
Zu Besuch bei Herta Appel und ihren "Strick-Omis" in StumpertenrodWo für den guten Zweck die Stricknadeln klappern
STUMPERTENROD (akr). „Jeden Abend wenn ich ins Bett gehe, bete ich zum Herrgott, dass ich das noch lange machen kann“, sagt Herta Appel, die Hände zum Gebet gefaltet. Sie ist eine der Stumpertenröder Strick-Omis, die für die Kinderherz-Station und für die Frühchen-Station der Universität Gießen die Stricknadeln klappern lassen. Zu Besuch beim Kaffeekränzchen der engagierten Strickerinnen.
Im Haus von Herta Appel aus Stumpertenrod duftet es nach frischgebackenem Pflaumen- und Quarkkuchen. Die 79-Jährige erwartet Besuch. Das letzte Treffen der sogenannten Strick-Omas in diesem Jahr steht auf dem Programm. Einige ihrer fleißigen Kolleginnen warten bereits an der gedeckten Kaffeetafel im wohlig warmen Wohnzimmer. Der Stargast an diesem Tag fehlt allerdings noch. Der neun Monate alte Finn-Noah Merle wird schon sehnlichst von Herta Appel und ihren Freundinnen erwartet. Die Zeit vertreibt man sich indes mit einer Tasse Kaffee, Plaudereien und natürlich Stricken – denn Stricken ist das, was die Damen zusammengeführt hat.
Dass Stricken nicht nur ein Hobby von Herta Appel ist, das sieht man sofort, wenn man ihr Haus am Ortsende von Stumpertenrod betritt. Überall verteilt liegen Wollknäuele und Stricknadeln, damit sie jederzeit an jedem Ort in ihrem Haus ihrer Leidenschaft nachgehen kann. Herta Appel strickt aber nicht nur für sich, ihre Kinder oder Enkel. Nein, Herta Appel und ihre Strick-Omis lassen die Strickstöcke die Kinderherz-Station und für die Frühchen-Station der Universität Gießen klappern.

Herta Appel mit Finn-Noah, seiner Familie und ihren fleißigen Strickerinnen.
Seit elf Jahren strickt Herta Appel schon für den guten Zweck. Angefangen hat alles mit den sogenannten „Trost-Teddys“ für das Deutsche Rote Kreuz. Kleine, gestrickte Bärchen, die Kindern nach einem Unfall Trost spenden sollten. Als dann ein Kind aus Stumpertenrod an einer schweren Hirnhautentzündung erkrankte und auf der Kinderintensivstation lag, begann sie für die Station zu stricken.
Seit einigen Jahren ist sie zu einer festen Adresse der 79-Jährigen geworden. Drei bis vier Mal im Jahr macht sich Herta Appel mit ihrer Tochter auf den Weg nach Gießen, den Kofferraum voll gepackt mit Söckchen, winzigen Mützen, Kissen, Deckchen und allerhand Figuren aus Strick. Erst vor wenigen Tagen stand wieder eine dieser Touren auf dem Programm. Pünktlich vor Nikolaus versteht sich.

Vollgepackt machte sich Herta Appel gemeinsam mit ihrer Tochter vor einigen Tagen auf den Weg nach Gießen. Foto: privat
Der Star-Gast trudelt ein
Und dann ist es auf einmal so weit, der langersehnte Star dieser Runde ist endlich eingetrudelt. „Ist er da?“, fragt Herta Appel mit strahlenden Augen. Sie rollt mit ihrem Rollstuhl in den Flur, streckt schon die Arme nach dem kleinen Finn-Noah aus. Fast fünf Monate ist es her, dass sich die beiden gesehen haben. Aber nicht nur Herta Appel freut sich, sondern auch Finn-Noah. Ein breites Grinsen macht sich in seinem Gesicht breit, als er seine Strick-Oma entdeckt – und dann wird erst einmal gekuschelt. Finn-Noah macht es sich auf dem Schoß von Herta bequem. Ein Küsschen hier, ein Küsschen da und lautes Kinderlachen erhellt den Raum.
Doch wie haben sich die beiden eigentlich kennengelernt? Herta hat zwar sieben Enkel und zwölf Urenkel, Finn-Noah gehört aber nicht dazu, auch wenn es den Anschein macht. Um diese Freundschaft zu erklären muss man in der Zeit ein wenig zurückreisen. Finn-Noah musste ein paar Tage nach seiner Geburt am Herzen operiert werden. „Es war ein Schock, als man uns sagte, dass er einen Herzfehler hat und nach der Geburt dringend operiert werden müsse“, erklärt Finn-Noahs Mama Nicole Merle. Gleich nach der Geburt wurde der kleine Kämpfer auf die Intensiv-Station der der Universität Gießen gebracht. Die OP hatte der kleine Mann gut überstanden.

