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"Jahresausblick 2022": Interview mit Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans VollmöllerVollmöller zu Gewerbegebiet Reuters: „Da ist überhaupt nichts in trockenen Tüchern“

LAUTERBACH (akr). Während die Corona-Pandemie in vielen städtischen Haushalten ihre Spuren hinterlassen hat, wird Lauterbach mit einem Plus abschließen. Finanziell steht die Kreisstadt also gut da, was auch wichtig ist, denn in diesem Jahr stehen einige Projekte und somit auch einige Herausforderungen auf dem Programm. Doch Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller wird sich ihnen stellen – und zwar mit ganzer Kraft und ganzem Herzen, wie er im Jahresausblick-Interview mit OL erzählt.

Lauterbach hat finanziell durchaus schwierige Zeiten hinter sich, Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller ist aber froh und dankbar darüber, dass die Stadt im Rahmen der Haushaltskonsolidierung vor vielen Jahren, aber auch im Rahmen des Schutzschirmes, nun gut aufgestellt ist. Die Stadt Lauterbach wird in diesem Jahr, so sei zumindest der Haushaltsentwurf, mit einem Plus von rund 800.000 Euro abschließen.

„Gut dastehen heißt, wir haben es mit der Unterstützung des Landes geschafft. Wir haben 14,8 Millionen Euro erhalten, dass wir wieder handlungsfähig sind“, erklärt der Rathauschef. Wobei: Handlungsfähig sei Lauterbach gewesen, aber wenn die Zukunftsfähigkeit angesprochen wird, müsse man auch weiter in die Infrastruktur investieren – sowohl unter der Erde als auch über der Erde, „und das setzt kluge und vorausschauende Politik voraus“, erklärt Vollmöller.

Das habe die Stadt auch in den vergangenen Jahren wirklich gut geschafft, wenngleich es unterschiedliche Betrachtungsweisen gegeben habe. „Das muss in einer Demokratie aber erlaubt sein. Vor allem muss es erlaubt sein, zu denken und um den besten Weg den Wettbewerb zu beginnen.

Man sollte die Steine, die einem in den Weg gelegt werden, eher zu einer Brücke bauen, anstatt sie zurückzuwerfen. „Wir haben diesen Dialog. Ich sage ganz bewusst, und das meine ich nicht hochnäsig, diesen Lauterbacher Stil gepflegt, dass wir vertrauensvoll, respektvoll miteinander umgehen, ohne voreingenommen zu sein“, erklärt er. Das sei der Grundstock für die jetzige Entwicklung gewesen, auf die Lauterbach nun natürlich aufbauen wolle.

Ein wichtiger Meilenstein in diesem Jahr wird der Glasfaserausbau der Lauterbacher Stadtwerke sein, der laut Vollmöller weit über 18 Millionen Euro verschlingen wird. Das sei nicht nur eine Investition in die Zukunftsfähigkeit der Stadt, sondern auch eine Investition  in die schon vor Ort lebenden Bürger. Gerade die Pandemie mit Homeoffice und Homeschooling habe sehr deutlich unterstrichen, wie wichtig eine gute, schnelle Internetverbindung ist.

Das Bahnhofsumfeld in Angriff nehmen

Auf der Agenda für 2022 steht aber auch die Gestaltung des Bahnhofumfeldes. Eigentümer der Fläche ist die Stadt, nicht aber des Gebäudes. Rund vier Millionen Euro werde die Umgestaltung aus städtischer Sicht kosten. Auch hier nehme die Stadt dann Gelder aus der Hessenkasse. Vollmöller erwartet aber einen Zuschuss von bis zu 70 Prozent. „Wir sind hoffnungsfroh, dass wir bis Mitte des Jahres den Förderbescheid kriegen, dass wir dann auch an die Umsetzung gehen können“, erzählt er.

Ein Blick auf das Bahnhofsumfeld. Foto: archiv/SPD Lauterbach

Der ganze Bahnhofsvorplatz soll insgesamt neu gestaltet werden. Der Busknotenpunkt, den es jetzt bereits gibt, soll besser ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang hat die Stadt auch vor, das Stadtbuskonzept zu diskutieren. Darüber hinaus sollen auch entsprechend Parkplätze entstehen. „Es ist angedacht, dass ein Pavillon mit Fahrkartenverkauf und vielleicht auch ein kleines Café gebaut werden soll“, erzählt der Lauterbacher Rathauschef.

Ein weiterer Punkt in der Entwicklung der Stadt wird der Ausbau im Untergrund sein – sprich Wasser und Kanal. Hier werde Lauterbach mehrere 100.000 Euro in den Straßenbau sowie in die Abwasserbeseitigung investieren, aber auch die Kläranlage ertüchtigen. „Gottlob haben wir hier ein Pilotprojekt gefördert bekommen mit rund 1,8 Millionen“, freut sich Vollmöller. So lasse sich die Investition in Höhe von rund 3,6 Millionen Euro leichter stemmen.

