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INTERVIEW über die wachsende Gefahr und GegenmaßnahmenWo der Vogelsberger Wald am schnellsten brennen könnte

ForstForsrtVOGELSBERGKREIS – Wochenlang dauerte die Trockenheit, und dann passierte es prompt:  Ein Waldbrand zerstörte Anfang April bei Wallenrod drei Hektar Waldfläche. Feuerwehrleute und Landwirte brauchten Stunden, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Das könnte erst der Anfang sein, denn zunehmende Trockenheit befördert die Waldbrandgefahr. Wo die größte Waldbrandgefahr droht, und was dagegen unternommen wird, erklärt im Gespräch Annelie Groß als Leiterin des Forstamts Romrod.Sie ist besorgt.

Das Forstamt Romrod deckt rund die Hälfte des Vogelsberkreises ab und enthält gut 18.000 Hektar Wald in zehn Revierförstereien  zwischen Homberg/Ohm und Grebenau sowie Bernsburg und Lauterbach. Privatwälder vergrößern die Waldflächen noch. Forstamtsleiterin Annelie Groß gibt Einblicke.

Sorgt sich wegen der Trockenheit: Forstamtsleiterin Annelie Bloß. Foto: privat

Es gab im Frühjahr 2025 viel weniger Regen

Frage: Alles spricht von Trockenheit und Waldbrandgefahr in diesem Frühjahr. Wie sieht es denn in Ihrem Forstamt aus? 

Bloß: Es wurde Regen angekündigt, und wir sind voller Hoffnung, dass der kommt, weil es bisher viel zu mild und trocken gewesen ist. Nimmt man mal die Niederschläge von Januar bis April, dann kommen wir bisher auf 140 Millimeter Niederschlag im Bereich Alsfeld. Im Jahr 2024 waren wir in der Zeit bereits bei 230 Millimeter. Auch wenn es jetzt Regen kommen soll, gehe ich nicht davon aus, dass wir das Regen-Defizit noch aufholen.

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– Oberhessen-live berichtete über den Waldbrand bei Wallenrod

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Mehr Brände in Wäldern erwartet

Frage: Die Besorgnis wegen der Waldbrandgefahr ist also nicht falsch, obwohl der Vogelsberg bislang wenig mit Waldbränden zu tun hatte – zum Glück.

Bloß: Zum Glück, ja. Aber wir gehen davon aus, dass wir in der Hinsicht in diesem Jahr mehr zu tun haben werden. Bisher waren die Brände in den letzten Jahren meist Kleinflächig im frequentierten Bereich z.B. der Autobahn, wenn im Stau vielleicht die Zigarettenkippe gerne mal in die Böschung geworden wurde. Für dieses Jahr gehen wir aber davon aus, dass es mehr Brände in den Beständen geben könnte.

Frage: Das Forstamt Romrod ist ja ziemlich groß. Was für Wald herrscht bei Ihnen vor? Mehr Nadel-, mehr Laub- oder mehr Mischwald?

Der Laubholzanteil im Forstamt Romrod liegt bei über 50 Prozent. Prägende Baumart ist die Buche mit 37 Prozent, welche in den Beständen meist mit Edellaubholz z.B. Ahorn oder Fichten gemischt ist. Im Osten des Forstamtes im Bereich Grebenau und Schwarz haben wir eher Nadelholzbeständemeist mit Kiefer, Fichte und Lärche. 

Der Vogelsberger Wald leidet unter Trockenheit

Und wie geht es dem Wald im Forstamt Romrod?

Schlecht. Der Wald leidet unter dem Wassermangel der letzten Jahre. Besonders seit 2018 sind die Jahre zu trocken und die Sommer zu warm, und davon hat der Wald sich nicht erholt. Der große Profiteur davon war der Borkenkäfer. Da wo die Fichten unter dem Wassermangel gedarbt haben, hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel, die Bäume anzubohren, sich da anzusiedeln und zu vermehren.

Was ist denn mit den Kyrill-Schäden? Der Sturm hatte 2007 große Lücken in den Vogelsberger Wald geschlagen. Wächst es dort wieder?

Zum Glück ja. Durch Pflanzung und Naturverjüngung gibt es dort  mittlerweile wieder richtige Waldbestände, in denen wir  jetzt in die Läuterung gehen, also erste Pflegemaßnahmen vornehmen. 

Ich könnte mir vorstellen, dass Sie in der nächsten Trockenperiode besorgt aus dem Fenster schauen. Ab wann sind Sie wegen der Trockenheit alarmiert, weil konkret Waldbrände drohen?