Seit fünf Monaten haben sich die Beiden nicht mehr gesehen.
Ja, noch ist immer nicht klar wie die Verbindung der beiden zustande kam, auch wenn manche es sich es vielleicht denken können. Es hat natürlich etwas mit dem Stricken zu tun. Als Ursula Merle, Finn-Noahs Oma, ihrem Enkel einen Besuch abstattete, entdeckte sie winzige gestrickte Söckchen an den kleinen Füßen ihres Enkels. Die kleinen Söckchen durfte Familie Merle dann auch mit nach Hause nehmen. „Die sind von den Strick-Omis aus dem Vogelsberg“, erklärte die Stationsschwester damals.
Woll-Lieferungen aus ganz Deutschland
Und dann macht es „Klick“ bei Ursula Merle. Sie hatte nämlich schon mal einen Artikel zu den strickenden Frauen aus Stumpertenrod gelesen. Also machte sie sich kurzerhand mit Wolle bepackt auf den Weg nach Stumpertenrod zu Herta Appel. Und so kam es dazu, dass sich eine enge Freundschaft entwickelte. Aber nicht nur das: seither bringen Ursula und ihr Ehemann Edgar Merle aus Eudorf säckeweise Wolle zur Strick-Oma in den Feldataler Ortsteil. Eine Freundin der beiden hatte eine Anzeige in einer Zeitschrift aufgegeben, dass die Strick-Omis Wolle bräuchten – und seit dem werden die fleißigen Strickerinnen mit Material versorgt. Aus ganz Deutschland trudeln die Pakete ein.

Strick, Strick und noch mehr Strick.
14 Strick-Omis gehören mittlerweile zum Team von Herta Appel. Nicht alle sind an diesem Tag bei Herta zu Besuch, einige sind verhindert. Die, die da sind, sind aber natürlich nicht mit leeren Händen gekommen. Sie haben ordentlich Nachschub dabei. So wie Susi. „Ich muss immer etwas Neues probieren“, lacht sie. In den Händen hält sie eine durchsichtige Kiste mit kleinen Sternenkissen. Diese bringt sie auch zugleich in das Schlafzimmer der Hausherrin, nimmt sie aus der Kiste und legt sie vorsichtig auf das Bett, von dem schon fast nichts mehr zu erkennen ist.
Söckchen, Mützen, kleine Figuren aus Strick, Kissen und vieles mehr – alles ordentlich auf dem Bett der Hausherrin ausgebreitet. Für die nächste Tour nach Gießen ist schon vorgesorgt. Vor Ostern soll es wieder hin gehen. Die winzigen Mützen mit Hasenohren für die Überraschungseier zu Ostern sind auch schon gestrickt, lagern in einer Tüte in ihrem Schrank.
Für Herta sind diese Besuche in Gießen keineswegs einfach. Natürlich freut sie sich, wenn sie den Kleinen und den Schwestern eine Freude machen kann. „Danach bin ich aber fix und fertig“, gibt die Rentnerin offen zu. Schließlich ist sie selbst Mutter. Ihr geht das sehr nah, die kleinen Frühchen dort liegen zu sehen. „Jeden Abend wenn ich ins Bett gehe bete ich zum Herrgott, dass ich das noch lange machen kann“, sagt sie, während sie ihre Hände zum Gebet gefaltet hat. Dann rollt sie wieder aus dem Schlafzimmer zurück ins Wohnzimmer zu ihren Mädels. Und natürlich zu Finn-Noah. Immerhin ist es das letzte Treffen in diesem Jahr.
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Ich habe gerade dieses Artikel von den Strickomas gelesen und ich finde das einfach großartig ? ich kenne auch den kleinen Finn Noah und seine Eltern persönlichen,sein Papa ist mein Arbeitskollege und ich weiß noch ganz genau wie es ihm nach dieser schrecklichen Diagnose ging.Aber der kleine Mann ist ein riesengroßer Kämpfer und das alles gut zusammen mit seiner Familie gemeistert…er ist ein wahrer Sonnenschein ?
Ich muss ehrlich zugeben daß ich beim Lesen eine Gänsehaut hatte und sogar ein, zwei Tränen verdrücken mußte.
Was für eine tolle Aktion. Ihnen allen gehört ein großes ❤. Für kleine und große Kinder ❤?