
Marian Mattner von Vogelsberg Consult über Chancen und Wirkung von guter BeratungBedrohte Ausbildungsverhältnisse retten und präventiv klären
VOGELSBERG (ol). Vor wenigen Tagen erst berichtete Dr. Christa Larsen vom IWAK über den drohenden Fachkräftemangel in der Region. Als ein Mittel, diesem entgegenzuwirken, nannte sie die Berufsausbildung und appellierte an die Unternehmen, keine Möglichkeit zur Stabilisierung bedrohter Ausbildungsverhältnisse unversucht zu lassen. Marian Mattner von der Vogelsberg Consult setzt mit seinem Angebot genau da an, wo es schwierig wird.
Er steht im Dialog mit Auszubildenden und ihren Betrieben und konnte seit Beginn seiner Beratungstätigkeit bereits zahlreiche Ausbildungsverhältnisse sichern. Wie das geht, wer involviert ist, was es kostet und wie nützlich so ein Engagement ist, davon sprach er im Interview.
Herr Mattner, die Vogelsberg Consult ist Träger des Projektes QuABB. Sie sind der Projektmanager und Ausbildungsbegleiter im Kreis dafür. Was genau ist QuABB?
Die „Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule“ (QuABB) ist ein Programm der Hessischen Landesregierung, das seit seiner Einführung im Jahr 2009 mehr als 13.000 Auszubildende begleitet und beraten hat und aktuell an mehr als hundert hessischen Berufsschulen läuft. Seit dem Jahr 2016 gibt es QuABB auch im Vogelsbergkreis. Zielgruppe des Beratungsangebotes sind alle Auszubildenden, die im Vogelsbergkreis wohnen, ihren Ausbildungsplatz haben oder zur Berufsschule gehen, sowie Vogelsberger Ausbildungsbetriebe. Die QuABB-Beratung ist für Auszubildende und Betriebe kostenlos, und ich unterliege selbstverständlich der Schweigepflicht.
Wo sind Sie mit diesem Angebot aktiv?
Ich biete an beiden Vogelsberger Berufsschulen (Vogelsbergschule Lauterbach und Max-Eyth-Schule Alsfeld) im wöchentlichen Wechsel regelmäßige Sprechstunden für Auszubildende, Lehrkräfte und Ausbildungsbetriebe an. Beratungsgespräche können natürlich auch im Ausbildungsbetrieb oder in der Vogelsberg Consult GmbH geführt werden, da bin ich flexibel.
Wie viele Auszubildende beraten Sie hier?
Seit dem Projektbeginn im Vogelsbergkreis im Jahr 2016 habe ich 90 Auszubildende beraten. Bei knapp einem Drittel der jungen Leute hatte bereits eine Kündigung stattgefunden oder stand kurz bevor. In den allermeisten Fällen konnte man zusammen mit den Auszubildenden und den Betrieben eine Lösung finden.
Können sich auch Unternehmen an Sie wenden oder muss die Anfrage stets von den Auszubildenden kommen?
Ausbildungsbetriebe und Unternehmen können sich gerne direkt an mich wenden, wenn sie Probleme mit ihren Auszubildenden haben. Ich finde es gerade wichtig, auch die Sicht der Ausbilder oder Vorgesetzten in den Betrieben auf bestimmte Ausbildungssituationen kennenzulernen.
Sie kooperieren mit Schulen und Unternehmen. Haben Sie noch weitere Kooperationspartner an Bord?
Neben den Berufsschulen und Betrieben arbeiten wir mit einer Vielzahl von Netzwerkpartnern zusammen. Dazu gehören die zuständigen Kammern, lokale Ämter und Behörden, die Agentur für Arbeit, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Suchtberatungsstellen und viele mehr. Zusammen stellen wir ein vielschichtiges, professionelles Präventions- und Unterstützungsnetzwerk für Auszubildende und Betriebe dar, um bestehende Ausbildungsverhältnisse zu sichern und vorzeitigen Ausbildungsabbrüchen entgegen zu wirken.
Gibt es Umstände, auf die Sie in Ihren Beratungen immer wieder stoßen, also Probleme, die gehäuft auftauchen?
Der Übergang von der Vollzeitschule in den Beruf fällt manchem Auszubildenden schwerer als anderen. Gerade in den ersten Wochen und Monaten der Ausbildung, also meist im Rahmen der vereinbarten Probezeit, entscheiden sich schon viele grundlegende Dinge im Ausbildungsverhältnis. Hier entstehen natürlich auch Unsicherheiten auf beiden Seiten, ob man wirklich zusammenpasst. Grundlegend kann man die Probleme im Rahmen einer dualen Ausbildung in drei Bereiche unterteilen: Private, persönliche Probleme der Auszubildenden, schulische und betriebliche Schwierigkeiten.
In den ersten Bereich fallen solche Sachen wie Probleme im Elternhaus oder Freundeskreis, aber natürlich auch das persönliche Arbeits- und Sozialverhalten in Berufsschule und Betrieb. Schulische Probleme bedeuten in der Regel, dass in manchen Fächern Nachhilfebedarf besteht, damit die Noten für die Zwischen- bzw. Abschlussprüfung zufriedenstellend sind, aber auch gezielte Unterstützung in Bezug auf die Vermittlung der Fachtheorie. Betriebliche Differenzen stellen den dritten Problembereich dar; hier geht es oft um Themen wie die Rollenfindung der Auszubildenden im Betrieb, Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen, Arbeitsverhalten und Motivation der Auszubildenden.
Welche Alternativen haben Sie für die Auszubildenden – wie helfen Sie ihnen konkret?
Es gibt eine ganze Bandbreite an Unterstützungs- und Hilfeangeboten. Anders als in früheren Zeiten gibt es heute für die Auszubildenden für nahezu jede Problemlage professionelle Beratungspersonen an den Schulen bzw. im näheren Umfeld. Das reicht vom Schulpfarrer über die Ernährungsberatung, Suchtberatung und Nachhilfe bis hin zu meinem Beratungsangebot. Kommt ein Auszubildender mit einer speziellen Problemlage auf mich zu, kann ich ihm entweder direkt über Beratungsgespräche weiterhelfen – oder ich verweise ihn an die entsprechenden Fachleute weiter.
Wie sieht so eine Beratung aus – können Sie einen wahren Fall schildern?
Ein Kfz-Betrieb rief mich an und schilderte, dass man mit einem Auszubildenden sehr unzufrieden sei. Als Gründe hierfür wurden häufige Unpünktlichkeit, mangelnde Motivation des Auszubildenden und lange Krankheitsphasen genannt. Eine betriebsbedingte Kündigung war bereits angedacht. Ich erhielt den Auftrag, mich mit dem Auszubildenden zu einem persönlichen Beratungsgespräch zu treffen. In diesem Gespräch arbeiteten wir die vom Betrieb genannten Punkte Schritt für Schritt durch. Der Auszubildende benannte aus seiner Sicht Gründe, die zu der beschriebenen Situation geführt hätten, und zeigte sich motiviert, seine Ausbildung wieder in den Griff zu bekommen. Einige Wochen später teilte er mir mit, dass sich das Arbeitsklima deutlich gebessert hätte und eine Kündigung mittlerweile vom Tisch sei.
Idealerweise werden Ausbildungsverhältnisse durch Ihr Engagement stabilisiert und ihr Fortbestand gesichert. In wie vielen Fällen gelingt das tatsächlich?
In den allermeisten Fällen gelingt es, bestehende Ausbildungsverhältnisse zu erhalten. Für den Vogelsbergkreis lässt sich für den bisherigen Zeitraum eine Erfolgsquote von 86% verzeichnen. 75% der Auszubildenden setzten ihre Ausbildung nach einer QuABB-Beratung anschließend fort, 9% hatten ihre Ausbildung innerhalb des Beratungszeitraums bereits erfolgreich abgeschlossen.
Es lohnt sich demnach wirklich, sich im Fall eines Problems am Ausbildungsplatz oder mit dem Auszubildenden bei Ihnen zu melden?
Wenn man bedenkt, dass ein vorzeitiger Ausbildungsabbruch den Betrieb je nach Branche zwischen 7.000 – 8.000 € kostet, dazu viel Zeit und Personal investiert wurde, würde ich alle bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um das Ausbildungsverhältnis zu stabilisieren.
Hintergrundinformationen zu QuABB: Die hessische Landesregierung beabsichtigt mit diesem Programm, die Quote der faktischen Ausbildungsabbrüche in Hessen zu senken. Sie sieht dies als wichtigen Beitrag zur langfristigen Fachkräftesicherung. Die hessenweit verankerte Ausbildungsbegleitung an den QuABB-Standorten wird von der Koordinierungsstelle beim Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmart- und Sozialpolitik begleitet und unterstützt. QuABB wird gefördert aus Mitteln der Europäischen Union – Europäischer Sozialfonds und aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung.
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