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Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble auf Wahlkampftour in Lauterbach„Regieren ist ein Rendevouz mit der Realität“

LAUTERBACH (lrn). Vor überwiegend CDU-nahem Publikum eröffnete Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble am späten Donnerstagnachmittag in der vollbesetzten Aula der Sparkasse Oberhessen genau einen Monat vor der Bundestagswahl die heisse Phase des Wahlkampfs im Vogelsbergkreis. Der Gast aus Berlin streifte dabei viele Kapitel der deutschen und internationalen Politik und zog eine Bilanz der von Kanzlerin Merkel geführten Bundesregierung.

Danach stellte er sich Fragen aus dem Publikum. Die CDU-Veranstaltung war begleitet von scharfen Einlasskontrollen und einem großen Medienauflauf. Auf dem Podium saßen neben dem Bundesfinanzminister CDU-Kreisvorsitzende Dr. Jens Mischak, der einladende Bundestagsabgeordnete Michael Brand (Wahlkreis Fulda/Lauterbach) und Kreisststadt-Bürgermeister Rainer-Hans Völlmöller. Unter den Zuhörern befanden sich zahlreiche CDU-Mandatsträger, Bürgermeister, Vertreter von Wirtschaft und der heimischen Bankenwelt, aber auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veith (Wahlkreis Giessen/Alsfeld). Schäuble nahm sich für seinen Auftritt in der Kreisstadt fast zwei Stunden Zeit, bevor er dann zu einer weiteren Wahlkampfrede nach Marburg aufbrach.

Zu Beginn sagte MdB Michael Brand, auf dessen Einladung der Bundesfinanzminister in den Vogelsberg gekommen war, Schäuble sei „einer der stärksten Minister im Kabinett Merkels“. Er lobte die Durchsetzungsstärke Deutschlands in Europa und die Rolle Schäubles, welche er beim Einheitsvertrag gespielt habe. „Wir sind in einem starken Stück Deutschland“, erklärte Brand, „denn die Region Vogelsberg hat sich hochgearbeitet“. Er verwies auf die geringe Arbeitslosenquote, die Investition des Bundes in die Lauterbacher Adolf-Spieß-Halle mit fast zwei Millionen und die wichtige Bedeutung der Region. An wesentlichen Errungenschaften nannte Brand den Breitbandausbau, den Ausbau der ICE-Strecke Fulda-Frankfurt und den Aufbau der neuen Anti-Terror-Einheit bei der Bundespolizei in Hünfeld. „Es wird viel geleistet für Deutschland aus der Region“ beschloss er seine Bilanz. Mit den Worten „Regieren ist ein Rendevouz mit der Realität“ beendete er seine kurze Rede.

Etwas über 300 Zuhörer lauschten und applaudierten den Ausführungen von Minister Dr. Wolfgang Schäuble. Fotos: lrn

„Dem Land geht es ziemlich gut“

„Es geht unserem Lande ziemlich gut“, unter diesen Tenor stellte Schäuble seine Ausführungen zu verschiedenen Feldern der deutschen Politik, deren Erfolg er im wesentlichen in der von der CDU-geführten Bundesregierung sehe. Als Voraussetzungen dafür sah er den Erhalt von Frieden und Freiheit in der deutschen Einheit und verbindlichen Partnern in einer europäischen Einigung. Das stabile Umfeld führe nach Ansicht des Bundesministers dazu, „dass es dem Land ziemlich gut gehe“. Allerdings räumte der Bundespolitiker auch eine große Gefahrenlage mitten unter uns ein. Es gelte, mit Sicherheitsvorschriften den besonderen Herausforderungen und der Bedrohung Herr zu werden. Allerdings plädierte Schäuble gleichzeitig im eigenen Land für ein „Grundklima der Friedlichkeit, Toleranz und Offenheit“. Seine Schlussfolgerung: „Wir werden uns in den nächsten Jahren mit der Stabilisierung der Welt beschäftigen müssen“. Über den US-Präsidenten und auch über den türkischen Staatschef sollte man nach Ansicht des CDU-Ministers „nicht zu viel sagen“. Man solle nicht „auf jeden Blödsinn reagieren“.

Sein Wunsch „auf eine Dummheit nicht noch eine größere draufzusetzen“ begründete er auch mit der Bündnisrolle der USA. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, bekundete der CDU-Politiker allerdings auch mit Nachdruck, „es gelte, ein Stück auszuhalten“. In der Flüchtlingsfrage meinte der Minister, Deutschland könne dieses Problem nicht alleine meistern. Er will die europäischen Außengrenzen besser gesichert haben, “damit wir wissen, wer kommt“ – „Nicht die Schleuser bestimmen, sondern wir“. In Richtung Türkei sagte der Minister: „An einer Zusammenarbeit mit der Türkei haben wir weiter Interesse“. Er verteidigte es auch, dass der westliche Balkan zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurde. „Die nicht politisch verfolgt werden, müssen zur Not auch zurückgeschickt werden“, so die Schlussfolgerung des Ministers.

