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Ex-ASS-Schulleiterin Elisabeth Hillebrand im PortraitDie Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist

ALSFELD. 20 Jahre lang stand Elisabeth Hillebrand als Schulleiterin an der Spitze der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule. Vor wenigen Wochen ging das „elisabethische Zeitalter“ mit einer großen Verabschiedung in der Schule zu Ende. Und jetzt? Hillebrand steckt noch immer voller neuer Ideen und Ziele. Der Ruhestand kann warten. Das Portrait einer unabhängigen, modernen Frau.

Elisabeth Hillebrand wirkt ruhig und zufrieden. Sie lächelt, während ihre Augen durch den Raum des kleinen, vollen Cafés streifen. Sie schaut nach unten, die Stirn in Falten gelegt, rührt sie langsam mit einem kleinen Löffel durch ihren Cappuccino. „Es war eine reiche Zeit, die meinem Naturell entspricht und ich denke, dass ich das leben konnte, was ich kann und was ich möchte. Es ging ums Gestalten. Ich hatte viel zu tun“, sagt sie sanft.

Nach 20 Jahren, über 2.600 Schülerinnen und Schüler und fünf Schuldezernenten ist für Hillebrand vor wenigen Wochen eine Ära zu Ende gegangen. Die Aula der Schule in der Schillerstraße war voll. Landrat, Bürgermeister, Vertreter des Schulamts, ehemalige und aktuelle Schüler, Eltern und Kollegen – alle saßen sie dicht an dicht nebeneinander, um sie zu verabschieden. Die Erinnerung an den Tag lässt die 65-jährige Schlitzerin nachdenklich werden. Ihr zielstrebiger Blick wird weich und liebevoll. „Der Abschied war so emotional, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Dass es durchweg positiv gesehen wird, was ich tat, damit habe ich nicht gerechnet“, sagt sie. Schon viele Wochen vor ihrem Abschied habe sie viele liebe Briefe von Eltern, ehemaligen Kollegen und ehemaligen Schülern bekommen, die ihr dankten.

Ein emotionaler Abschied: Nach 20 Jahren wurde die Schulleiterin in den Ruhestand verabschiedet. Foto: Traudi Schlitt

Früh musste sie Stärke beweisen

Da lief selbst ihr, einer selbstbewussten und toughen Frau, die ein oder andere Träne die Wangen hinunter. „Das war der Moment, in dem ich gemerkt habe, dass es nicht weg ist, was man macht. Durch die Arbeit und das Engagement für die Menschen, wird man nicht vergessen“. Vor den Fenstern des Cafés zieht draußen der Alsfelder Alltag vorbei, drinnen scheint die Welt kurz ein wenig still zu stehen. Naiv ist Hillebrand nicht. Sie weiß, dass auch wenn sie so freundlich verabschiedet wurde, nicht alles eitel Sonnenschein in ihrer Zeit an der ASS war. Den Grund dafür sieht sie auch bei sich selbst. „Ich bin ein Mensch, der gerne Position bezieht und da eckt man auch manchmal an, aber ich beziehe klare Kante und stehe dazu“, sagt sie. Auch in der heutigen Zeit gebe es noch immer Menschen, die mit dieser direkten Art nicht klar kämen. Ihre Stimme klingt jetzt stärker als zuvor.

Stärke musste sie schon früh in ihrem Leben beweisen. Aufgewachsen ist sie als fünftes Kind einer Familie auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen. Die nächste Stadt war 25 Kilometer entfernt. Der Karriereweg, der für Frauen damals vorgesehen war, war ein ganz schmaler. Hillebrand wurde Zahnarzthelferin, ehe sie auf Drängen ihres Chefs einen Intelligenztest über sich ergehen ließ und ihr Abitur nachholte. Später machte sie ihren Diplom-Ingenieur im Bereich Gartenwissenschaften an der Technischen Universität in Hannover.

Damals war sie bereits mit ihrem Mann verheiratet – mittlerweile kennen sich die beiden seit 47 Jahren, haben drei erwachsene Söhne und sechs Enkel, bemerkt sie sichtlich stolz. Auf der Suche nach einem familienfreundlichen Job kam sie zum Schuldienst und unterrichtete zunächst an der Max-Eyth-Schule, wechselte 1992 als Studiendirektorin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben an die Gesamtschule in Schlitz und wurde letztendlich 1998 Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule.

Hillebrand bei ihrer Abschiedsrede in der Schule. Foto: Traudi Schlitt

Schwerer Start als Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule

Elisabeth Hillebrand lehnt sich weit zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. „Die Schule wurde damals 140 Jahre lang nur von Männern geleitet. Da wurde mir damals angeraten: Eine Frau – und vor allem mit Kindern – kann das nicht“, sagt sie. Noch immer scheinen sie die Aussagen von damals zu treffen. „Einige respektlose Schreiberlinge haben Wochen versucht, mich öffentlich zu mobben. Vielleicht, weil ich eine Frau bin und Kinder hatte, vielleicht aber auch, weil ich in der falschen Partei war.“ Hillebrand stammt ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen, seit frühen Zeiten ein Stammland der Sozialdemokratie.

