeitpunkt Veranstaltungen zu. Der Bürgermeister jedenfalls bleibt optimistisch, das Jubiläum in diesem Jahr feiern zu können. „In welchem Rahmen, mit wie vielen Gästen und ob die geplanten Veranstaltungen wirklich alle stattfinden können, das entscheidet am Ende die Pandemie. (…) Wir werden nicht entgegen medizinischer Notwendigkeiten Veranstaltungen durchboxen.“
Und wie geht es für Stephan Paule persönlich weiter? Ab und zu munkelt man in der Stadt, die Rufe nach Wiesbaden würden für den Alsfelder Bürgermeister lauter. „Ich bin für sechs Jahre gewählt, es gibt kein anderes Angebot und ich werde im Jahr 2025 diese Amtszeit auch hoffentlich möglichst erfolgreich zu Ende bringen. Und rechtzeitig vorher wird dann auch entschieden, ob ich wieder ins Rennen gehe. Stand heute würde ich sagen, dass mir der Job Spaß macht.“
Weiter so Herr Paule!!!
Es wird Zeit, dass der Stillstand in Alsfeld endlich vorbei ist!!!
Große Schatten sehe ich kommen für Alsfeld.Alle freuen sich auf die vielen
LKW in der Nacht, den gestank , den krach ,das Licht ,die Dieselgase und vieles mehr.
Die Vergangenheit war grandios, oder wie?
Große Teile der heimischen Bevölkerung müssen auspendeln um ihren Lebensunterhalt zu verdienen… Dies verursacht natürlich keinen Gestank und kein CO2.
Herr Kalbfleisch, sie sind bestimmt schon seit 1987 CO2 neutral unterwegs, wenn sie solche großen Worthülsen von sich geben?
Herr Kalbfleisch hat eindeutig recht, auch wenn er sich nicht immer so ausdrückt. 400 Lkw nachts sind irgendwo zwischen 60 und 80 Lkw die Stunde.
Die CO2-Belastung kommt, weil Alsfeld OST für eine solche Dimension überhaupt nicht ausgelegt ist. Die Schlangen beim auf- und Abfahren sehe ich schon vor mir. Weiterhin sind die Spuren für die Auffahrten viel zu kurz für solche eine Menge an Lkw. Herr Paule soll schon mal die 350000€ für einen Rüstwagen in den Haushalt einstellen, den wird die Feuerwehr dann wohl doch brauchen.
Dieser Neubau nutzt keinem Pendler, die pendeln auch weiterhin. Wegen 12 € fährt keiner nach Frankfurt!
Ob das mit dieser Aktion die letzte Amtszeit des Bürgermeisteres ist?