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Firma in Schieflage: Mitarbeiter des Alsfelder Welle-Werks im Interview„Die Schuld liegt ganz klar beim Management“

ALSFELD (jal). Die Mitarbeiter des Welle-Werks in Alsfeld leben weiter in Ungewissheit. Am Mittwoch sollte der Betrieb weitergehen, doch es war nicht einmal geheizt. Im Interview mit OL schildert ein Mitarbeiter die Lage aus seiner Sicht – und wer seiner Meinung nach Schuld an der Misere trägt.

Ende des vergangenen Jahres kam die Nachricht, dass Wellemöbel aus NRW erneut Insolvenz anmelden musste – die dritte seit 2002. Die Firma hat auch ein Werk in Alsfeld. Zuletzt waren dort etwa noch 65 Menschen beschäftigt, doch mittlerweile haben etliche gekündigt, darunter auch leitendes Personal. Die Beschäftigten haben seit drei Monaten keinen Lohn erhalten, einige klagen dagegen.

Im Interview mit Oberhessen-live beschreibt ein langjähriger Mitarbeiter, der ungenannt bleiben möchte, die jetzige Situation aus seiner Sicht. Gerne hätte OL auch mit dem Insolvenzverwalter gesprochen, dem Düsseldorfer Anwalt Dr. Frank Kebekus. Eine Anfrage unseres Magazins blieb jedoch unbeantwortet. Berichten zufolge ist er skeptisch, ob eine erneute Rettung gelingt.

Oberhessen-live: Seit Weihnachten war die Fabrik bis zum Mittwoch in den Betriebsferien. Was haben Sie an Ihrem ersten Arbeitstag im neuen Jahr gemacht?

Welle-Mitarbeiter: Diejenigen, die noch nicht gekündigt haben, waren da und haben sich um 6 Uhr im Aufenthaltsraum getroffen – weil alles kalt war. Schon aus diesem Grund hätten wir keine Möglichkeit gehabt, zu arbeiten. Es war kalt, weil die Schlosserei, die dafür zuständig ist, nur noch einen Mann da hatte und der war nicht befugt, die Bude anzuheizen. Wir dachten eigentlich, dass zumindest ein Teil der Produktion pünktlich wieder starten kann.

Was war der andere Grund, warum nicht gearbeitet werden konnte?

Es war immer noch kein Leim da, beispielsweise.

Sie sagten, diejenigen, die nicht gekündigt hätten, seien da gewesen. Wie viele Mitarbeiter sind denn noch bei Welle in Alsfeld geblieben?

Vorher waren es zuletzt etwa 65, jetzt dürften es noch 40 bis 45 sein. Gekündigt haben unter anderem der Chef des Werks, dazu wohl auch sein Stellvertreter, der erste Betriebsratsvorsitzende sowie mindestens zwei weitere Mitglieder des Betriebsrats. Das war auch ein Grund, warum das Arbeiten nicht möglich war: Diejenigen, die die Produktion hätten führen können, sind unter denen, die bereits gekündigt haben oder zumindest nicht vor Ort waren.

Einige gingen danach gleich zur Arbeitsagentur

Wie muss man sich die Stimmung an diesem Mittwoch im Aufenthaltsraum vorstellen?

Wir haben mit der Belegschaft zwei Stunden dort zusammengesessen, danach der Betriebsrat noch eine Weile. Die Arbeitsagentur in Lauterbach macht um 8 Uhr auf, da sind gleich einige danach hingefahren. Wenn Sie mich nach der Stimmung fragen, würde ich sagen: Es herrschte Galgenhumor.

Sie gehören auch zu denjenigen, die seit den vergangenen drei Monaten kein Geld bekommen haben. War es Ihnen trotzdem möglich, die Feiertage einigermaßen zu genießen?

Mir schon, weil ich ein bisschen was gespart habe, ich bin seit vielen Jahren bei der Firma dabei. Andere Kollegen hat es härter getroffen. Es war ja kürzlich schon in einem anderen Bericht zu lesen: Es gibt viele, die haben täglich Angst, dass ihnen der Strom abgestellt wird. Sie müssen bedenken: Diejenigen, die noch nicht gekündigt haben und weiter auf ihren Lohn warten, kriegen ja nicht einmal Arbeitslosengeld, weil sie noch in einem Arbeitsverhältnis stehen.

In NRW hat ein Radiosender berichtet, die Mitarbeiter der Welle-Logistikfirma Howelpa würden vor eine schwere Wahl gestellt. Wenn nicht fast alle von ihnen auf den Lohn der letzten drei Monate verzichten würden, drohe das Aus. Gab es eine solche Ansage auch in Alsfeld?

Nein. Wir haben jedoch auch gesagt bekommen, dass diese Info aus NRW eine Falschmeldung sei.

An guten Tagen haben das Werk in Alsfeld Waren im Wert von 45.000 Euro verlassen. Schreibtische, Jugendzimmer – da war alles dabei.

Glauben Sie, dass das Welle-Werk in Alsfeld noch eine realistische Chance hat? Es ist der einzige verbliebene Welle-Standort außerhalb von NRW.

Mit einem entsprechenden Investor könnte man meiner Meinung nach schon das Werk retten – aber vielleicht maximal mit einer Leistung von etwa 20 Prozent im Vergleich zu vorher. Mit den paar Leuten, die wir noch sind, wird alles andere schwer. An guten Tagen haben das Werk in Alsfeld Waren im Wert von 45.000 Euro verlassen. Schreibtische, Jugendzimmer – da war alles dabei. Und nachdem was ich gehört habe hat Alsfeld bei Welle immer die besten Zahlen geschrieben. Angeblich waren wir im Vergleich zu Paderborn zwar kleiner, aber produktiver.

Von der Unternehmensleitung heißt es, der Möbelmarkt sei heiß umkämpft, vielen Herstellern gehe es nicht gut. Reicht Ihnen das als Erklärung oder werfen Sie dem Management vor, selbst mit Schuld an der Misere zu sein?

Die Schuld liegt ganz klar beim Management in Bad Lippspringe bei Paderborn. Welle-Möbel hat bereits zwei Insolvenzen hinter sich. Nach jeder Insolvenz wurde die Vielfalt in der Produktpalette reduziert. Wir haben Möbel zum Beispiel in weniger Farben produziert, das hat der Firma gut getan, die Stückzahlen stiegen. Als es dem Unternehmen besser ging, wurde die Vielfalt wieder erhöht – und das hat wieder zur Schieflage geführt. Das haben wir Mitarbeiter ganz klar so gemerkt.

Was sagen Sie zum Angebot der Stadt Alsfeld, den Welle-Mitarbeitern notfalls mit der Weiterleitung von Bewerbungen an einen Verteiler regionaler Firmen zu helfen, falls es mit der Rettung des Werks in der Stadt nicht klappt?

Das ist doch fair. Wer das annehmen möchte, hat schon einmal einen Ansprechpartner.

Wie geht es jetzt weiter?

Das wüssten wir auch gerne. Bei der letzten Insolvenz gab es eine Auffanggesellschaft. Gibt es vielleicht wieder eine? Niemand sagt uns etwas. Den Rest der Woche bleibt das Werk geschlossen. Am nächsten Montag um 6 sollen wir wieder da sein. Hoffentlich wissen wir danach mehr.

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