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Skulpturen von Siegfried Modra in den Kirchen des Kirchspiels BernsburgWechselwirkung von Kunst und Kirche

WAHLEN/BERNSBURG/GLEIMENHAIN (ol). Unter dem Motto „Kunst trifft Kirche“ präsentiert der Künstler Siegfried Modra seine Mooreichen-Skulpturen in den Kirchen des Kirchspiels Bernsburg. Thematische Gottesdienste führen Kunst und Kirche zusammen und laden Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken über Familie, Alter und Frieden ein.

Familie – Fürsorge – Frieden – Worte, die zahllose Facetten haben und völlig unterschiedliche Gefühle und Assoziationen wecken. So spielt Familie in allen Kulturen und fast allen Zusammenhängen eine Rolle, und es wundert nicht, dass sowohl die Kunst als auch die Bibel voll von Familiengeschichten und Auseinandersetzungen mit dem Thema Familie sind.

Unter dem Motto „Kunst trifft Kirche“ kommen diese Bereiche nun zusammen: Der in Alsfeld lebende Künstler Siegfried Modra stellt zu den Themen „Familie“, „Alter und Fürsorge“ und „Gewalt und Frieden“ jeweils zwei seiner Mooreichen-Skulpturen in den Kirchen in Wahlen, Bernsburg und Gleimenhain aus. Im Rahmen eines thematischen Gottesdienstes wird er im Austausch mit Pfarrer Frank Hammel über die interpretierten Aspekte der einzelnen Motive sprechen und die Besucherinnen und Besucher zum Weiterdenken einladen, das berichtet das Evangelische Dekanat Vogelsberg in einer Pressemitteilung.

Der erste Gottesdienst zum Thema Familie in Wahlen hat bereits stattgefunden. Vor wenigen Tagen brachte Modra die Skulpturen „Im Kokon“ und „Moderne Dreisamkeit“ in die dortige Kirche – das Angebot stieß auf großes Interesse, die Fragestellung ebenfalls: „Familie – was ist das eigentlich im Jahr 2025?“, fragte Pfarrer Hammel die Gäste und ergänzte: „Es hat sich viel verändert. Warum gibt es Familie? Welche Bedeutung hat sie?“

In seiner Ansprache ging Hammel auf die Familien in der Bibel ein – sein Fazit: Dass Eltern für ihre Kinder einstehen und umgekehrt, dass Menschen – in welchen Beziehungen auch immer – füreinander Verantwortung übernehmen, ist ein zutiefst christliches Menschenbild. „Der Mensch braucht Gemeinschaft.“ Die Familie lege als erstes soziales Netzwerk den Samen für den Umgang miteinander. Sie sei darüber hinaus stets im Wechselspiel mit der Gesellschaft. Die Folge dessen könne Krieg oder Frieden sein.

Diesen Fragen ging zunächst auch Siegfried Modra nach. Der aus Dresden stammende Künstler fertigt seine Skulpturen aus dem Holz der Mooreiche, zufällig gefundene Stücke von Eichenbäumen, Jahrtausende alt, im Moor versunken und geborgen. Die Mooreiche ist schwarz und hat viele Schattierungen. Schon allein mit diesen Eigenschaften ist sie prädestiniert für Kunst über die großen Fragen der Menschen, ihr Wollen und Wirken, ihre Unzulänglichkeiten. Modra bearbeitet sie stets so, dass man ihre Risse, das Rohe noch sieht, aber auch seine Bearbeitungsschritte werden deutlich.

Foto: T. Schlitt

Seine Skulptur „Im Kokon“ zeigte viele Facetten des Mikrokosmos Familie: einen aggressiven Vater auf der einen Seite, einen Schutzmantel um das Kind, Geborgenheit und Schutz auf der anderen Seite. Die Frage stelle sich, wann es Zeit werde, das Kind loszulassen, ihm ein eigenes Leben zuzutrauen, so Modra, der die Gefühle in der Familie zu diesen Themen als so zerrissen wie Holzstruktur auf der Rückseite der Skulptur interpretierte. Aus kirchlicher Sicht, fügte Pfarrer Hammel hinzu, könnten Eltern ihre getauften Kinder guten Gewissens loslassen: „Gott ist bei diesen Kindern und bleibt es.“ Die zweite Skulptur „Moderne Dreisamkeit“ beschäftigte sich mit Partnerschaften auf Zeit, mit Patchwork-Familien, mit Konflikten und Chancen. Modra spielt dabei auch mit Klischees, u. a. dem weiblichen Streben nach Schönheit. In den Wünschen von Partnern, sich unabhängig vom anderen zu verwirklichen, sieht er eine Gefahr für die Beziehung, die einem Kind – wessen Kind auch immer – Geborgenheit geben kann. Diese Darstellung führte zu lebhaften Diskussionen unter den Gästen, nicht zuletzt ging es auch darum, wie viel Druck von außen Menschen und ihre Beziehungen heute ausgesetzt sind.

Dieser besondere und thematische Gottesdienst bestach durch die Dynamik, mit der die Skulpturen und die ersten Impulse von Künstler und Pfarrer zum Nachdenken und zum Austausch anregten. Dies wird auch in den folgenden beiden Veranstaltungen von „Kunst trifft Kirche“ gut funktionieren. Diese finden statt am kommenden Sonntag, 30. März, um 14:30 Uhr in der Kirche in Bernsburg (Thema „Alter und Fürsorge“) und am Sonntag, 13. April, um 10:30 Uhr in Gleimeinhain (Thema „Gewalt und Frieden“). Vor jedem Gottesdienst ist die Kirche eine halbe Stunde früher geöffnet; im Anschluss gibt es Gelegenheit zum Austausch. Weitere Informationen zu zusätzlichen Angeboten findet man unter https://evangelischekirche-angleenundantrift.ekhn.de/.

Foto: T. Schlitt

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