Große Tempo-Messaktion auch im Vogelsberg – Autofahrer ungewöhnlich brav:„Es müsste jeden Tag Blitz-Marathon sein“
VOGELSBERGKREIS (aep). Eigentlich müssten Polizeioberkommissar Heiko Emmrich und sein Kollege Christian Neusel doch zufrieden sein. Den ganzen Vormittag über bereits messen die beiden Polizisten die Geschwindigkeit vorbeifahrender Autos, und kein einziger Fahrer hat sich mit überhöhter Geschwindigkeit erwischen lassen. Nicht ganz überraschend: Es ist Blitz-Marathon, und die Standorte der Messstellen waren veröffentlicht worden. Dabei würden die Beamten in Ober-Gleen ertappten Fahrern gerne etwas vom Sinn des Tempolimits erzählen. Aber an anderer Stelle gab es durchaus Treffer.
Blitz-Marathon in Deutschland, das bedeutet im Vogelsbergkreis, dass Polizei und kommunale Beauftragte am Donnerstag an elf Stellen im Vogelsbergkreis aktiv geworden sind – so wie unter anderem Oberhessen-live zuvor angekündigt hatte. Das sei eine Maßnahme zur Prävention gegen Raserei, erklärte die Polizei dabei. Es gehe nicht vordergründig darum, tatsächlich Autofahrer zu erwischen, die zu schnell fahren. Deshalb die Ankündigung – und deshalb auch das Gespräch, das die Beamten mit Betroffenen führen sollen. Anders als üblich, kommen die Verwarnungen nicht Tage oder Wochen später mit der Post, sondern sofort – verbunden mit eindringlicher Ermahnung. So die Theorie.
Almenrod: Drei von 72 gemessenen Autos waren zu schnell
In der Praxis haben Autofahrer die Warnung offenbar verstanden, denn die Zahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen hält sich am Donnerstag offenbar in Grenzen, weiß der Polizeisprecher Wolfgang Keller zu berichten – zumindest da, wo die Polizei misst. Auf der Landesstraße von Lauterbach nach Dirlammen etwa in Höhe der Abfahrt nach Almenrod misst die Polizei nur bei drei von 72 Fahrern zu hohes Tempo. Die Spitze hält einer, der bei erlaubten 80 ganze 22 Stundenkilometer zu schnell unterwegs war. Man erwischte aber auch andere: Ein Autofahrer telefonierte während der Fahrt mit dem Handy am Ohr, ein anderer war nicht angeschnallt.
Hin und wieder blitzendes Rotlicht gibt auch das Gerät ab, dass in Alsfeld in der Bürgermeister Haas-Straße unauffällig in einem geparkten Kleinbus den Verkehr überwacht. Die Straße wird viel befahren, ist lang und gerade – aber auch ein viel genutzter Schulweg, weshalb dort nur 30 Stundenkilometer erlaubt sind. Das ist auch beim Blitz-Marathon vielen Fahrern offenbar zu wenig. Alleine in den zweieinhalb Stunden zwischen 9.30 und 12 Uhr blitzt die Messanlage 36 Mal.
„Das war die Hälfte von dem, was sonst üblich ist“, kommentiert Stuart Schneider dieses Zwischenergebnis. Er ist verantwortlich für die Messung. Zusammen mit einem Kollegen und dem Alsfelder Ordnungsamtsmitarbeiter Klaus-Walter Müller steht er neben dem Kleinbus, der von Zeit zu Zeit plötzlich einen Blitz abgibt.
