Schülerinnen und Schüler der Albert-Schweitzer-Schule im Gespräch mit Staatssekretär Oliver ConzLanger Atem und gute Ideen zum Retten der Welt
ALSFELD (ol). Wie stehen Sie zu Atomkraft? Kann ein höherer Fleischpreis Konsum und Tierhaltung steuern? Steht die Digitalisierung im Konflikt mit Umweltschutz? Können Umwelt und Wirtschaft zusammenarbeiten, ohne dass Wettbewerbsnachteile entstehen? Was hat Umweltschutz mit dem persönlichen Einkommen zu tun? Und sollte man eigentlich Kinder in diese Welt setzen? Diese und andere Fragen hatte eine Gruppe Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 und E der Albert-Schweitzer-Schule vorbereitet und niemand anderer als der Staatssekretär im Hessischen Umweltministerium Oliver Conz war nach Alsfeld gereist, um sie zu beantworten.
Es wurde ein spannender, lebhafter Vormittag auf Augenhöhe, der länger dauerte als geplant und schließlich in der Schlange vor dem Waffelverkauf der SV endete. Alles nahm seinen Anfang noch im letzten Schuljahr: Lukas Raatz, PoWi-Lehrer im Vorbereitungsdienst, war auf die Ausschreibung der Geschäftsstelle der Nachhaltigkeitsstrategie in Hessen aufmerksam geworden: Schulklassen mit besonderem Interesse an Nachhaltigkeit oder Schulen, die bereits vorbildliche Aktivitäten zum Thema Umweltschutz vorweisen können, konnten sich dort bewerben, um für einen Tag lang das Umweltministerium zu übernehmen.
„Take over Umweltministerium“ lautete der Plan, denn dem Sieger winkte eine Reise nach Wiesbaden. Die Albert-Schweitzer-Schule überzeugte zwar mit ihrem Angebot, kam in den Lostopf und wurde gezogen, die Pandemie allerdings vereitelte den Tag im Ministerium. „Das war sehr bedauerlich und zunächst sah es sogar so aus, als würde alles nur auf eine Videokonferenz hinauslaufen“, so Lukas Raatz, der sich gemeinsam mit seinen Schülerinnen und Schülern sehr freute, dass es nun zumindest zu einer persönlichen Begegnung kam – wenn auch vor Ort in der Aula der Schule in der Schillerstraße.
Kaum mögliche Eingriffe auf den Weltmarkt möglich
Dort allerdings fand dann eine sehr besondere Veranstaltung statt: Oliver Conz, flankiert von Sabine Roesler und Esther Haude von der Geschäftsstelle der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen, gab zunächst einen Einblick in seine Vita: Vom verklemmten Vogelschützer über ein Jura-Studium bis hin zum anfangs parteilosen Staatssekretär in einem Amt, das nach eigenem Bekunden wirklich etwas tut und bewirkt. Und genau darum ging es in der Frage- und Antwortstunde, die der Staatssekretär keineswegs einfach abspulte: Er ging sehr detailliert auf die Fragen der jungen Leute ein.
So sagte er, dass er sich nicht vorstellen könne, dass in Deutschland jemals wieder ein Atomkraftwerk errichtet wird: Zu lange die Vorlaufzeit, zu groß das Risiko und zu ungewiss die Entsorgung. Auf die Frage nach dem Fleischkonsum antwortete Conz, dass es Bestrebungen gebe, Fleisch zu verteuern und damit Haltung und Konsum zu steuern. Gleichwohl blickte er auf den europäischen und den Weltmarkt: Hier könne man kaum eingreifen, aber es zeige sich, dass es Fortschritte geben könne.
Hoffnung auf Veränderung aufzugeben sei unmoralisch
Auch zu dem Thema Einkommen und Klimaschutz hatte der Staatssekretär eine Meinung: Natürlich müssten Geringverdiener und Leistungsempfänger einen Ausgleich erhalten, wenn Preise wie beim Fleisch oder beim Benzin ansteigen. Conz gab zu bedenken, dass gerade diese Personengruppe nicht der Treiber des CO2-Ausstoßes ist: Flugreisen machten und große Autos führen die anderen.
Sehr persönlich wurde der 53-Jährige, als er gefragt wurde, ob die Welt eigentlich überhaupt noch zu retten sei und ob man zukünftigen Kindern diese Welt überhaupt noch zumuten könne: Ja, man könne, so der Staatssekretär. Zu jeder Zeit habe es große Herausforderungen gegeben, Kriege, Umweltkatastrophen, Bedrohungsszenarien wie den Fulda Gap in seiner Generation.
Dennoch seien gerade die Menschen in Deutschland und Europa privilegiert. Sie könnten Dingen verändern, wie man an dem Urteil des Verfassungsgerichts gegen das Klimaschutzgesetzt sehen könne. Menschen hätten es in der Hand, auch wenn Veränderung einen langen Atem brauche: „Die Hoffnung auf Veränderung aufzugeben halte ich für unmoralisch“, so sein Credo.
Gleichberechtigt, ungekünstelt und ehrlich
Gleichberechtigt, ungekünstelt und ehrlich sprachen die Schülerinnen und Schüler mit dem Staatssekretär, über dessen Besuch sich auch Schulleiter Christian Bolduan sehr erfreut zeigte. Die Albert-Schweitzer-Schule sei auf einem nachhaltigen Weg, führte er aus und verwies auf den Abi-Wald, in dem seit vergangenem Jahr schon knapp 800 Bäume gepflanzt wurden, auf die Zusammenarbeit mit Chris Weigand von Blue Awareness, von der Umwelt-Natur-und-Nachhaltigkeits-AG der Schule und von Plänen, den Schulgarten zu reaktivieren und zu imkern.
„Unsere Schülerinnen und Schüler lernen, dass die Materie komplex ist und ein Thema am anderen hängt“, so Bolduan, der damit den jungen Menschen ein Angebot macht, das sie im Vorfeld auch explizit einforderten: Gefragt, was für sie Nachhaltigkeit sei, hatten sie neben Aspekten wie Second Hand, Recycling, Minimalismus oder Regionalität auch Bildung und Aufklärung genannt. Der Ersatz-Take-over in der Albert-Schweitzer-Schule hat genau das geboten und wird auf diese Weise nachhaltig sein.
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