Gesellschaft0

Regionale Akteure des Palliativ- und Hospizwesens stellten sich vorDie Kostbarkeit des Lebens im Sterben erkennen

ALSFELD/VOGELSBERGKREIS (ol). Zum Internationalen Welthospiztag präsentierten sich in Alsfeld verschiedene Akteure des Palliativ- und Hospizwesens. Bürgerinnen und Bürger konnten sich über Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten rund um Sterbebegleitung und Trauerarbeit informieren. Die Veranstaltung zeigte, wie wichtig offene Gespräche über das Lebensende sind und bot emotional bewegende Programmpunkte.

Über Tod und Sterben kann man sprechen. Das ist die Überzeugung verschiedener Einrichtungen, die sich im Vogelsberg mit der letzten Zeit im Leben beschäftigen. Mehr noch: Sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen, kann befreiend und entlastend sein. Was es dazu braucht, wo man Hilfe bekommt und wie viele Facetten es zu diesem Thema gibt, darüber konnten sich am vergangenen Samstag die Menschen auf dem Alsfelder Marktplatz informieren, das berichtet die Lichtermeerstiftung in einer Pressemitteilung.

Zum Internationalen Welthospiztag hatte die Lichtermeerstiftung eingeladen und zahlreiche Institutionen vereint: Die Hospizvereine aus Alsfeld und Lauterbach waren vor Ort, der Verein „Helles Haus“, das Palliativnetzwerk Vogelsberg, das Palliativteam Waldhessen und das Bestattungsinstitut Bazzone & Müller.

Bürgermeister Stephan Paule begrüßte gemeinsam mit der Stiftungsratsvorsitzenden Tanja Bohn Mitwirkende und Publikum. Es sei eine wichtige Veranstaltung, so der Rathauschef, denn angesichts der demografischen Entwicklung werde das Thema, wie man die letzte Zeit des Lebens verbringe, immer wichtiger. Obwohl es auch junge Menschen betreffen könne, werde es im Dialog oft ausgeblendet und gehöre doch in den Fokus. Der Vogelsbergkreis sei mit der Errichtung eines Palliativnetzwerks hier inzwischen gut aufgestellt, auch könne man auf ein stationäres Hospiz hoffen. Er dankte allen Menschen, die sich haupt- und ehrenamtlich um Sterbende und ihre Angehörige kümmern.

Tanja Bohn lud alle Interessierten ein, ihre Fragen zu stellen und sich mit vielen Informationen zu versorgen. „Das Wissen, dass es Hilfe gibt, ist beruhigend, und es ist unser Anliegen, dieses Wissen zu öffentlich zu machen.“ Dazu sollten im Verlauf des Tages zwei Gesprächsrunden und ein außergewöhnlicher poetischer Vortrag beitragen. Die verschiedenen Programmpunkte wurden eingerahmt von Sabine Dietrich, die mit ihrem Gesang und ihrem Klavierspiel für Gänsehautmomente sorgte und die Stimmung auf dem Marktplatz musikalisch einfing. Bilder der Künstlerin Andrea König begleiteten die Lieder visuell.

In einer ersten Gesprächsrunde, moderiert von Heide Fink, Vorsitzende des Hospizdienstes Lauterbach, stellt zunächst Heidrun Stark vom Alsfelder Hospizverein das Trauercafé vor, das an jedem ersten Donnerstag im Monat von 15 bis 17 Uhr in den Räumen des Evangelischen Dekanats stattfindet. Hier habe alles Raum, was Trauernde bewegt, führte Stark aus, auch das Schweigen. Einen sehr interessanten Beitrag hatte Barbara Becker von der Lichtermeerstiftung: Sie stellte die Trauer-App „grievy“ vor, die mit verschiedenen Modulen rund um die Uhr Hilfe für Trauernde, auch für junge Menschen, geben kann. Mit Übungen, Impulsen, Tagebuch und vielen anderen Anregungen können sich Menschen mit ihrer Trauer auseinandersetzen; auch eine SOS-Nummer steht bereit.

