50-jähriges Jubiläum für Trägerverein: Kinder schützen, Mütter stärken – Haus am Kirschberg mit „jungen“ KonzeptenHaus am Kirschberg als starkes Stück Vogelsberg
LAUTERBACH (ol). „Respekt und Anerkennung für großartige Leistung“, das gebühre der Arbeit des Trägervereins des Hauses am Kirschberg, sagte Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller in seinen Grußworten zum 50-jährigen Jubiläum des Trägervereins, das im Haus am Kirschberg ausgiebig gefeiert wurde.
Die Kreisstadt profitiere von der in Fachkreisen bundesweit anerkannten Arbeit. Auch würden qualifizierte Arbeitsstellen geschaffen und Menschen in der Region gehalten, so heißt es in der Pressemitteilung des Vereins. Zahlreiche Vertreter aus Politik, Behörden, Institutionen und Vereinen seien zum Gratulieren gekommen, ebenso wie Freunde und Förderer des Hauses. Am vergangenen Freitag reichten die regulären Parkplätze am Kirschberg nicht: Über 100 Gäste und Mitarbeitende des Hauses besuchten den Festakt im ehemaligen Gewächshaus.
Ein Highlight gab es gleich zu Anfang: Einige Kinder aus der Kinderkrippe traten als Feuerwehrleute verkleidet auf und zeigten ein Fingerspiel. Das Publikum sei begeistert gewesen.
Mit viel Humor erzählte dann Bodo Kester, langjähriger Geschäftsführer und nun erster Vorsitzender des Trägervereins, die Geschichte des Hauses. Er sprach vom Mut des Gründerehepaars Krauss, das mit einer großen Briefwerbekampagne Spenden sammelte. So wurde der Grundstock zum Erwerb des ehemaligen Hotels gelegt. Die Anfangszeit sei nicht einfach gewesen, auch weil das Konzept, minderjährige Mütter und Kinder nicht zu trennen, noch nicht etabliert gewesen sei.
Doch im Laufe der Jahre stieg die Akzeptanz und es entstanden neue Angebote von „innen heraus“. Die Mädchengruppe wurde gegründet, später auch die Pädagogisch Therapeutische Intensivgruppe.
Respekt, Zuverlässigkeit und Kontinuität als Werte der Erziehung
Hilfe für die Mütter bedeutete auch, ihnen eine Perspektive zu geben, auf eigenen Beinen zu stehen. So wurde viel Wert gelegt auf einen Schulabschluss und auch eine Ausbildung, zeitweise werden junge Menschen in verschiedenen Berufen am Kirschberg selbst ausgebildet. „Erziehung braucht Werte“, sagte Kester und präzisierte: Respekt, Zuverlässigkeit, Konsequenz, Konstanz, klare Grenzen, Kompromissfähigkeit und Kontinuität, dies seien wesentliche Elemente der pädagogischen Arbeit.
Er betonte auch die Bedeutung der Vernetzung, die im Vogelsbergkreis hervorragend funktioniere. Oft sei der Anstoss zur Kooperation vom Haus am Kirschberg gekommen.
Gerhild Hoos-Jacob, die pädagogische Leitung, ging besonders auf die im Januar 2016 gestartete Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Ausländer ein und erklärte, wie die Integration dieser jungen Menschen, die durch Krieg und Fluchterlebnisse schwer belastet seien, gelingen könne und konnte. Zudem berichtete Hoos-Jacob über die sozialräumliche Ausrichtung der Arbeit für junge Menschen generell. Prävention sei wichtig und müsse schon in Kindertagesstätten und Schulen ansetzen.
Heute gehe die Arbeit weg von der reinen Betreuung hin zu Beratung und Unterstützung. Ziel sei die positive Veränderung der Lebenswelten von Ratsuchenden. Dazu wurde auch das Projekt „Hilfen unter einem Dach“ ins Leben gerufen.
Neustes Projekt: Die Clearingstelle
Henner Conrad, ebenfalls in der pädagogischen Leitung, stellte das neuste Projekt des Hauses vor. Die Clearingstelle arbeitet mit Müttern und auch Vätern im Alter von 17 bis 35 Jahren, die Eltern von Säuglingen sind. In drei Monaten werden bei akuter Kindeswohlgefährdung die Erziehungsfähigkeit und die Ressourcen der Eltern überprüft, um die Jugendämter konkret zu unterstützen. Zudem werde ein Maßnahmenkatalog erstellt.
Das Projekt laufe trotz anfänglicher Skepsis sehr gut an und die Plätze seien ausgebucht. Auch Staatssekretär Jo Dreiseitel überbrachte die Grüße der hessischen Landesregierung. In fünf Jahrzehnten habe eine gewaltige, gesellschaftliche Entwicklung stattgefunden. Präventivkonzepte müssten sich auf diese veränderten Verhältnisse einstellen. Das Haus am Kirschberg habe dazu immer wieder innovativ gearbeitet.
In seinen Grußworten betonte Landrat Manfred Görig die „verlässliche Partnerschaft“ zum Haus am Kirschberg. Er freue sich auf die gemeinsame Entwicklung in der Zukunft, besonders in Hinblick auf ein sozialräumliches Konzept für den Vogelsbergkreis. Birgit Kömpel hingegen sprach das Frauenbild in der Gesellschaft an. Gerade die Stellung von alleinerziehenden Müttern habe sich in der Gesellschaft extrem gewandelt. Auch dazu habe der Verein seinen Beitrag geleistet. Anschließend übergab sie eine Spende.
Brand: Haus am Kirschberg als starkes Stück Vogelsberg
Der MdB Michael Brand, brachte neben einer Geldspende ein Stück Berliner Mauer mit. Sie sei sinnbildlich für Veränderungen und dafür, was Menschen bewegen könnten. Das Haus am Kirschberg sei ein „starkes Stück Vogelsberg“, und Bodo Kester habe ein echtes Lebenswerk geschaffen. Marek Körner, Fachreferent Kinder- und Jugendhilfe vom hessischen Landesverband Der Paritätische in Frankfurt, kehrte besonders die „wirkungsvolle Pädagogik“ – auf die es ja ankomme – des Kirschbergs hervor. Viele Fachbegriffe, aber auch Gesetze bis hin in den Bundestag, wären von hier beeinflusst.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von einem Quartett aus Lehrkräften und einer Mitarbeiterin der Lauterbacher Musikschule. Es spielten Christine Eisler (Saxophon), Michael Jakob (Kontrabass), Berthold Möller (Drums) und Rolf Jacob (Gitarre). Tobis Hoffmann, Geschäftsführer des Trägervereins Hilfe für das verlassene KIND e.V., moderierte den Festakt und überreichte den Rednern im Anschluss jeweils eine der 50 Sonnenblumen, die die Bühne schmückten.
Ein leckeres Lunchbüffet erwartete die Gäste anschließend. Außerdem konnten das Haus und der Neubau mit der Wohngruppe für minderjährige Ausländer und der Stationären Clearingstelle besichtigt werden.
Weitere Eindrücke der Jubiläumsfeier:
Alle Fotos: ag/hfdkv
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