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Frieden in der ZeitenwendeVeranstaltungsreihe des Evangelischen Dekanats beleuchtet Frieden und Pazifismus in Zeiten des Krieges in Europa

VOGELSBERG (ol). In der Veranstaltungsreihe „Krieg und Frieden“ des Evangelischen Dekanats Vogelsberg diskutierten Experten wie die Friedenspfarrerin Sabine Müller-Langsdorf und der ehemalige Militärbischof Sigurd Rink über die zeitgemäße Bedeutung von Pazifismus und gerechtfertigten Kriegen. Die Reihe thematisierte drängende Fragen der Friedensethik und schloss mit einem gemeinsamen Gottesdienst.

Es herrscht Krieg in Europa, seit über tausend Tagen bereits. Was bis dahin kaum vorstellbar war, stellt die Menschen vor neue Anforderungen. In allererster Linie natürlich da, wo gekämpft wird, wo Menschen sterben, wo sie fliehen, wo sie alles verlieren. Doch auch in den angrenzenden Ländern und den westlichen Partnern der Ukraine ist seither allerhand aus dem Lot geraten. Die Kirche überdenkt ihre Friedensethik, die Grünen liefern Waffen, Pazifisten ringen um eine Haltung. Hinzu kommt der Krieg in Gaza, der fassungslos macht und gerade in Deutschland schwer einzuordnen ist.

Grund genug, in dieser Gemengelage die Gedanken zu sortieren, fanden Carolin Braatz, Holger Schäddel und Cordula Otto vom Evangelischen Dekanat Vogelsberg und legten ihre Gesprächszeit aus dem vergangenen Jahr neu auf, wie es in einer Pressemitteilung des Dekanats heißt. Unter dem Motto „Krieg und Frieden“ hatten sie mit der Friedenspfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Sabine Müller-Langsdorf und dem ehemaligen Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Sigurd Rink zwei profilierte Gesprächspartner in den Vogelsberg eingeladen. Sie sprachen mit interessierten Gästen über einige der brennendsten Fragen der Zeit.

Den Anfang machte Mitte November Sabine Müller-Langsdorf. Sie ging mit dem Publikum im evangelischen Gemeindehaus in Ober-Ofleiden der Frage nach „Kann man in diesen Zeiten noch Pazifist sein?“ Keine leichte Frage, wenn man bedenkt, dass Pazifisten in Deutschland spätestens seit den Achtzigerjahren „Frieden schaffen ohne Waffen“ auf ihren Fahnen trugen. Die Lage schien klar. Seit zwölf Jahren bekleidet die Theologin ihr Amt, das sich in den letzten beiden Jahren sehr gewandelt hat, wie sie berichtete. Auch der Pazifismusbegriff habe eine neue Breite erlangt: Viele Menschen, die sich selbst nach wie vor als Pazifisten bezeichnen, gestehen einem Land die Möglichkeit der Verteidigung, auch mit Waffen, zu. Angesichts einer Lage, die aktuell wenig Lösungsansätze bietet, blickte die Theologin gemeinsam mit den Anwesenden in die Bibel. Anhand vieler Beispiele könne man sehen, dass Veränderung möglich sei. Immer wieder habe es hier Visionen von Frieden gegeben, die wahrgeworden seien.

Foto: Otto/Braatz

Die zweite Veranstaltung der Reihe bestritt Sigurd Rink. Er war bis 2020 Militärbischof der EKD und hat sich in dieser Zeit bereits intensiv mit der Frage „Können Kriege gerecht sein?“ befasst. Zu diesem Thema sprach er auch zu einem interessierten Publikum im katholischen Pfarrzentrum in Alsfeld. Sein gleichnamiges Buch dazu war bereits 2019 erschienen, habe aber angesichts der Ereignisse an Aktualität gewonnen. Die Frage danach, was ein „gerechter Krieg“ sein könne, stelle sich bereits seit 2000 Jahren, so der Theologe, der die Anwesenden in die Gedanken des Kirchenvaters Augustinus einführte, der in seinem Buch „Vom Gottesstaat“ Kriterien für einen „gerechten Krieg“ entwickelt hatte. Dazu gehöre der Verteidigungskrieg, den ein Land zum Selbstschutz führen darf. Eine Regierung, die einen Verteidigungskrieg führt, muss laut Augustinus legitimiert sein und es muss eine Verhältnismäßigkeit der Mittel zu erkennen sein. Mit Blick auf aktuelle Konflikte sagte der Experte, der Konflikt im Nahen Osten sei nicht einfach zu bewerten, die Verhältnismäßigkeit nach Augustinus könne man derzeit jedoch keineswegs erkennen.

Foto: Schlitt

Eine Lösung solcher Konflikte habe Immanuel Kant angeboten: die Idee des Völkerbunds, die ja auch in Europa lange Zeit getragen habe. Was im 18. Jahrhundert revolutionär angemutet habe, habe sich bisher mehr als bewährt, so Rink, wenngleich die UNO aufgrund ihrer Statuten nicht in letzter Konsequenz handlungsfähig sei. „Es fehlt nicht an einer durchdachten Ethik, sondern an wirksamen Instrumenten, diese einzuhalten“; schloss Rink seinen Vortrag mit Blick auf das UNO-Mitglied Russische Föderation, das dort wohl kaum gegen sich selbst stimmen werde, um seinem friedensschaffenden Auftrag nachzukommen. Eine Lösung dieses Konfliktes sieht er in einem Einfrieren des Konfliktes und perspektivisch mit einem Verzicht der Ukraine auf die besetzten Gebiete.

Das Publikum im Pfarrzentrum zeigte sich diskutierfreudig: Von Stellvertreterkriegen über eine Politik des Appeasement, vom Aussetzen der Wehrpflicht bis hin zu dem Russlandbild Putins sprachen die Menschen an diesem Abend. Auch auf die Rolle der Kirche, insbesondere der russischen orthodoxen Kirche, ging Rink ein. Am Ende jedoch blieben viele Fragen offen: Die Möglichkeiten und Grenzen des Pazifismus seien ein unlösbares Dilemma, die Rolle der UNO sei derzeit zu schwach. Wichtig sei immer, das, was Recht ist, Recht zu nennen und durchzusetzen – darin waren sich alle einig.

Foto: Schäddel

Eine Erkenntnis, die auch nach dem dritten und letzten Abend der Veranstaltungsreihe blieb. Im evangelischen Gemeindehaus in Herbstein hatten die Gäste Gelegenheit, anhand kleiner Impulse aus den beiden anderen Abendveranstaltungen ihren Fragen zu Krieg und Frieden nachzugehen, moderiert von Carolin Braatz, Cordula Otto und Holger Schäddel und Pfarrer Daniel Meyer. Diese stellten viel Gesprächsbedarf fest und zeigten sich gemeinsam mit allen Anwesenden froh, die Reihe mit einem Gottesdienst und Fürbitten zum Buß- und Bettag zu beschließen.

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