Investitionen in den Radwegebau

Rund 700.000 Euro wird der Radwegebau in Lauterbach verschlingen. Die Kreisstadt des Vogelsbergs will nämlich fahrradfreundlicher werden. Schon im November 2019 wurde in einer Bürgerversammlung ein entsprechendes Radwegekonzept vorgestellt, ein neuer Konzeptentwurf dann im vergangenen Juli präsentiert. „Die Radwege-Planung, die wir im Moment umsetzen, ist eine Optimierung innerhalb unseres Kernstadt-Bereiches“, erklärt der Bürgermeister.

Für eine fahrradfreundlichere Stadt

Es geht also bei diesem Konzept nicht darum, beispielsweise die Ortsteile miteinander zu verbinden – das steht beim kreisweiten Radwegekonzept auf der Agenda. Das Radverkehrskonzept des Kreises sieht nämlich vor, alle Städte, Gemeinden und Orts-/Stadtteile sicher miteinander zu verbinden. „Da planen wir natürlich schon gemeinsam“, erzählt Vollmöller.

Hier habe die Stadt auch schon Kontakt zu den Ortsvorstehern und Ortsbeiräten aufgenommen, um Anregungen zu erhalten, wie beispielsweise eine bessere Vernetzung unter den Stadtteilen und zu anderen Städten/Gemeinden erfolgen könne. „Das ist, wenn ich das so salopp sagen darf, in der Mache und wird natürlich noch einige Zeit brauchen, vor allem, weil der Vogelsberg das ja gesamtheitlich angehen will.“

Es gibt aber noch weitere Projekte „über der Erde“, beispielsweise das Hohhausmuseum, was unter anderem im Sachen Brandschutz und Barrierefreiheit ertüchtigt werden müsse. „Und der Gesamtkomplex wird dann auch etwa rund vier Millionen Euro in Anspruch nehmen“, erzählt der Rathauschef der Kreisstadt. Vollmöller geht davon aus, dass Lauterbach auch hier bis Mitte/Ende des Jahres gute Ergebnisse vorlegen kann.

Herausforderungen werden aber nicht nur die Projekte sein, die die Stadt auf ihrer Agenda stehen hat, sondern künftig auch die städtischen Finanzen. Ab 2023 werde Lauterbach weniger Schlüsselzuweisungen haben. „Wir zahlen in diesem Jahr schon mehr Kreis- und Schulumlagen“, erklärt er. Das mache etwa eine Millionen Euro aus, 2023 würden es nochmal eine Millionen sein – und das bei zurückgehenden Schlüsselzuweisungen von rund 5,6 Millionen Euro.

Diese Zahl dann in einem Haushalt abzubilden und zu stemmen, das wird laut Vollmöller schwierig. Lauterbach könne sich das aber aufgrund seiner „soliden Finanzen“ leisten. „Wir werden das, so wie es aussieht, aus den Rücklagen bedienen können“, erzählt der Rathauschef.

Eine neue Kita und die Zukunft der Innenstadt

Ein weiterer Gesichtspunkt hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der Kreisstadt ist für den Bürgermeister, bedarfsgerechte Kita-Plätze anzubieten. In diesem Jahr soll auch endlich die neue, viergruppige Kita „Abenteuerland“ eröffnen, die rund 4,1 Millionen Euro kostet. Doch auch hier darf sich die Stadt unter anderem über Zuschüsse des Landes und Bundes freuen.

Ein Blick auf den Neubau der Kita Abenteuerland. Foto: Hütter

Eigentlich hätte die Kita schon im Januar eröffnen sollen, zumindest war das der Plan. „Aber wie in vielen Bereichen auch sind die Baupreise nach oben explodiert und damit einher gingen auch Lieferengpässe“, erklärt Vollmöller. Deshalb würde der Kita-Neubau erst Ende April fertig sein, in Betrieb gehen soll das „Abenteuerland“ im nächsten Kindergartenjahr.

2021 durfte sich Lauterbach auch über Fördermittel in Höhe von fast 250.000 Euro aus dem Programm „Zukunft Innenstadt“ freuen. Momentan sei man dabei, Ideen zu sammeln, welche Schwerpunkte in der Zukunft angegangen werden sollen. Konkrete Beispiele verrät der Bürgermeister noch nicht. „Ich bin immer jemand, der erst Dinge bespricht, wenn sie spruchreif sind. Und solange sich das jetzt im Entwurf der Verwaltung befindet, wäre es unfair, allen anderen gegenüber da vorzupreschen“, sagt er.

