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Dichter-Club – Schreibwerkstatt an der AvH bereitet sich auf Buchveröffentlichung vorGedanken Ausdruck verleihen und Worte jenseits des Reims finden

LAUTERBACH (ol). Fünfmal haben sie sich getroffen, Stummfilme geschaut, diskutiert, überlegt, sich in ein stilles Eckchen verzogen und ihre Gedanken niedergeschrieben – als Gedichte. Schließlich gehören die elf Schülerinnen und Schüler der Alexander-von-Humboldt-Schule dem Dichter-Club an, einer Schreibwerkstatt unter der Leitung der Lyrikerin Safiye Can. Von April bis Juni hat sie fünfmal den weiten Weg von Offenbach nach Lauterbach auf sich genommen, um die jungen Dichter anzuleiten, sie darin zu unterstützen, für ihre Gedanken einen eigenen Ausdruck zu finden, sich zu trauen, und um schließlich das geschriebene Wort zu verfeinern. Letzteres geschah in der letzten Stunde vor den Ferien.

In der letzten Stunde vor den Ferien traf sich die Gruppe unter der Leitung von Deutschlehrerin Hanna Borchers in dem kleinen, aber feinen Gruppenraum unterm Dach der Stadtbücherei Lauterbach, „Eselsohr“ genannt, heißt es in der Pressemitteilung der Alexander-von-Humboldt-Schule. Bei der Schreibwerkstatt handele es sich um ein Projekt des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst zur Schreibförderung im Ländlichen Raum. An vier hessische Schulen bildeten sich dafür von einer Autorin oder einem Autor angeleitete Schreibkurse, in Lauterbach unter dem Motto „Lautschriften. Vom Film zum Buch“.

Die Schülerinnen und Schüler von den Jahrgangsstufe 7 bis zur Q4 schauten dafür zwei Kurzfilme ohne Ton und ließen dazu ihren Gedanken freien Lauf. Von Safiye Can erhielten sie viele Tipps zum Schreiben moderner Gedichte, lyrische Texte, die meist auf den klassischen Reim verzichten und doch keine Prosa sind. Texte, die kurz und prägnant sind, die mit Bildern und Metaphern arbeiten, ohne überladen zu sein.

In kleinen Gruppen trugen sich die Dichterinnen ihre Werke vor und arbeiteten an ihrer Vortragstechnik. Fotos: Traudi Schlitt

Texte, die die Gedanken- und Lebenswelt der jungen Schreiberinnen und Schreiber einfangen, die das im Laufe des Workshops mehr und mehr zu schätzen lernten, sodass sie am Ende ganz unbefangen mit ihren Werken umgingen: Vor ihrer kleinen Gruppe, der sich immer wieder auch Petra Scheuer, die Leiterin der Stadtbücherei, anschloss, rezitierten sie ihre Gedichte – auch als Vorbereitung auf eine Lesung, die sie nach den Sommerferien planen.

Projekt ganzheitlich angelegt

„Das Projekt ist sehr ganzheitlich angelegt“, fasst Hanna Borchers zusammen, „natürlich geht es in erster Linie um das Schreiben und den literarischen Ausdruck. Die Zusammenarbeit mit Safiye Can war dabei wirklich großartig und hat uns allen viel gebracht. Da die Werke unserer Schülerinnen und Schüler und der Teilnehmenden der anderen drei Schulen aber in einer kleinen Anthologie des Frankfurter Fischer-Verlags erscheinen, können wir auch den Weg vom ersten Wort bis hin zum fertigen Buch verfolgen. Und mit unserer Präsentation des Buches und der Gedichte im kommenden Schuljahr arbeiten wir auch an unserer Vortragstechnik.“

Über die Tragweite dieses Projekts seien sich auch die Schülerinnen und Schüler im Klaren. Anfangs noch ein wenig schüchtern und eigentlich auch eher am Schreiben von Prosa interessiert, ließen sie sich gerne auf das Projekt ein, nicht zuletzt, weil Safiye Can es immer wieder gut verstanden hat, die jungen Leute zu motivieren und mit ihrer positiven Kritik jede Stunde ein Stück weiterzubringen.

Die Autorin, deren Lyrikbände allesamt Bestseller sind, arbeitet erklärtermaßen gerne mit Kindern und Jugendlichen: „Zu beobachten, wie sich meine PoetInnen im Laufe der Schreibwerkstatt – sobald die ersten Hemmungen gefallen sind – verändern, geradezu verwandeln, das Schreiben, die Schreibwerkstatt, sich selbst und ihre MitschülerInnen ernst nehmen, kann man durch kein Geld der Welt aufwiegen. Diese Erfahrung lässt sich auch weder erkaufen noch durch eine Ausbildung erzielen.“

Lyrik als Sprachrohr

Die Jugendlichen würden erkennen, dass sie Lyrik als Sprachrohr für ihre Gefühls- und Gedankenwelt benutzen können, so Can weiter: „Sie lassen ihrer Kreativität freien Lauf, toben sich literarisch aus und schöpfen gleichzeitig Kraft und Energie, weil sie selbstständig etwas erschaffen haben.“ Und zum Dichterclub in Lauterbach hat die Lyrik-Expertin natürlich auch eine Meinung – und was für eine: „Ich bin stolz auf meinen Dichter-Club Lauterbach; sie haben mich mit ihrem literarischen Können und ihrer Seele begeistert.“

Safiye Can war in gutem Austausch mit den Schülerinnen und Schülern und konnte ihnen noch gute Tipps geben.

Die so gelobten jungen Dichterinnen und Dichter freuen sich auf das, was nach den Ferien noch kommt, denn neben der Buchpräsentation mit Lesung steht auch ein Besuch im Fischer-Verlag auf Einladung des Hessischen Literaturforums an. Die Vorfreude auf all das teilen sie mit ihren Lehrerinnen Melanie Stein und Hanna Borchers. Sie selbst sehen ihr Projekt schon jetzt als gelungen, denn wann kann man schon einmal seine eigenen Gedanken so professionell in Worte fassen? „Wir haben wirklich viel von Safiye gelernt, und mir ihr zusammenzuarbeiten hat uns jede Menge Spaß gemacht“, war aus den Reihen der Schülerinnen und Schüler zu hören, die nun selbstbewusst auf ihr Werk blicken.

Angst, zu viel von sich preiszugeben oder vor Publikum aufzutreten, haben sie nicht. „Natürlich hat alles, was man schreibt, auch mit einem selbst zu tun“, resümieren sie, „aber es gehört einfach auch viel Fantasie dazu.“ Und das Vortragen, das sind sie schon aus ihrem Schulalltag gewöhnt: Poetry Slam, Präsentationen, Darstellendes Spiel – all das fördert die Kreativität und das Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler des Lauterbacher Gymnasiums auf verschiedenen Ebenen.

Ihre fertigen, von Safiye Can redigierten Werke, haben sie nun aus der Hand gegeben, losgelassen, um sie nach den Ferien als gedruckte Worte in einem kleinen Büchlein wiederzusehen. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Safiye Can freuen sie sich heute schon auf das Ergebnis.

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