Als sie knapp über 30 war, trat sie in die SPD ein – und hält der Partei bis heute die Treue. Die GroKo? Hillebrand wird beim Mitgliederentscheid für Ja stimmen. Nur so könne man gestalten.

Aber ich habe nie eine Entschuldigung bekommen, nach all den Jahren nicht. Das verwirrt mich immer nochElisabeth Hillebrand über dies bösen Worte zum Start ihrer Karriere

Vielleicht, so überlegt sie, habe das damals einfach nicht in das Weltbild der Menschen gepasst –  eine Frau, die ein Gymnasium führt. Sie legt die Stirn in Falten, stützt die Ellebogen auf den Tisch und senkt den Blick: „Aber ich habe nie eine Entschuldigung bekommen, nach all den Jahren nicht. Das verwirrt mich immer noch“, sagte sie. Es ist eine Mischung aus Trauer, Trotz und auch ein klein wenig Wut, der da in ihrer Stimme mitschwingt, wenn sie das sagt.

Im Kreise ihrer mittlerweile ehemaligen Kollegen. Foto: Traudi Schlitt

Unbewusst schaut Hillebrand auf ein großes orangenes Buch, das sie extra mitgebracht hat und das nun eben ihr auf dem Tisch liegt „Ihrer Zeit voraus – Frauen verändern die Welt“ heißt der Titel, der das Cover ziert. Zutreffend. Hillebrand lacht laut und herzlich. Schon immer sei sie „emanzig“ gewesen, weil es gerade in der Familien- und Frauenpolitik noch sehr viele Ungerechtigkeiten gibt. Gegen alle Rollenklischees versperrt sie sich nicht. „Ich bin eine gnadenlos gute Köchin und liebe es, zu experimentieren“, bemerkt sie nicht ohne sichtbaren Stolz.

Eine Schulleiterin, die weiß was für die Schule richtig ist

In 20 Jahren ist an der ASS mit ihr als Schulleiterin so einiges passiert. Und längst nicht alles, womit sich die Schule heute rühmt, hat von Anfang an funktioniert oder ist mit Begeisterung aufgenommen worden. Der Abriss der alten Aula in der Schillerstraße und das neu entstandene Gebäude in Passivhaus-Bauweise zum Beispiel. Energiesparend sollte es sein, doch anfänglich klagten die Schüler vor allem darüber, die Fenster nicht aufmachen zu können, die wegen der empfindlichen Lüftungstechnik verschlossen waren.

Bei der Umstellung der Schulkantine auf gesunde Ernährung witterten so manche Schüler und vielleicht auch einige Eltern Bevormundung. Und dann war da auch noch die Abschaffung der alten Kreidetafeln, die durch moderne, computergestützte Whiteboards ersetzt wurden. „Braucht’s das wirklich?“, fragte sich so mancher damals. „Ja, braucht’s“, hielt Hillebrand entgegen. Sie konnte stur sein, wenn sie sich für etwas einsetzte. Das bekamen mitunter alle zu spüren. Schüler. Eltern. Lehrer. Und auch die Politik. Das hin und her mit G8 und G9 und die ständig wechselnden Verordnungen aus Wiesbaden erzürnten sie.

Ich werde die Zeit niemals vergessen.Elisabeth Hillebrand über ihre Zeit am Alsfelder Gymnasium

Der Chefin des Gymnasiums war klar, dass eine Schule im ländlichen Raum sich verändern muss, um attraktiv zu bleiben. Deswegen machte sie sich für Ganztagsangebote stark, setzte sich dafür ein, dass Spanisch als zweite Fremdsprache angeboten wird, holte Vereine ins Boot der Schule, um gemeinsam mit ihnen Sport-AGs anbieten zu können. Mit der Einführung der Orchesterklassen gab es schließlich auch ein Angebot für Eltern, denen musikalische Früherziehung wichtig war. Im Diskussionsionsformat „Aktuelle Runde“ behandelten Schüler wichtige Themen des Zeitgeschehens.

Erst durch die 65-Jährige wurde der musikalischen Ausbildung der Schüler einen großen Wert beigemessen. Bei ihrer Verabschiedung sang der Schulchor. Foto: Traudi Schlitt

Es ist nicht unfair, wenn man sagt, dass Hillebrand ihre Erfolge gerne genoss und darüber in der Zeitung las. Unter ihrer Leitung wurde die Pressearbeit der Schule professionalisiert, das Jahrbuch eingeführt und direkt 1988 damit gestartet und das Logo des Gymnasiums aufpoliert. Eine Frau mit Visionen, die umsetzt, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, die Leben ausstrahlt und stets das Lachen nicht vergisst. Vielleicht kommt man gerade wegen dieser Eigenschaften nicht umhin, Elisabeth Hillebrand zu mögen. Die Mission der 65-Jährigen geht weiter. Nur nicht an der ASS. Auch wenn sie die Zeit dort nie vergessen wird, ist sie kein Mensch, der der Vergangenheit nachhängt. Ein klarer Schnitt sei wichtig, auch für den Rest der Schulgemeinde.

