Dieter Wagner inszeniert „72 Stunden – eine Anklage“ in der FrauenwocheTod durch Wegsehen
ALSFELD (ol). In Alsfeld inszeniert Dieter Wagner das Theaterstück „72 Stunden – eine Anklage“, das sich mit dem Thema Femizid und dem gesellschaftlichen Umgang mit Gewalt an Frauen auseinandersetzt. Die Aufführungen setzen auf eine inklusive Besetzung und verzichten auf Gagen, um die Erlöse an ein geplantes Frauenhaus in Lauterbach zu spenden.
„Gewalt gegen Frauen geht uns alle an. Fast jeden Tag sehen wir einen Femizid in Deutschland. Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln“, fasste Bundesinnenministerin Faeser die Situation in unserem Land auf der Pressekonferenz im November letzten Jahres zusammen.
Grund genug hinzuschauen, dachte sich Dieter Wagner, der seit vielen Jahren auf den Bühnen in der Region unterwegs und zuletzt mit dem Stück „Anderthalb Stunden zu spät“ auch in Alsfeld aufgetreten ist. Seit mehr als zehn Jahren ist er in Liederbach zuhause und freut sich sehr über Inszenierungen in seiner Wahlheimat. Der gelernte Schreiner hat sich schon früh mit der Schauspielkunst auseinandergesetzt und diese mit einer professionellen Ausbildung auf solide Füße gestellt. In dem Stück „72 Stunden – eine Anklage“ führt er Regie und spielt die Hauptrolle – eine Herzensangelegenheit, wie man schnell feststellt, wenn man sich mit Dieter Wagner unterhält.
„Ich bin durch den Deutschen Theaterverlag auf dieses Stück gestoßen und wusste sofort, dass es gespielt werden muss“, sagt der Schauspieler und Regisseur in einer Pressemitteilung zu seiner Motivation. Er wolle – neben den Schwerpunkten, die häufig die Berichterstattung in den Medien bestimmten – das Augenmerk gerade auf Morde an Frauen und die Begleitumstände legen. „Es geht nicht nur um Femizide, sondern vielmehr auch darum, wie die Gesellschaft damit umgeht. Wieviel Verantwortung übernehmen wir füreinander, wie sieht es mit dem Zusammenhalt in unserer Gesellschaft aus“, skizziert er die Fragestellung in dem Stück.
Das Stück skizziert eine Tat in einer beliebigen Kleinstadt. Eine Frau wurde von einem Mann ermordet. Sie hat ein Tagebuch hinterlassen, anhand dessen ein Inspektor die letzten Kontakte der Ermordeten genau nachvollziehen kann. Beginnend bei der Nachbarin sucht er Vertreter und Vertreterinnen gesellschaftlicher Institutionen auf, von denen sich die Ermordete Unterstützung erhoffte und rekonstruiert nach und nach ein Netz aus Fehleinschätzungen, unterlassener Hilfeleistung, Vertuschung und mangelhaften Präventivmaßnahmen. Von den Befragten muss sich niemand der Mittäterschaft beschuldigen lassen. Dennoch sind alle auf ihre Weise nicht unschuldig am Tod von „Eva“, wie die ermordete Frau stellvertretend für die vielen anderen hier genannt wird.
Als Inspektor Dohnal tritt Dieter Wagner auf. Ihm zur Seite stehen Schauspielerinnen und Schauspieler, die auf ganz verschiedenen Wegen zusammengefunden haben. Viele kennt Wagner bereits aus früheren Theaterstücken, u.a. durch Theater Gegenstand in Marburg, wo er über sechs Jahre lang gespielt und inszeniert hat. Andere wurden über Facebook erreicht oder kamen über das Freiwilligenzentrum Alsfeld dazu. Die Mitspieler, zehn an der Zahl, sind größtenteils Laien. „Allerdings haben einige von ihnen bereits mehrjährige Bühnenerfahrung“, so der Regisseur. „Besonders freue ich mich über die Mitwirkung zweier 16-jähriger Schülerinnen, die sehr gut mitarbeiten.“ Inklusiv ist das Stück außerdem. Es spielen drei Menschen mit Schwerbehinderung mit. „Das sind für mich neue und sehr positive Erfahrungen“, sagt Wagner, der betont, dass alle Mitwirkenden auf eine Gage verzichten. Gefördert wird das Stück außerdem vom Freiwilligenzentrum und über das Bundesprojekt Demokratie Leben. „Uns ist es nicht nur wichtig, dieses brisante Thema über ein Theaterstück einer breiten Öffentlich zugänglich zu machen, sondern wir möchten auch konkret etwas bewirken“, betont der Initiator: Etwaige Einnahmen-Überschüsse werden an das neu zu errichtende Frauenhaus in Lauterbach gespendet. Über die Arbeit des Trägers, des Vereins „Hilfe für das verlassene Kind e.V.“, der auch das Haus am Kirschberg betreibt, kann man sich vor und nach den Theateraufführungen informieren.
Neben Dieter Wagner wirken bei dem Stück mit: Melsia Ortugan, Celine Pelzer, Lynnia Sophie Kleber, Herbert Jost-Hof, Corinna Jungnickel, Thorsten Kroll, Martin Jotha, Britta Keil, Sven Neumann, Sabine Wybranietz.
Auftrittsorte und -termine sind der Güterbahnhof in Alsfeld (Samstag, den 8. März, und Sonntag, den 9. März, 20 Uhr), Lichtspielhaus Lauterbach (Samstag, den 15. März, 20 Uhr) und Waggonhalle Marburg (Dienstag, den 27.Mai und Mittwoch, den 28. Mai, 20.00 Uhr). Der Eintritt kostet im Vorverkauf 16 Euro (zuzüglich Gebühren), Abendkasse 20 Euro. Für Schüler, Studenten und Menschen mit Behinderung gibt es Ermäßigung.
Karten gibt es im Vorverkauf beim Buchladen Lesenswert in Alsfeld, Buchladen Lesezeichen, Lauterbach und online über www.reservix.de.
Schreibe einen Kommentar
Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.
Einloggen Anonym kommentieren