Gewerbegebiet Reuters: „Das ist eine Situation, die mich ärgert“

Ein Punkt, der den Rathauschef gerade sehr ärgert, ist das Gewerbegebiet in Reuters. Es ärgere ihn, „weil das laute Denken mittlerweile verboten ist“, erklärt Vollmöller. Aber warum? Um das zu erklären, wirft der Bürgermeister erstmal einen Blick zurück. „Wir haben im Vorfeld der Aufstellung des regionalen Raumordnungsplanes als Verwaltung und ich als Bürgermeister den Auftrag erhalten, zu eruieren, ob es Möglichkeiten gebe interkommunale Gewerbegebiete zu initiieren“, erklärt er. Das sei mal mit Wartenberg und auch Schwalmtal angedacht gewesen.

„Wir haben 2018, wenn ich mich richtig erinnere, Arbeitsgespräche geführt, die allerdings nur eine theoretische Möglichkeit für eine Verwirklichung vorgesehen haben.“ Grundkonsens sowohl mit Schwalmtals Bürgermeister Timo Georg als auch ihm sei gewesen: Wenn die regionale Raumordnung das ansatzweise zulasse und im Entwurf dieses Raumordnungsplanes, der jetzt zur Anhörung steht, sei eine solche Fläche einzupflegen und den Gremien dann die Frage gestellt werden, ob sie diese Flächen wollen oder nicht.

Auf der Ackerfläche bei Reuters wurde bereits vor einiger Zeit ein Protestschild aufgestellt. Foto: tsz

Für eine Umsetzung brauche es nämlich eine Machbarkeitsstudie, die wiederum finanzielle Mittel voraussetzt. Da gehe es dann um die Frage der Erschließung, der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung, Strom und vieles mehr. „Und das ist zumindest erstmal ein Denkmodell“, betont er. Er aber habe schon im Vorfeld dieses Denkmodells gemerkt, dass es in „Bausch und Boden“ geredet wird.

„Ich habe den Auftrag gehabt, das zu prüfen, ich habe es ordnungsgemäß geprüft. Aber wenn die Bevölkerung es nicht will, dann soll man es auch nicht durchsetzen – und an dem Punkt denke ich, werden wir stehen“, betont er. Deshalb habe er nun erstmal alle Ortsbeiräte, alle Stadtverordneten zu einer gemeinsamen Sitzung eingeladen, bei der es um die Grundzüge der regionalen Raumordnungsplanung gehe und natürlich detailliert, welche Maßnahmen dieser im Entwurf für jeden einzelnen Stadtteil aber auch für die Kernstadt an Potential aber auch an Einschränkungen vorsieht.

An diesem Punkt stehe man und das werde man auch diskutieren. „Aber nochmal: Ich mach mein Herz nicht zur Mördergrube“, betont der Bürgermeister. Wenn das Denken nicht mehr erlaubt sei, dann könne man bei anderen Dingen frühzeitig den Aktendeckel zumachen. Was das Gewerbegebiet in Reuters angeht – „das ist überhaupt nichts in trockenen Tüchern“.

Gewerbegebiet für Reuters: Linke befürchten weitere Belastungen

„Mir geht es bei der Politik immer darum: Man kann es nicht allen recht machen, aber man muss verlässlich sein und glaubwürdig“, betont er. Und das versuche er zu leben. Deshalb ärgere es ihn auch, wenn „Parolen“ und „Unterstellungen“ im Vorfeld dieser Diskussion Platz ergreifen. Das sei sowohl der Sache als auch der Demokratie nicht dienlich und ein Spiegelbild dessen, in welcher Gesellschaftskultur man sich teilweise hineinbegibt. „Das macht mich schon verdrießlich.“

Für 2022 wünscht sich der Rathauschef, mal ein bisschen mehr Zeit für sich zu haben. Er neige nämlich oft dazu, die anderen Dinge über eigene Interessen zu stellen. Das würde er auch wollen, aber es sei eben eine seiner Schwächen. „Ja, ich bin Bürgermeister mit Leib und Seele und mit Leidenschaft, und das rund um die Uhr.“ Aber wenn man etwas mit Leidenschaft und Freude mache, dann sei es nie Arbeit. Vollmöller bezeichnet sich selbst als Realpolitiker, mit beiden Beinen auf der Erde. „Und Dinge, die sich stellen, den stelle ich mich auch – und zwar mit ganzer Kraft und ganzem Herzen.“

2 Gedanken zu “Vollmöller zu Gewerbegebiet Reuters: „Da ist überhaupt nichts in trockenen Tüchern“

  1. Industriegebiet Reuters. Also das Industriegebiet mit 26 ha in die interkommunale Planung des neuen Regionalplans zu bringen ist schon mehr als nur laut denken.

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