Ideen, Tatendrang und Durchsetzungsvermögen: Keine Ruhe im Ruhestand

Ein klaren Schnitt hatte sie auch 2012 vor, als sie sich ziemlich aus dem Nichts heraus als Bürgermeisterkandidatin in Schlitz aufstellen ließ. Der Wunsch sei aus der Bevölkerung gekommen, sagte sie einmal in einem Interview mit OL. Hillebrand holte beachtliche 39,6 Prozent. Hans-Jürgen Schäfer, seit 18 Jahren für die CDU im Amt, holte 60,4. „Ich kann nur hoffen, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht über meinen Sieg gefreut hätten!“, sagte sie in dem Interview. Die Wahl war vor sechs Jahren. Greift Hillebrand nochmal an? „Ich bin immer für eine Überraschung gut und mit Ideen, Tatendrang und Durchsetzungsvermögen bin ich hervorragend ausgestattet“, sagt sie lachend.

Zahlreiche Weggefährten und Vertreter verschiedenster Gremien konnte Elisabeth Hillebrand zu ihrer Verabschiedung begrüßen. Foto: Traudi Schlitt

Ob Bürgermeisterin oder nicht, Hillebrand will weiter gestalten. Sie sitzt für die SPD im Kreistag und im Schlitzer Stadtparlament. Auch dort will sie weiter kämpfen. Für ein lebenswertes Leben für Familien – und für die Rechte der Frauen. „Ich erlebe es heute noch, dass Frauen in den Parlamenten stark in der Unterzahl sind und sie Fraktionsvorsitze gehen zu schnell an Männer. Das geht nicht und es geht auch nicht, dass Frauen heutzutage in gleichen Positionen wie Männer weniger Geld bekommen oder immer sie es sind, die Zuhause bei den Kindern bleiben müssen“, sagt sie. Kopfschütteln lehnt sie sich zurück und blickt aus dem Fenster. Da draußen gibt es noch einiges für sie zu tun.

Von Luisa Stock

2 Gedanken zu “Die Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist

  1. @ Chrislissy 21.02.2018 um 8:45 Uhr
    Also ich wäre mit Ihnen ja einig, dass im Vogelsbergkreis ein bisschen zu viel gelobt wird und – das füge ich als meine eigene Beobachtung hinzu – sich häufig die Falschen loben lassen bzw. auch noch selber loben. Und ganz dick unterstreichen würde ich, dass es viele sog. „Geringverdiener“ gibt, deren Lebensleistung es verdient hätte, ebenfalls besonders gewürdigt zu werden. Ich denke da vor allem an die vielen Alleinerziehenden, an Familien der „unteren Mittelschicht“ (Allein dieser Begriff! Klingt wie „unteres Obergeschoss“ für Keller!), die bei doppelter Berufstätigkeit gerade noch sich und die Kinder irgendwie durchbringen, und vor allem an die pflegenden Angehörigen, den größten Pflegedienst Deutschlands, ohne den das gesamte System der Alterssicherung krachend einstürzen würde.
    Aber die Geringschätzung der „unteren Hälfte“ der Bevölkerung in einer Gesellschaft, die von den „sozialen Aufsteigern“ dominiert wird wie keine andere zuvor, ist das eine. Man darf andererseits nicht übersehen, dass eine Schulleiterstelle noch keine hohe Position darstellt. Ich habe ein wenig Einblick in das Bildungswesen. Schulleiterstellen sind Druckposten, wo man für einen relativ geringen Gehaltszuschlag doppelt so viel arbeiten muss wie die Kollegen, die dank kalter Progression fast genau so viel verdienen. Und als Schulleiter kann man einen guten Job machen (scheint hier so gewesen zu sein), oder einfach nur auf der höchsten erreichbaren Besoldungsstufe der Pensionierung entgegen dämmern.
    Was mir viel eher Sorgen bereitet, sind die intransparenten Wege zu solchen „Karrieren“. Die muss man durch langjähriges Herumspezeln in den richtigen Seilschaften von langer Hand vorbereiten. Und ohne das richtige Parteibuch,
    je nach Proporz, läuft ohnehin nichts.

  2. Diese Frau hat für gutes Gehalt nur ihre Arbeit gemacht, wer spricht eigentlich von einfachen Leuten, die für weniger Geld arbeiten und in den Ruhestand gehen. Führ mich ist es keine besondere Leistung,die so gelobt werden muss.

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