Offener Brief der Ökologische Liste Homberg (Ohm)Konflikt um Denkmalschutz in Homberg (Ohm): Widerstand gegen Abriss der ehemaligen Gewerbeschule
HOMBERG OHM (ol). Die Ökologische Liste Homberg fordert in einem offenen Brief an den Magistrat der Stadt Homberg (Ohm), die Untere Bauaufsichts-/Denkmalschutzbehörde des Vogelsbergkreises, das Landesamt für Denkmalpflege Marburg, das Landesamt für Denkmalpflege Wiesbaden und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur/Obere Denkmalschutzbehörde die Einhaltung des hessischen Denkmalschutzgesetzes bei der Erhaltung der ehemaligen Gewerbeschule. Den offenen Brief im Wortlaut lesen Sie im Folgenden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die ehemalige Gewerbeschule, spätere Grundschule in der Friedrichstraße in Homberg (Ohm) steht als Einzelobjekt unter Denkmalschutz. Es dürfte das einzige Gebäude in Homberg (Ohm) mit Kunst am Bau sein.
In 2015 wurde unter anderem auf Initiative der CDU Homberg (Ohm) mit Unterstützung des damaligen Stadtverordnetenvorstehers und heutigen Stadtrats Armin Klein (CDU) ein Bürgerentscheid herbeigeführt. Geworben hat Herr Klein in vielen Veranstaltungen mit einem Projekt des ortsansässigen Architekturbüros Gans. Dieser hatte eine denkmalgerechte Sanierung und das Errichten barrierefreier Wohnungen vorgeschlagen. Der Bürgerentscheid fiel mit einem Votum von 81,3 Prozent positiv aus. In der Presse wurde das Ergebnis unter dem Motto „Der Bürgerwille ist zum Tragen gekommen“ groß gefeiert („Der Bürgerwille ist zum Tragen gekommen“ – Oberhessen-Live)
Obwohl es bis heute keine anders lautende Willenserklärung der Homberger Bürgerinnen und Bürger gibt, hat die Stadtverordnetenversammlung im April 2022 mehrheitlich einem nunmehr vorgelegten Vertragswerk mit dem Investor PaWo GmbH, bestehend aus einem Kaufvertrag sowie einem Durchführungs- und Erschließungsvertrag, zugestimmt und hat den Magistrat beauftragt, die Verträge abzuschließen (TOP 7, VL-368/2021 5. Ergänzung). Bis heute hat die Bürgermeisterin allerdings nicht darüber berichtet, ob die Verträge mit dem Investor überhaupt notariell beurkundet wurden.
Vertragsgegenstand waren jedenfalls nach Ziffer I. 4. des notariellen Entwurfsvertrages die in der Friedrichstraße gelegenen Grundstücke nebst den darauf stehenden Gebäuden. Geschuldet wurde laut dem Vertragstext (Ziffer V. 1.) von der Stadt lediglich „die geräumte Übergabe des Schulgebäudes und von Spielgeräten befreite Grundstücksfreifläche“. Laut dem notariellen Kaufvertrag sollte der Kaufpreis für den Erwerber erst fällig werden, wenn ein vorhabenbezogener Bebauungsplan „Friedrichstraße“ mit einem Inhalt bekannt gemacht wurde, der das Bebauungskonzept des Investors zulässt oder eine erste Baugenehmigung erteilt worden ist. Bis heute wurde aber das Bauleitplanverfahren nie abgeschlossen, ein Satzungsbeschluss wurde nie gefasst.
Gemäß den Entwurfsverträgen hätte die Stadt also nur das Grundstück samt geräumtem Schulgebäude übergeben müssen und das Bauleitplanverfahren abschließen müssen. Obwohl die städtischen Verpflichtungen völlig eindeutig geregelt waren, investierte die Stadt Homberg (Ohm) bei dieser Sach- und Vertragslage Zeit und Geld in die Beantragung einer Abrissgenehmigung für das Schulgebäude. Nachdem diese nicht erteilt wurde, führt die Stadt aktuell auch noch ein Widerspruchsverfahren gegen den ablehnenden Bescheid des Vogelsbergkreises. Es stellt sich damit die deutliche Frage, für wen und warum der Homberger Magistrat hier überhaupt tätig ist. Warum werden die dem privaten Investor obliegenden Aufgaben vom Magistrat auf Kosten der Stadt übernommen? Zumal die Stadt das Grundstück an den Investor zu einem deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußert hat – und bis heute keinerlei Geld für das Grundstück erhalten hat.
Auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke/Klimaliste in der letzten Kreistagssitzung wurde wörtlich folgende Antwort erteilt:
„Der Magistrat der Stadt Homberg (Ohm) befindet sich im laufenden Widerspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid der Unteren Bauaufsichts- /Denkmalschutzbehörde des Vogelsbergkreises. Mit Schreiben vom 10.10.2023 wurde der Magistrat der Stadt Homberg (Ohm) gebeten, eine überschlägige planerische sowie kostenmäßige Überprüfung alternativer Nutzungsmöglichkeiten einzureichen. Bislang liegen diese Unterlagen nicht vor. Eine korrekte Abwägung und abschließende Entscheidung des Widerspruchs kann erst nach Vorlage erfolgen.“ (XII/KT0332)
Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass der Magistrat der Stadt Homberg (Ohm) und an dessen Spitze Bürgermeisterin Ried zu Lasten der ohnehin maroden städtischen Finanzen behördliche Verfahren führt, zu denen sie nicht vertraglich verpflichtet ist und die auch nicht zum Wohl und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Hombergs, sondern eines wohlhabenden Investors sind.
