Eine Schülergruppe aus Bosnien-Herzegowina zu Gast bei ASS-SchülernDas Attentat als verbindendes Thema der Geschichte
ALSFELD (ol). Neue Brücken zwischen Mitteleuropa und dem Balkan, zwischen Jugendlichen aus Deutschland und aus Bosnien-Herzegowina zu bauen, ist das erklärte Ziel des neuen Schüleraustauschprogramms „Latinska Ćuprija – Lateinische Brücke“, das die Jugendorganisation „Schüler Helfen Leben“ (SHL) und die Deutsche Botschaft Sarajevo ins Leben gerufen haben. Auch die Albert-Schweitzer-Schule beteiligte sich jüngst an diesem Projekt und hatte im Mai eine Abordnung aus 13 Schülerinnen und Schülern mit ihren Deutschlehrern Herrn Milošević und Frau Pavićević in Alsfeld zu Gast.
Vor 100 Jahren gab es in Sarajewo das Attentat auf das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar. Dieses Ereignis in der heutigen Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas gilt als ein Auslöser des Ersten Weltkrieges 1914. Das war für den Koordinator des Austauschs, den Lehrer Michael Baurhenne-Baumarth, Anlass, einen der beiden Geschichtsleistungskurse der ASS in die Gestaltung des Programms einzubeziehen.
Man hatte sich für die Gäste einiges einfallen lassen: Neben dem Kennenlernen der Schule und auch der Stadt Alsfeld bei einer Stadtführung sowie dem Besuch von Veranstaltungen der Alsfelder Kulturtage stand auch die Erkundung der Region auf dem Programm: mit einer Wanderung im Hohen Vogelsberg, einer Radtour nach Romrod oder auch einem Ausflug nach Fulda. Das historische Kleinprojekt zum Ersten Weltkrieg wie auch gemeinsame sportliche Aktivitäten boten dabei eine gute Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte, sich kennenzulernen
Geschichts-Leistungskurs auf dem Friedhof
Los ging es am Montag: Da trafen sich die neun Mädchen und vier Jungen der Besuchsgruppe im Alter von 16 und 17 Jahren sowie ihre Deutschlehrer im Foyer mit den Schülerinnen und Schülern des Geschichts-Leistungskurses unter der Leitung von Deutsch- und Geschichtslehrer Michael Rudolf. Begleitet wurden sie dabei auch von Referendarin Cathrina Kristen, die seit einigen Wochen dem Unterricht des Kurses beiwohnt.
Gemeinsam machte sich die Gruppe auf den Weg durch die Innenstadt zum Alsfelder Friedhof, wo sie der Lokalhistoriker Heinrich Dittmar zu einem interessanten Vortrag empfang: In der Kapelle machte er die Gedenkformen der Deutschen und insbesondere der Alsfelder Bürger an den Ersten Weltkrieg und seine Gefallenen zum Thema und bettete dies in persönliche Erinnerungen an das Leben seiner Familie und seine eigenen abenteuerlichen Nachforschungen auf den Friedhöfen in Frankreich ein.
Dabei erhielten die Schüler nicht nur einen Einblick in die Bewältigungsstrategien der Alsfelder, die letztlich nach vielen Diskussionen um ein Denkmal Tafeln mit den Namen der Gefallenen in der Kapelle auf dem Friedhof anbrachten, sondern erfuhren auch hautnah den Antrieb Dittmars, die Erinnerung an den Ersten, wie auch den Zweiten Weltkrieg wachzuhalten und die Geschichte vor dem Vergessen zu bewahren.
Die Behandlung des Ersten Weltkrieges in deutschen Schulen im Vergleich zu jenen in Bosnien-Herzegowina war dann Thema eines Austauschs anschließend in der Schule. Eine Hürde stellte dabei die Sprache dar: Ein solch schwieriges Thema wie den Beginn des Ersten Weltkrieges und eine mögliche Schuldfrage allein in der Muttersprache zu diskutieren, stellt hohe Anforderungen an alle Teilnehmer – dies jedoch auf Englisch zu tun, erwies sich für alle als größere Barriere als gedacht. Um die Annäherung untereinander zu erleichtern, regten die Lehrer deshalb einen Austausch in kleineren Grüppchen an: die Jugendlichen bekamen so die Möglichkeit, sich angeregt über ihr Leben, Hobbies und Interessen als auch die Spezifika der Schule ihrer Länder auszutauschen.
Währenddessen ergriff auch Schulleiterin Elisabeth Hillebrand die Gelegenheit, die Gäste an der Schule und in Alsfeld zu begrüßen und ihre Freude über die neu zu Stande gekommene Partnerschaft zum Ausdruck zu bringen.
Dass Bosnien-Herzegowina im Südosten Europas noch mehr zu bieten hat, als „nur“ Schauplatz der europäischen Geschichte zu sein, davon wird sich die Abordnung der ASS bei ihrem Gegenbesuch im Herbst am Gymnasium Jovan Dučić in Trebinje, welches im äußersten Süden des Landes liegt, überzeugen können – denn obwohl das Land, das sich 1992 für unabhängig erklärte, noch heute mit den wirtschaftlichen und politischen Folgen des darauf folgenden Krieges zu kämpfen hat, ist es doch seit Jahrhunderten Treffpunkt unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Nicht zuletzt begeistert die Natur Bosnien-Herzegowinas: Landschaften mit Bergen, Schluchten, Flüssen und Seen bieten Abwechslung vom Geschichts- und Kulturprogramm, das auf die Alsfelder dort warten wird.
Von Cathrina Kristen
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