Landwirtschaft, Ernährung, UmweltGroße Resonanz beim Politischen Stammtisch des Evangelischen Dekanats
ALSFELD/LAUTERBACH (ol). Beim Politischen Stammtisch des Evangelischen Dekanats diskutierten Landwirte, Vertreter politischer Parteien und Bürger über die Herausforderungen in der Landwirtschaft, insbesondere Bürokratie und nachhaltige Entwicklung. Unter reger Beteiligung tauschten die Teilnehmer Ansichten zu Fördermaßnahmen, Ernährungswirtschaft und ländlichen Bedürfnissen aus. Besonders betont wurde die Wichtigkeit einer respektvollen Gesprächskultur und der aktiven politischen Teilnahme.
Sie hatten breit eingeladen und viele Interessierte waren der Einladung von Holger Schäddel und Carolin Braatz gefolgt. Der „Politische Stammtisch zur Bundestagswahl“ sollte ein Stammtisch im besten Sinne sein, ein Begegnungsort, eine Austauschplattform. Und genau das war er: Die Gäste nahmen, wie sie kamen, an einem der runden Tische im vollbesetzten Saal des Posthotel Johannesberg Platz, unter ihnen auch Vertreter der politischen Parteien, heißt es in einer Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats Vogelsberg.
Carolin Braatz, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat, sagte zur Motivation für die Veranstaltung mit dem Schwerpunkt „Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“, dass gerade Menschen auf dem Land von den Politkern zu wenig gehört würden. Um das zu ändern, begrüßte Holger Schäddel von der Erwachsenenarbeit im Dekanat auf dem Podium vier Gäste, die allesamt viel zu sagen hatten: Als erstes stellte sich Volker Lein vor. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes betreibt mit seiner Familie und einigen Angestellten einen Bauernhof in Homberg-Bleidenrod. Seinen Beruf sieht er so: „Nicht auf Romantik reduzieren – es ist auch Wirtschaft“. Moritz Schäfer, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, bewirtschaftet einen Demeter-Hof in Schwalmtal-Hopfgarten. Er möchte „als Landwirt etwas Gutes für die Umwelt tun.“ Evelyn Etling ist Landwirtin aus Lauterbach-Maar und Vorsitzende des Vereins für landwirtschaftliche Fortbildung. Sie bekräftige: „Landwirtschaft ist Leidenschaft.“ Zu guter Letzt stellte sich Leni Steinmüller als jüngste Person auf dem Podium vor. Sie ist Vorsitzende des Stadtjugendparlaments und hätte zum ersten Mal wählen dürfen, wenn die Bundestagswahl regulär im September stattgefunden hätte. Dennoch ist sie politisch auf dem Laufenden und freute sich wie die anderen über die Teilnahme an der Runde.
Die Landwirte berichteten von dem eklatanten Wandel, den die Landwirtschaft durchlaufen habe und den man allen Dörfern deutlich ansehe. Bei allen Bäuerinnen und Bauern drehe sich alljährlich der Betonmischer auf dem Hof, weil es permanent zu bauen oder zu erneuern gebe. Alle drei haben unterschiedliche Hintergründe: Bei Volker Leins Betrieb handelte es sich stets um einen Familienbetrieb, Moritz Schäfer hat seinen Hof als Existenzgründer unternommen und Evelyn Etling hat eingeheiratet und den Hof dann erst wieder zu einem Vollerwerbsbetrieb gemacht. Was sie eint, ist die Leidenschaft für ihren Beruf und die Freude daran, darüber zu sprechen, insbesondere auch junge Menschen zu informieren und vielleicht auch zu begeistern. Ebenfalls bewirtschaften alle ihre Höfe mit erneuerbarer Energie. Die Fast-Neuwählerin berichtete indes von ihren Erfahrungen auf dem politischen Bankett, unter anderem von einem Besuch im Landtag. Gleichzeitig lauschte sie sehr interessiert den Landwirten, auch später in den Stammtischrunden.
Holger Schäddel hatte verschiedene Themenblöcke und Zitate aus den Parteiprogrammen herausgesucht. Zunächst wurde das Thema Förderung kontrovers diskutiert: Dass zu viel Bürokratie allen das Leben schwermache, war Konsens – doch was tun: Ist die Kontrolle gerechtfertigt, wenn viel Geld aus der öffentlichen Hand in die Landwirtschaft fließt oder zeugt diese Kontrolle von Misstrauen gegen die Landwirte, die sich oft gegängelt fühlen? Nachhaltige Tierhaltung könne man kaum umsetzen, da die vorgegebenen Standards viel zu schnell wechselten und es für die durchaus willigen Landwirte überhaupt keine Planungssicherheit gebe, war zu hören. „Zu wenige tun, zu viele kontrollieren.“ Das gab Applaus. Mit Blick auf die Ernährungssicherheit war man sich einig, dass man ein solch bedeutendes Feld, das Grundrechte berühre, nicht der Marktwirtschaft überlassen dürfe: Dann litten Qualität, Tierschutz und Nachhaltigkeit.
Neben vielen anderen Schlaglichtern blickte das Podium auch auf die Bauernproteste aus dem vergangenen Jahr: Sie seien der Anfang vom Ende der Ampel gewesen, konstatierte Lein. Schäfer indes kritisierte, wie die Unzufriedenheit der Landwirte kanalisiert wurde. Einigkeit herrschte darüber, dass der ländliche Raum viel mehr sei als Landwirtschaft und dass Politiker die Bedürfnisse der Menschen wahrnehmen müssten.
Die ausgedehnten Stammtischrunden, die dem Podium folgten, vertieften intensiv das Thema Bürokratie und Bürokratieabbau. Persönliche Erfahrungsberichte, politische Statements, Co-Referate und viel Fachliches, unter anderem zum Thema Bodenmanagement, wurden hier besprochen. Ein bunter Austausch, so vielfältig wie die Gäste. Gleichzeitig wurde hier auch die Komplexität deutlich: Wie für viele anderen gesellschaftlichen Bereiche zeichnete sich ab: Es gebe kaum die eine exzellente Lösung, sondern es gehe voran über den Austausch, im Bemühen um Konsens. An diesem Abend wurden zwar keine abschließenden Lösungen verhandelt, aber es zeigte sich über weite Strecken eine Gesprächskultur, die man im öffentlichen Diskurs oft vermisst.
Die Jungwählerin Leni Steinmüller hatte viele Einblicke in die Themen der Landwirte bekommen und ermunterte sie, nicht aufzugeben. Einig waren sich in ihren Abschluss-Statements alle, dass die Spaltung in der Bevölkerung groß ist, dass gute Gespräche jedoch helfen könnten. Evelyn Etling forderte Respekt – in ihrem Fall – für die Landwirte ein. Und sie schloss mit dem meistgehörten Appell in diesen Tagen: „Geht wählen!“. Carolin Braatz ergänzte dies mit der biblischen Jahreslosung 2025: „Prüft alles und behaltet das Gute.“
Fotos: Schlitt
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