Ich würde sagen: Nervös sind wir schon seit Anfang März, als auffiel, dass die Niederschläge über den Winter fehlen und es die ersten warmen Tage gab, dazu viel Wind. Der Oberboden trocknete mehr und mehr aus, dazu kam der Laubfall noch aus dem Herbst statt grüner, feuchter Vegetation. Das hat uns alarmiert.

Besonders gefährdet: Flächen in Menschennähe

Welche Regionen im Forstamt Romrod sind besonders anfällig für mögliche Waldbrände?

Anfällig sind zunächst einmal Regionen, in denen viele Menschen sind, etwa nahe der Autobahn oder entlang von Wanderwegen, an Grillplätzen und Radwegen. Dazu kommen unsere stellenweise stark vergrasten Kulturflächen. Die brennen wie verrückt. Durch die gut nährstoffversorgten Böden kommt sofort Gras, wenn eine Freifläche entsteht. Das stirbt über den Winter ab und bleibt als trockenes Heu zurück – das ist natürlich ein großes Brandrisiko.

Welche Waldzusammensetzung ist denn am gefährdetsten?

Im Falle von Waldbränden sind besonders Nadelbestände durch den Harzanteil besonders brandwillig. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass gerade Reinbestände besonders gefährdet für Kalamitäten sind. Fällt eine Baumart aus entstehen direkt große Freiflächen mit allen damit einhergehenden Herausforderungen. Deswegen wollen wir  beim Waldumbau hin zu Mischbeständen mit vielen Baumarten auf der Fläche, so dass der Ausfall einer Baumart sich nicht so groß auswirkt.

Waldbrand im FA Romrod bei Lauterbach
im April 2025, Foto: HessenForst, Stefan Weißgerber

Übungen mit den Freiwilligen Feuerwehren

Wenn es so trocken wird? Gibt es besondere Maßnahmen, die Waldbränden entgegenwirken sollen, etwa durch Früherkennung? Gibt es eine besondere Wald-Beobachtung?

Nein, eine solche Waldbeobachtung gibt es im Vogelsberg nicht, aber anderswo in Deutschland durchaus. In Brandenburg etwa, wo es große Kiefernbestände gibt, hat man große Feuerwachtürme aufgestellt, von denen man schaut, ob irgendwo Rauch aufsteigt. Wir hier müssen darauf setzen, dass die Bevölkerung ein Auge auf den Wald hat.

Ein Waldbrand ist ja ein bislang ungewöhnliches Szenario für die Brandbekämpfung. Gibt es schon Übungen mit den Freiwilligen Feuerwehren im Wald?

Ja. Das machen wir jedes Jahr mit unterschiedlichen Ortsfeuerwehren Ziel ist  sich kennenzulernen und mögliche Löschwasserentnahmestellen zu kennen. Letzteres wird in trockenen Jahr natürlich auch immer schwieriger. Die Feuerwehrleute lernen zudem, was ihr Gefährt im Wald kann und wo die Grenzen sind.

Brände sind dieses Jahr zu erwarten

Wird es in diesem Jahr Waldbrände geben?

Ja, davon ist auszugehen. Vergangene Woche hat es ja im Stadtwald von Lauterbach schon gebrannt. Betroffen waren drei Hektar, das war schon ein richtig großer Brand. Das war ein Warnsignal!

Im Harz hat es vergangenes Jahr große Brände gegeben, und dabei, so schien mir, tat sich ein Konflikt auf: zwischen Naturfreunden, die seit langem predigen, dass Totholz im Wald bleiben soll, weil es im Urwald Lebensraum für viele Tierarten ist, und den Brandbekämpfern, die Totholz beseitigt sehen wollen, weil es Futter für Brände ist. Wie hält man das in Ihrem Forstamt?

Wir haben uns hier auf den goldenen Mittelweg geeinigt: dass wir Laubtotholz im Wald belassen, insbesondere von Buchen, aber bei absterbenen Fichtenbeständen das Totholz entnehmen, damit sich nicht große Mengen von stehendem Totholz entwickeln. 

Förster denken in Generationen und weit voraus. Das tun wir jetzt auch: Wie soll der Vogelsberger Wald im Jahr 2100 aussehen?

Hoffentlich enthält er viele, viele unterschiedliche Mischbaumarten, viele wasserführende Gräben und Teiche. Ich stelle mir da ein rundes Bild vor von Wasser, vielfältigen Waldbeständen – und zufriedenen Mitarbeitern im Forstamt. 

von Axel Pries

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