Für Autofahrer „Wegelagerer“, Anwohner begeistert
Und er weiß um den Ruf, den sein Job bei vielen Menschen hat: „Wegelagerei“ ist eine der harmloseren Bezeichnungen. Im Internet gehe es mitunter schlimmer zu: „Es entwickelt sich in diesem Bereich eine eigene Polemik“, erklärt Stuart Schneider. Man schimpft, hetzt einander auf – zum Beispiel, indem die Zerstörung stationärer Blitzanlagen bejubelt wird. Dabei, so betont er, sei seine Arbeit mitnichten nur von Kritik begleitet: „Die Anwohner sind sehr angetan.“ Wenn er mit Leuten spricht, die dort wohnen, wo er kontrolliert, bekomme er durchweg positiven Zuspruch. Solange er dort ist, so werde ihm gesagt, könne man die Kinder wieder auf dem Gehweg vor der Tür spielen lassen. „Die Anwohner sind begeistert.“ Zumindest in der eigenen Straße.
Nur freundliche Gesichter erleben am Donnerstagvormittag an der B62 auch die beiden Polizeibeamten Heiko Emmrich und Christian Neusel. In aller Frühe hatten sie ihr Laser-Messgerät bereits in Leusel aufgebaut. 42 gemessene Fahrzeuge in der Stunde ab 8.40 Uhr – keine Überschreitung der erlaubten 50 Stundenkilometer. Eine Stunde später postieren sie sich in Ober-Gleen an der Bushaltestelle, messen den Verkehr aus Richtung Kirtorf. Bis 11 Uhr: kein Raser in Sicht.
Keine Treffer in Ober-Gleen
„Da haben vielleicht die Medien gewirkt“, stellt Polizeioberkommissar Emmrich fest. Das sei ja auch der Sinn der Sache: den Leuten im Auto bewusst zu machen, dass es Tempolimits gibt und wie wichtig die sind. Er ist offenbar präpariert fürs Gespräch durchs Autofenster. „Nur zwei Km/h weniger in Ortschaften bedeuten 15 Prozent weniger Unfälle“, erklärt der Polizeibeamte, während sein Kollege Neusel emsig die Laserpistole auf sich nähernde Fahrzeuge richtet. Und jemand Kluges habe einmal festgestelt: Ein schwerer Verkehrsunfall mit einem Schwerverletzten beeinträchtige das Leben von 100 Menschen. Auch eine Verwarnungs- und Bußgeldtabelle hat der Beamte dabei: Die fängt bei harmlosen 15 Euro an und steigert sich in die Hunderte – verbunden mit Punkten in Flensburg und Fahrverboten.
Davon brauchen diese Polizisten am Donnerstag keinen Gebrauch machen: Sie halten den positiven Negativrekord. 128 angemessene Fahrzeuge waren es bei ihnen in Ober-Gleen – ohne einen Verstoß. Das sei ja eigentlich gut, resümieren sie. Andererseits hätten sie auch gerne mit Fahrern gesprochen.
„Ich hoffe, dass der Tag ein wenig nachhaltig wirkt“, beschließt der Polizeisprecher Wolfgang Keller seinen Kommentar zum Blitz-Marathon, der an einigen Stellen noch bis zum Freitagmorgen weitergehen soll. Ein Resüme soll noch folgen. Auch sein Kollege Emmrich freut sich in Ober-Gleen über das Verhalten der Autofahrer. Aber sein Schluss: „Es müsste jeden Tag Blitz-Marathon sein.“
Als Anwohner der Hochstrasse würde ich mir auch wünschen, dass hier öfters Kontrollen des fließenden und des ruhenden Verkehrs durchgeführt würden. Egal, wo in Alsfeld gebaut wird, die Umleitung führt immer und grundsätzlich durch die Hochstrasse. Und spät am Abend sowie früh am Morgen donnern die Lastzüge mit Zorn und überhöhter Geschwindigkeit hier durch. Da war es heute wirklich merklich ruhiger dank Blitzmarathon. Aber leider ist es in der Regel so , dass die Stadt die Anwohner hier im Regen stehen lässt. Wir haben zwar den (zu schnellen) Durchgangsverkehr dank Umleitung, aber ob hier die Fahrzeuge mit 50-60 statt 30 durchfahren oder trotz Halteverbot Autos parken, interessiert bei der Stadt niemanden.