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Fahrt des Evangelischen Dekanats Vogelsberg führt eine Gruppe in das Herz der Europäischen UnionDie Bedeutung der EU für Frieden und Wohlstand erkennen

VOGELSBERG/BRÜSSEL (ol). „Quo vadis, Europa?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich anlässlich der Europawahl vom 23. bis 26. Mai dieses Jahres eine ganze Veranstaltungsreihe des Evangelischen Dekanats Vogelsberg. Mit Gesprächsabenden zum Thema Europa mit biblischem Bezug startete der Arbeitsbereich „Innovative Erwachsenenarbeit“ unter der Leitung von Holger Schäddel und Franziska Wallenta die Reihe im Februar. Nun wurde sie fortgeführt mit einer Fahrt in das Herz Europas: Nach Brüssel.

Dorthin brach Ende März eine 24-köpfige Gruppe Ende März auf, just zum selben Zeitpunkt, als hier der EU-Gipfel stattfand, an dem neben verschiedenen bereits vorher festgesetzten Tagesordnungspunkten das 25-jährige Bestehen des Europäischen Wirtschaftsraums begangen wurde und über den Antrag Großbritanniens auf eine Verschiebung des Brexit bis zum 22. Mai beraten werden musste.

Weiter heißt es in der Pressemitteilung des Dekanats, von all dem bekamen die Reisenden – außer in den Nachrichtensendungen – nicht viel mit: Obwohl man zwei halbe Tage im „Quartier Européen“, dem Europäischen Viertel, verbrachte und rund um das Parlamentsgebäude unterwegs war, gab es – außer in ein paar gut bewachten Autos vermuteten Politpromis – nichts davon zu sehen. Selbst die Präsenz von Sicherheitskräften war viel geringer als in anderen europäischen Großstädten; ein Zeichen dafür, dass Brüssel und seine Einwohner ganz selbstverständlich mit der Rolle ihrer Stadt als einem von drei Standorten der Europäischen Institutionen umgehen.

Der Eingang zu den EU-Gebäuden: Station Europe gab einen ersten Abriss über Geschichte und Orte der Europäischen Union. Alle Fotos: Traudi Schlitt

Ebenfalls selbstverständlich scheint hier der Umgang mit den vielen Menschen unterschiedlicher Nationen und Wurzeln zu sein. Verschiedene Sprachen sind überall zu hören, Touristen, EU-Bedienstete, Migranten, manchmal auch alles gleichzeitig, sind in Brüssel unterwegs oder leben hier; darüber hinaus haben viele Belgier afrikanische Wurzeln.

Ziel: Ein eigenes Bild von Europa erarbeiten

Ziel der Fahrt nach Brüssel war, so Holger Schäddel, an seinem eigenen Bild von Europa zu arbeiten, und zwar direkt vor Ort. Insbesondere das Parlamentarium, das in einer überaus gut aufbereiteten multimedialen Ausstellung Historie, aktuellen Stand und einen Ausblick auf die Zukunft der Europäischen Union zeigt, lieferte dafür viel Stoff. In einem Prolog wurde die Geschichte Europas vor und zwischen den Kriegen und geschildert. Armut, wirtschaftliche Konkurrenz, der Kampf um Rohstoffe, vermeintliche Erbfeindschaften: Die europäische Länder litten teilweise unter großem Mangel und führten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen gegeneinander, allen voran Deutschland und Frankreich, gipfelnd in die zwei große Weltkriege.

Schon während des Zweiten Weltkrieges und kurz danach sahen Menschen wie der Schriftsteller Thomas Mann oder der Politiker Winston Churchill in einem vereinigten Europa die einzige Chance auf anhaltenden Frieden und wachsenden Wohlstand der europäischen Länder. „Am Anfang stand eine Vision: die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit Europas – ein Weg zur Vermeidung von Konflikten und zur Sicherung des Friedens“, heißt es zu Beginn der Ausstellung.

„This time I’m voting“ – Werbung für die Europawahl auf dem Platz zwischen den Gebäuden.

Deutlich wurde, wie gewagt das Unterfangen des französischen Außenministers Robert Schuman war, der bereits 1950 eine Einigung mit Deutschland herbeiführen wollte; wie umstritten und zerbrechlich sein Plan, der am 9. Mai 1950, der Geburtsstunde der Europäischen Einigung, vorgestellt wurde: Dieser sah eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl als wirtschaftliche und politische Vereinigung der europäischen Länder zur Sicherung eines dauerhaften Friedens vor. Die sechs Gründerländer dieser Union waren Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.

Der Weg der Europäischen Union

Den Weg von dieser Vereinigung über die Europäische Wirtschaftsunion (EWG) zur Europäischen Union (EU) mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1993 schildert eine sehr informative Strecke der Ausstellung. Die Beitrittsdaten und –prozedere der weiteren Mitgliedsstaaten werden hier ebenso aufgeführt wie verschiedenste einschneidende Geschehnisse in den Ländern. Dabei gibt es Blicke auf die Frauenbewegung, die Ölkrise oder das Klonschaf Dolly. Und es wird schnell klar, dass all das auch mit den Entwicklungen im geeinten und vereinten Europa zu tun hat. Heute hat die EU nach einer Erweiterung sowohl in den Mittelmeerraum als auch nach Osteuropa 28 Mitglieder. Mit Großbritannien wird das erste Mitglied bald wieder austreten.