Völlig unberücksichtigt bei der Stellung des Abrissantrags und dem Führen des Widerspruchsverfahrens hat Bürgermeisterin Ried auch gelassen, dass von unserer Seite seit über einem Jahr drei alternative Nutzungsmöglichkeiten für die alte Gewerbeschule schriftlich unterbreitet und sogar in der Presse veröffentlicht wurden. Gerade der zwischenzeitlich vom ortsansässigen Architekturbüro noch weiter entwickelte Vorschlag für die Schaffung barrierefreier Wohnungen und gegebenenfalls auch einer Tagesbetreuung wurde von verschiedensten Seiten als umsetzbar und sinnvoll erachtet. Selbst der Investor – so wurden wir kürzlich unterrichtet – wäre bereit, zusammen mit dem Architekturbüro dessen Planung unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und unter Erhalt der alten Gewerbeschule umzusetzen und soll dies Bürgermeisterin Ried sogar bereits persönlich vorgeschlagen haben. Unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes ein Glücksfall – für das Denkmal Gewerbeschule und für Homberg. Ein vollständiger Erhalt des Denkmals, verbunden mit barrierefreien Wohnungen ohne jegliche Kosten für die Stadt. Warum hat die Bürgermeisterin diese Option eigenmächtig abgelehnt und bisher – entgegen Ihrer gesetzlichen Verpflichtung – in keinem Gremium darüber unterrichtet?
Unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes ist nach dem zuvor Dargelegten der Erhalt des Gebäudes der ehemaligen Gewerbeschule in der Friedrichstraße alternativlos. Daher mutet es besonders befremdlich an, dass Bürgermeisterin Ried, auch Mitglied im Landesvorstand der hessischen CDU, in einer der letzten Stadtverordnetenversammlungen öffentlich geäußert hat, sie werde jetzt den politischen Weg über „das Land“ gehen, um dort auf eine politische Entscheidung zu dringen. Sollen sich also politische Entscheidungsträger über die gesetzlichen Regelungen des Denkmalschutzes hinwegsetzen? Sollen entgegen § 14 HessDenkmG alle Nachnutzungsmöglichkeiten nicht korrekt überprüft werden? Soll nicht berücksichtigt werden, dass die Bürger über einen Bürgerentscheid, interessierter Planer und selbst Investor den Weg des Denkmalschutzes gehen würden und das Denkmal erhalten würden? Wir fordern die
zwischenzeitlich involvierten Behörden und auch das Ministerium auf, bei der gebotenen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass ein Erhalt des innenstadtnahen Kleinods als Kulturdenkmal auch zu einem Erhalt des umliegenden Parks führen würde, der zusätzlich den allerorten gewünschten Hitzeschutz durch seinen vorhandenen Baumbestand schon bereitstellen würde und den sich um Homberg herumziehenden Grüngürtel eindrucksvoll abschließen würde.
Der Klimakommune Homberg (Ohm) und den behördlichen Entscheidern stünde es gut an, auch den Aspekt der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Klimagerechtes Bauen berücksichtigt den Grundsatz „Sanierung vor Abriss und Neubau“. In Zeiten knapper werdender Ressourcen ist es Standard, zuvorderst den Bestand zu erhalten und zu sanieren, bevor weitaus teurer und weniger ökologisch Abriss und Neubau durchgeführt werden. Baustoffe werden knapper und teurer, es ist daher auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit sowie der Ökologie, die gute Bausubstanz der ehemaligen Gewerbeschule in der Friedrichstraße zu erhalten und zu sanieren.
Anstatt „mit der Zeit zu gehen“, lassen Bürgermeisterin und Magistrat das Gelände in der Friedrichstraße – gezielt – zu einem „Lost Place“ werden, auf dem sich Müll sammelt und Scherben herumliegen. Die eingeworfenen Scheiben am Denkmal werden nicht gesichert und es entsteht der Eindruck, dass man das Gebäude gezielt vergammelt lässt. Diese traurige Respektlosigkeit gegenüber den baulichen Zeugen unserer Vergangenheit lässt sich nicht nur bei dem Denkmal alte Gewerbeschule feststellen. Bahnhofsgebäude, Friedhofskapelle, alte Pletschmühlenbrücke, das Bahnviadukt über die Ohm und ein für Wohnzwecke überbauter jüdischer Friedhof – all diese „steinernen“ Boten der Vergangenheit fristen in Homberg (Ohm) ein Dasein morbiden Verfalls – oder wurden gleich ganz zerstört.
Wir appellieren an den Magistrat und die Bürgermeisterin von Homberg (Ohm), an den für Denkmalschutz zuständigen Minister und an die nachgeordneten Behörden, endlich gemäß den gesetzlichen Vorschriften für die Denkmäler in Homberg zu sorgen. Es geht hierbei auch um den Schutz von Vermögenswerten Homberger Bürgerinnen und Bürger.
An die zuständige Kreisbehörde und das zuständige Landesamt für Denkmalpflege appellieren wir, politischer Einflussnahme zu widerstehen und objektiv zu prüfen, ob der Abrissantrag und das aktuell geführte Widerspruchsverfahren formell und materiellrechtlich überhaupt rechtmäßig sind. Wägen Sie korrekt ab und lassen Sie auch in Homberg (Ohm) geltendes Recht über politischen oder möglicherweise auch nur persönlichen Entscheidungen einzelner stehen. Planer, Investor und Homberger Bevölkerung sind bereit, einen klugen Weg zu gehen, nämlich den des Denkmalschutzes. Machen Sie diesen Weg frei.
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