Vor einem Jahr begann der Bückingbrand – Erinnerungen an dramatische MinutenIm Korb gefangen über dem Flammenmeer
ALSFELD. Am morgigen Donnerstag ist es ein Jahr her und noch gut in Erinnerung: Wie am frühen Morgen ein Großalarm die Feuerwehren zum Bücking-Gelände in Alsfeld beorderte, wie Feuerwehrleute tagelang mit einem Brand bislang unbekannten Ausmaßes kämpften, wie die Stadt in überregionalen Nachrichten Schlagzeilen machte. Ein Feuerwehrmann hat ganz eigene Erinnerungen an den Morgen des Brandausbruchs: Mathis Kruse. Er stand im Korb der Drehleiter, als das Feuer sich explosionsartig ausbreitete, hatte eine riesige Flammenwand direkt vor sich und flüchtete um sein Leben. Bei Oberhessen-live erzählt er erstmals von diesen dramatischen Minuten.
Zur Erinnerung: Es war genau 5.09 Uhr am 31. Juli 2013, als die Brandmeldeanlage des Lagerhallenkomplexes in der Bückingstraße auslöste – Auftakt zu einer Brandkatastrophe mit bis zu 60 Meter hohen Flammen unter einer Hunderte Meter hohen Rauchsäule und einem Einsatz für insgesamt mehr als 400 Einsatzkräfte. Die Ursache des Feuers ist bis heute ungeklärt, zuviel ist auf dem Gelände der Hallen verbrannt, als dass der Ursprung ermittelt werden konnte,
Der Versuch einer Riegelstellung
Nur acht Minuten nach dem Alarm rückte der Alsfelder Löschzug unter dem Kommando von Stadtbrandinspektor Michael Eilts und Wehrführer Carsten Schmidt aus. Wenig später kam das Tragkraftspritzenfahrzeug aus Eudorf hinzu. Da schlugen bereits Flammen aus dem Dach der kleinsten von drei Hallen des Gebäudekomplexes, und die Brandschützer gingen vor, wie oft geübt: Mit drei Einsatzfahrzeugen versuchten sie, eine Riegelstellung zum Bürogebäude aufzubauen. Dabei fuhr auch die Drehleiter heran, in den Korb stieg der 26-jährige Mathis Kruse – wie üblich und vorgeschrieben in voller Atemschutzmontur.
Mathis Kruse ist ein erfahrener Feuerwehrmann, seit 1999 in Alsfeld dabei, als Kreisausbilder aktiv, Student für Rettungsingenieurwesen – und zur Zeit übrigens als Supervisor bei der Emirates Fire- und Rescue-Companie in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, tätig. Bei seinem jüngsten Urlaub in Alsfeld ließ er sich überreden, von dem Tag vor einem Jahr zu erzählen, als er den vollen Brandausbruch buchstäblich am eigenen Leib zu spüren bekam.
Im Korb über dem Dach: Flammen züngeln plötzlich an der Seite
Am Morgen vor einem Jahr war klar, dass er als Erster mit der Drehleiter hochfahren würde. Er war dritter Mann der Drehleiter-Besatzung, für den Einsatz im Korb ausgebildet. Als die Erstschlagtruppe der Feuerwehr am Brandort ankommt, ist sichtbar, dass die eine Halle innen bereits hell in Flammen steht. Mathis Kruse fährt mit der 30 Meter langen Drehleiter hoch, schwebt über dem Dach und kann in einem 15 Meter-Radius Wasser darauf werfen. „Anfangs habe ich da noch keine Flammen gesehen“, erzählt er. Aber dann ändert sich die Situation schlagartig – es mögen mehrere oder nur eine Minute vergangenen sein, die der junge Mann mittig über dem Gebäude stand. „Da oben hat man kein Gefühl für die Zeit!“
Er entdeckt plötzlich Flammen: Sie schlagen aus den Lichtkuppeln im Dach unter ihm. Gleich darauf sieht er mehr in den Augenwinkeln, wie seitlich Feuer aus dem Dach dringt, schaut hin und beobachtet eine „Feuerzunge, die sich um die Regenrinne legt.“ Über die Funkverbindung ruft Mathis Kruse nach unten: „Manni! Zieh die Drehleiter zurück!“ Aber für einen ordentlichen Rückzug geht es zu schnell: „Dann hat es durchgezündet“ Heißt: Die Flammen fressen sich schlagartig durch das ganze Dach, wachsen explosionsartig an – eine riesige, gelb-rot leuchtende, vielleicht 1000 Grad heiße Flammenwand baut sich vor dem kleinen Menschen auf, der sich im Drehleiterkorb viel zu langsam aus dem Gefahrenbereich bewegen kann – nur durch die dicke Schutzkleidung mit Helm, Atemschutzmaske und Pressluft vor der Glut geschützt. „Das ging so schnell, dass ich mit der Drehleiter nicht zurückkam.“
In der Hitze: Die Drehleiter blockiert, „Arme waren irre heiß!“
Die Hitze greift nach ihm, und Mathis Kruse ist klar: Nach vorne, wie üblich, kann die Drehleiter ihn nicht absetzen – da wütet zuviel Feuer, „da war es zu heiß!“ Er lässt die Leiter zur Seite schwenken, will sich auf dem freien Platz absetzen lassen. Aber kaum in der Waagerechten, hält die Leiter an und lässt sich nicht mehr bewegen. Die Hitze hat die Hydraulik beschädigt. Für Mathis Kruse ist guter Rat teuer.
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Lesen Sie außerdem Donnerstagmorgen ab 5 Uhr aus Anlass des Jahrestags:
Stadtbrandinspektor Michael Eilts über die Brandkatastrophe aus seiner persönlichen Sicht und über die Notwendigkeit von Feuerwehr.
Dazu: eine Chronik der Ereignisse.
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Er spürt inzwischen das Feuer auf der Haut. „Die Klamotten halten wirklich viel ab“, erzählt er. „Aber da ist ein Punkt, ab dem die Klamotten einfach nachgeben.“ Der ist erreicht, als er auf der blockierten Drehleiter steht, drei Meter über dem Asphalt, vor sich das Flammenmeer. Ihm bleibt nichts übrig, als schnell die elf Meter über das Gestänge zu laufen, am Ende auf den Maschinistensitz zu springen und vor dort vom Fahrzeug zu klettern. Es ist höchste Zeit, da weg zu kommen „Die Arme waren irre heiß.“ Mathis Kruse rennt zum nächsten Verteiler, reißt ein Ventil auf und lässt sich mit Wasser besprühen. Kameraden kommen hinzu, nehmen einen Schlauch und kühlen ihn mit weiterem Nass. Es ist überstanden.
Und so gefährlich die ganze Situation auch für ihn war: Schaden hat der 26-Jährige nicht genommen. „Als ich die Klamotten abgelegt hatte, war alles gut.“ Und Angst? Hatte er Angst um sein Leben? Mathis Kruse schüttelt den Kopf: „Man übt für den Notabstieg, man trainiert die Hitze im Flammenstoß. Für mich war das nicht so schlimm.“ Vielleicht ging ja auch alles nur zu schnell. In jedem Fall: Nach diesem dramatischen Morgen war der Hauptlöschmeister Mathis Kruse noch alle drei Einsatztage dabei.
Von Axel Pries
schöne Bilder aus heutiger Sicht, wenn man nicht so dicht dort arbeiten mußte.
Ich habe auch noch einige Bilder vom nördlichen Stadtrand aus gemacht.
Hut ab !