Mit der Gegenwart und der Zukunft beschäftigt sich ein großer Bereich der Ausstellung. Es geht darum, welchen Fragen und künftigen Herausforderungen die EU und ihre 751 Abgeordneten sich stellen müssen. Der Besucher erfährt, wie das EU-Parlament zusammengesetzt ist. Er kann seine Abgeordneten virtuell treffen und die EU-Spitzenkandidaten für die kommende Wahl der einzelnen Fraktionen kennenlernen. Er kann auf Europareise gehen und viel über die einzelnen Länder erfahren. Selbst einer Parlamentssitzung kann man virtuell beiwohnen und ein wenig mehr EU-Luft schnuppern.

Interaktiv die Geschichte der EU erfahren, Herausforderungen erkennen und Zukunftsmusik hören: Die Ausstellung im Parlamentarium bot viel Erkenntniszuwachs.

Eine weitere Halle eröffnet anhand einzelner persönlicher Beispiele von Menschen aus verschiedensten Ländern Europas einen Blick auf den Einfluss der EU auf den Alltag und das Berufsleben. Es geht dabei um die Arbeitswelt, aber auch um die Umwelt, um Integration und Inklusion, um Bildung, Familienpolitik und vieles mehr. Da ist die Frage nach der eigenen Meinung der Besucher des Parlamentariums nur logisch: Was soll nach eigenem Bekunden auf EU-Ebene entschieden werden und welche genauen Wünsche hat man persönlich, die die Parlamentarier auf ihre Agenda setzen sollen?

Es gibt keine Alternative zu einem geeinten Europa

Das Fazit nach einem mehrstündigen Besuch in dieser Einrichtung: Ja, Europa ist groß, der Verwaltungsapparat enorm, die Sitzungen sicherlich ermüdend, die Frage der Notwendigkeit nach drei Standorten unbeantwortet, und die Ergebnisse kommen, weil demokratisch herbeizuführen, nicht immer schnell. Dennoch: Es gibt keine Alternative zu einem geeinten Europa. Die Geschichte lehrt das eindrücklich. Nationalistische Alleingänge wirken kontraproduktiv – gefährden den Wohlstand und auch den Frieden.

Und so wirbt man auf dem gesamten Gelände um eine Teilnahme der EU-Bürger an den Wahlen. „This time I’m voting“ fordern Plakate dazu auf und erklären auch, warum: Für eine gemeinsame Migrationspolitik, für eine gemeinsame Klimapolitik, für mehr Gerechtigkeit – für viele Themen, die man als starke Gemeinschaft auch kraftvoller vertreten kann.

Doch zu einer Brüssel-Reise gehört natürlich mehr als nur Europa: Die Gruppe hat die drei Tage gut genutzt – mit einem Bummel durch die Stadt, der einen Blick auf den Königspalast und über den Kunstberg ermöglicht hat, ein Treffen mit einem erstaunlich kleinen Manneken Pis und eine erste Idee von der großen Kunst- und Jugendstiltradition der Stadt. Die Grand‘ Place beeindruckte mit einer atemberaubenden Kulisse. Es war zudem auch Zeit, das Wahrzeichen der Stadt, das Atomium zu besuchen, in dessen Ausstellung ein Hauch von Nostalgie mitschwang. Schließlich wurde das Modell des Eisenkristalls zur Weltausstellung im Jahr 1958 gebaut.

Mittendrin in einer parlamentarischen Sitzung – auch das ging, zumindest virtuell!

In kleinen Gruppen erschlossen sich die Reisenden die Stadt. Sie schlenderten durch das Afrikanische Viertel oder suchten sich eine Kirche zum Kennenlernen, flanierten in den Prachtstraßen im Zentrum der Stadt oder entdeckten das alte Börsenviertel. Sie genossen die sprichwörtliche Vielfalt des belgischen Bieres und der Schokoladen und Trüffel, ließen sich vom allgegenwärtigen Duft der belgischen Waffeln oder Fritten hinreißen– kurzum: Die Reise bot – neben vielen politischen und tagesaktuellen Eindrücken – auch viele weitere Möglichkeiten. Nicht zuletzt die Erkenntnisse, dass es wichtig ist, sich an den Wahlen zu beteiligen und dass Brüssel auf jeden Fall eine weitere Reise wert ist.

Die nächsten Veranstaltungen im Rahmen der Europareihe des Evangelischen Dekanats finden im Mai statt: Ein Diskussionsforum mit interessanten Teilnehmenden aus Gesellschaft und Politik – u.a. Janine Wissler (MdL), Stephan Paule (Bürgermeister) und Thomas Schaumberg (Vogelsberg Consult GmbH) – lädt am 6. Mai zum Mitdenken ein. Darüber hinaus wird es mit der Europaschule Max-Eyth-Schule eine Europawoche geben, die am 6. Mai startet.

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