Das Anliegen des Vereins „Helles Haus“ ist das Erschaffen eines Raums, in dem Trauernde nicht funktionieren müssen, sondern sich ihrer Trauer hingeben und stellen dürfen – egal, wie lange der Tod eines lieben Menschen her sei. Viele Trauernde erlebten Unverständnis im privaten und beruflichen Umfeld, erklärte die Vorsitzende Melanie Schürer, gerade wenn die Trauer „zu lange andauere.“ In einem noch zu errichtenden Haus soll für all das, auch den Austausch und persönliche Übungen, Zeit sein. Zum Abschluss der Runde ergänzte Heide Fink, dass auch in Lauterbach ein Trauercafé zur Verfügung steht: Es öffnet an jedem ersten Samstag von 14 bis 16 Uhr in den Räumen des Hospizdienstes.

Mit Jessica Davis betrat nach diesen Informationen eine Trauerrednerin und Poetin die Bühne. Sie beeindruckte die Menschen nachhaltig mit ihren einfühlsamen Texten, die sie aus ihrer Praxis als Rednerin, aber auch als Poetin geschrieben hat. Natürlich ging es um das Ende des Lebens, über die Zeit vor und nach dem Tod, für Sterbende und für Angehörige. Ihre Gedanken fanden viel Anklang und regten dazu an, über die eigene Haltung zum eigenen Tod nachzudenken. Doch auch die Gegenwart wurde betrachtet – ein Rat der Poetin: Den Menschen zu Lebzeiten sagen, was man an ihrem Grab sagen würde. Den Moment schätzen, die Vergänglichkeit akzeptieren.

In der Abschlussrunde, die noch einmal Heide Fink moderierte, ging es schließlich um die Motivation von Menschen verschiedener Berufe und Ehrenämter, sich gerade mit dem schwierigen Thema Tod auseinanderzusetzen. Hildegard Schwarz, Ehrenamtliche beim Hospizdienst Vogelsberg, und Andrea Hedterich, Koordinatorin im Hospizverein Alsfeld, unterstrichen, dass diese Arbeit dem Leben einen besonderen Sinn gebe: Man erlebe Dankbarkeit und erweitere seinen Horizont. Dazu werde man auch professionell ausgebildet und begleitet. Andrea Müller vom Palliativteam Waldhessen stellte die multiprofessionellen Teams vor, die Todkranke und ihre Familien medizinisch beistehen. Sie sind verlässliche Partner, die die Patienten kennen und wenn nötig rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Damit schaffen sie eine große Sicherheit in den betroffenen Familien, heißt es.

Für das Palliativnetzwerk Vogelsberg sprach Susanne Botthof-Schlitt. Sie ist Palliativkoordinatorin in der Fachstelle für gesundheitliche Versorgung im Kreis und betonte, wie wichtig es sei, dieses Thema auch politisch anzugehen. 39 Einrichtungen haben sich im Vogelsberg für eine ständige Verbesserung der Versorgung Todkranker und Sterbender zusammengeschlossen. Viele der Rednerinnen waren aus persönlichen Gründen zu ihrer Arbeit gekommen. So auch Dominik Müller, der seine Arbeit als Bestatter vorstellte. Er unterstrich die Bedeutung von Wertschätzung und Empathie in seinem Beruf. Allen gemeinsam war die Erkenntnis, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem Tod ihnen Lebensfreude schenke und den Sinn für die Kostbarkeit des Lebens schärfe.

Zum Abschluss der Veranstaltung dankte Tanja Bohn allen Mitwirkenden, auch den Alsfelder Landfrauen, die für das leibliche Wohl gesorgt hatten. Sie betonte, wie wichtig es sei, Menschen in schwierigen Lebensphasen zu helfen, und sie freute sich, dass ihre Stiftung dazu beitragen könne. Als nächste Aktion stellte sie eine weitere Veranstaltung mit einem neuen Programm der „Tabutanten“ in Aussicht: Die beiden Schauspielerinnen kommen am 21. November in den Alsfelder Güterbahnhof. Der Eintritt ist frei.

Fotos: Schlitt

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren