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Interview mit Peter Rein, Niederlassungsleitung der Firmenkunden Frankfurt von MRH TroweNeue Entwicklungen in Sachen Betriebsschließungsversicherungen

REGION (ol). Corona hat uns noch immer voll im Griff. Deutschlandweit sind zahlreiche Betriebe geschlossen oder haben nur eingeschränkt geöffnet, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Viele Unternehmer bringt das in eine finanzielle Notlage. Hier stellt sich für viele die Frage: Bin ich als Unternehmer dagegen versichert? Mittlerweile gibt es hier neue Entwicklungen und eine Kompromisslösung, besonders für Restaurants, Hotels und Gaststätten.

Kleinere Geschäfte dürfen mittlerweile wieder öffnen, Großveranstaltungen sind noch bis Ende August verboten, doch auch Friseure dürfen bald wieder an die ran. Unterdessen müssen andere Geschäfte wie beispielsweise Restaurant und Gaststätten müssen weiterhin geschlossen bleiben. Ist man gegen Corona versichert? Versicherungen und deren Kunden stehen hier vor einem Dilemma und suchen nach Lösungen. Jede Woche sprechen wir über die aktuellsten Entwicklungen in der Branche mit Peter Rein, Niederlassungsleitung der Firmenkunden Frankfurt von MRH Trowe.

Oberhessen-live: Herr Rein, vor zwei Wochen noch gab es keine konkrete Entscheidung der Versicherer wie man nun mit dem Coronavirus im Zuge von abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherungen verfährt, also ob die Versicherung hier nun greift oder nicht. Hat sich hier etwas geändert?

Peter Rein: Ja in der Tat hat sich etwas getan – besonders für Restaurants, Hotels und Gaststätten, die ja derzeit noch immer geschlossen haben. Ausgehend von der bayrischen Landesregierung, dem Verband DEHOGA und einzelnen Versicherern konnte ein Vergleichsansatz für Gastronomie- und Hotelbetriebe erarbeitet werden. Trotz der unklaren Haftungslage hat man sich hier auf eine Kulanzentschädigung in Höhe von 15 Prozent der vereinbarten Versicherungsleistung geeinigt. Aktuell ist zu erkennen, dass sich immer mehr Versicherer dieser sogenannten „Bayrischen Lösung“ anschließen. Für die bundesweite Ausweitung dieser Lösung – auch über die Branchen des Gastgewerbes hinaus – sind erste Anzeichen erkennbar.

Welche Versicherer sind das konkret?

Insbesondere sind hier zu nennen Allianz, Versicherungskammer Bayern, und Haftpflichtkasse. Aber auch weitere Versicherer wie zum Beispiel die Mannheimer Versicherung und Sparkassenversicherung lehnen sich nach individueller Prüfung in Einzelfällen an diese Lösung an.

Welche Anzeichen sind hier Deutschlandweit zu erkennen und was bedeuten sie? 

Nach Verhandlung konnten wir in Einzelfällen bereits auch in anderen Bundesländern Kompromisslösungen in ähnlicher Ausgestaltung erzielen. Dies spricht dafür, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zur Ausweitung erkennbar ist.

Warum gibt es überhaupt einen Kompromiss?

Es muss auch die Frage erlaubt sein, warum die Versicherer sich trotz anfänglich klarer Ablehnungsposition auf eine Kompromisslösung einlassen. Gibt es hier in der Bewertung der Haftungsfrage seitens der Versicherer bereits die Einschätzung, dass eine Leistung in voller Höhe mit erheblicher Wahrscheinlichkeit notwendig wird? Dann muss der Kompromiss als taktisches Vorgehen gewertet werden, der die finanzielle Notlage der versicherten Betriebe nutzt, um mit einer möglichst kostengünstigen Lösung abzuschließen.

Also ist das überhaupt ein annehmbarer Kompromiss, wie ist Ihre Einschätzung?

Die Frage kann nicht klar beantwortet werden. Jedoch können folgende Überlegungen bei der Bewertung unterstützen: Basis für die prozentuale Entschädigungsleistung in Höhe von 15 Prozent bildet die Annahme, dass die überwiegende Zahl der betroffenen Betriebe auf Corona-indizierte staatliche Unterstützungsleistungen wie Kurzarbeitergeld, Soforthilfen o.ä. zurückgreifen können. Diese summieren sich in Modellrechnungen auf bis zu 70 Prozent des durch die Schließung entstandenen Schadens.

Was ist, wenn der Betrieb nicht auf die 70 Prozent Unterstützungsleistung kommt?

Rein: Dann verzichtet man auf Basis des Kompromisses auf bis zu 85% der möglichen Leistung aus der Betriebsschließungsversicherung. Ob dies nun ein annehmbarer Kompromiss ist, müssen wir der Bewertung jedes Einzelnen überlassen. Schließlich steht dem noch die Bewertung des Erfolgsrisikos aufgrund der offenen Haftungsfrage gegenüber.

Also: schnelles Geld oder aber langwieriger Rechtsstreit.

Die Frage ist hier: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? Vor diesem Dilemma stehen jetzt viele Betriebe, denen ein solcher Kompromiss angeboten wird. Zu beachten ist bei der Entscheidung nicht nur, ob man in der aktuell unsicheren Position – bis hin zur Notlage – das schnelle Geld annimmt, sondern auch die für die handelnden Geschäftsführer/Vorstände entstehende potenzielle Haftung. Schließlich bedingt die Annahme dieser, meist mit zeitlichem Annahmedruck versehenen Kompromisslösung, den Verzicht auf weitere mögliche Leistungen aus dem Schadensfall.

Zu beobachten ist, dass in Krisenzeiten die juristischen Inanspruchnahmen für vorgeworfene Fehlentscheidungen zunehmen. Dies kann aus dem Unternehmen heraus sowie beispielsweise im Falle einer Insolvenz auch von außen passieren. Führt die Annahme eines solchen Kompromisses ggfls. zu einer Gläubigerbenachteiligung? Hat die Annahme des Kompromisses ggfls. Einfluss auf die Zahlung des Kurzarbeitergeldes?

Sämtliche Finanzierungsfragestellungen sind in der Krise von besonderer Brisanz. Der Vorwurf des Managementfehlers ist insbesondere in Krisenzeiten schnell formuliert. In einigen Unternehmen ist zur Prüfung, Abwehr oder Entschädigung solcher Haftungsansprüche gegen Geschäftsführer und Vorstände eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die sogenannte „Directors & Officers-Versicherung“, platziert. Auch hier gilt es im Einzelfall die Qualität des Deckungsschutzes zu prüfen.

Es wird deutlich, dass die Schadenbeurteilung und die mögliche Vorgehensweise mit maximaler Sensibilität erfolgen muss. Aufgrund der Komplexität der aktuellen Situation ist es bei kritischen Fragestellungen empfehlenswert, die individuelle Situation juristisch begleiten zu lassen.

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