Podium der CDU-Wahlkampfveranstaltung in der vollbesetzten Aula der Sparkasse Oberhessen, v.l.n.r. CDU-Kreisvorsitzender Dr. Jens Mischak, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, Bundestagsabgrodneter Michael Brand und Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller (alle CDU).

„Wir setzen die richtigen Rahmenbedingungen“

Der Finanzminister sah eine Menge Gründe, weshalb die Steuern nicht gesenkt werden. Dies lege mit einer verlässlichen und nachhaltigen Steuerpolitik. Er sehe darin auch die Voraussetzung für die wirtschaftlich gute Entwicklung im Lande. „Wir sind über die Finanz- und Wirtschaftskrise besser hinweggekommen als andere“ – diesen Erfolg begründete er mit seiner eigenen Finanzpolitik. Schäuble betonte, dass die CDU eine verlässliche Steuerpolitik führe. Keine neuen Schulden mehr zu machen und keine Steuern zu erhöhen seien dabei Eckpfeiler ihrer Politik. Daraus resultierten für ihn Lohnsteigerungen, eine Rentensteigerung und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Den Erfolg begründete er mit dem Hinweis: “Wir setzen die richtigen Rahmenbedingungen“. Es sei Vorsorge in guten Zeiten geleistet worden, um die Aufgaben zu lösen. Schäuble plädierte eindrücklich noch mehr Investitionen in die Forschung in der Zukunft. Den Mittelstand will der Finanzminister von bürokratischen Hürden befreien, sein Appell auch: „Wir brauchen weiter eine leistungsfähige Autoindustrie“. In Verbindung zu einem Trend zu mehr Elektromobilität verband er den Wunsch, „noch mehr in Forschung, Bildung und Investition investieren zu wollen“.

In die Richtung seines SPD-Kollegen Rüdiger Veith meinte der Finanzminister: „Wir sind menschlich immer gut miteinander ausgekommen“. Bis auf ein paar kleine rhetorische Spitzen ging kaum Kritik in Richtung der SPD. Dies wohl auch angesichts der Tatsache, dass nach der Wahl die CDU möglicherweise wieder nicht ohne Partner regieren kann.

Einen großen Geschenkkorb gab es für den Finanzminister. Alle Fotos: Irn

„Wir können es schaffen“

Dem Minister nach sei Deutschland in einer guten Verfassung, solange Merkel Kanzlerin sei. Als Blödsinn bezeichnete er die Forderung nach einer Vermögenssteuer, Kapital wäre flüchtig. Seiner Meinung schwäche es die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und könne somit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Schäuble will künftig Familie und Beruf noch enger miteinander verbinden und Kindergeld und Baukindergeld erhöhen. Wichtig ist es für den Minister auch, „das Grundgefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken“, das mit Abstand Wichtigste ist für den Minister die Familie. Schäuble sieht ebenso wie Obama keinen Grund, Angst vor der Zukunft zu haben. „Wir können es schaffen“, so sein Credo. Im Ausruhen sehe Schäuble jedoch auch eine Gefahr. „Die Welt um uns ist schwierig“, gestand der CDU-Politiker ein. Es sei wichtig, „für andere Verantwortung zu übernehmen“. Wenn es Europa nicht gutgehe, gehe es den Deutschen auch nicht gut. Er schlussfolgerte: „Wenn es Afrika nicht gutgeht, haben wir in Europa keine gute Zukunft“. Vorsichtig äußerte er auch seinen Wunsch, dass die EZB aus der derzeitigen Geldpolitik aussteigen solle, „lieber früher als später“.

Eine themenorientierte Wahlrede. Neuigkeiten gab es darin wenig – eher Bekanntes. Mit Kritik am Koalitionspartner SPD sparte Minister Schäuble wohl bewusst. Bepackt mit Wurst-  und Bierspezialitäten aus Lauterbach reiste der Bundefinanzminister nach fast zwei Stunden Wahlkampfauftritt weiter in den Nachbarkreis Marburg-Biedenkopf, nicht ohne sich vorher bei Professor Dr. Helfenbein für dessen großes verbales Lob zu bedanken: „Ich höre Lob lieber als Kritik“.

Weitere Eindrücke des Besuchs:

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