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Angenröder Stausee: Seeufer mit Anziehungskraft und einem WebfehlerDer lange Weg vom Hochwasserschutz zur Hochzeitsromantik

SEIBELSDORF – Wer Glück hat beim Spaziergang um den Angenröder Stausee, der wird Zeuge, wie ein Paar auf den See hinausgeht und sich auf dem Wasser unter dem Dach eines Pavillons das Ja-Wort gibt. Mehr Romantik geht nicht. Kein Wunder, dass diese Hochzeiten immer beliebter werden. Ein Wunder, dass es so lange dauerte, bis der Freizeitwert der Antrifttalsperre ins Vogelsberger Bewusstsein tröpfelte. Eine zaghafte, 40-jährige Erfolgsgeschichte.

Dass der See einmal eine solche Anziehungskraft haben würde, hatte  niemand im Sinn, als die Sperre in den siebziger Jahren geplant wurde – leider, wie heute oft zu hören ist. Denn dadurch bekam die Anlage mit ihren 3,2. Millionen Kubikmetern Stauraum von Anfang an einen Webfehler mit, der sich bis heute auswirkt. Als die Talsperre 1984 endgültig fertig war, sollte sie nur die tiefer gelegen Dörfer entlang der Antrift vor Hochwasser schützen, wie sie zum Beispiel 1960 eingetreten sind.

Romantik pur: Ein Paar hat auf dem See geheiratet. Foto: privat

Geplant als Hochwasserrückhaltebecken

Damals überfluteten die Schwalm und die Antritt weite Teile der Region. Um solchen zerstörerischen Ereignissen vorzubeugen, wurde der Wasserverband Schwalm gegründet –  und wurden zugleich drei Hochwasserrückhaltebecken geplant, eines die Antrifttalsperre, wie bei Wikipedia nachzulesen ist. Niemand achtete bei der Planung dieses Rückhaltebeckens darauf, dass es jemals mehr tun sollte als Wassermassen aufzufangen (was es mehrfach ja auch erfolgreich getan hat). Deshalb wurde es mit der gesamten Vegetation drauf geflutet – und dadurch wird die Wasserqualität beeinträchtigt.

Zumindest ist das bis heute die gängigste Erklärung dafür, dass im Angeröder – oder auch Antrifttaler – Stausee bis heute nicht gebadet werden darf. Die immer noch anhaltende Verrottung der Biomasse produziere schädliche Bakterien. So bedauert denn auch Antrifttals Bürgermeister Dietmar Krise auf die Frage nach dem touristischen Wert des Sees: „Baden wird man im Stausee leider nicht können, da der See damals nicht ausgeräumt wurde und das ganze Pflanzenmaterial sich erst über Jahrzehnte abbaut. Dadurch verbessert sich zwar die Wasserqualität leicht, aber bis das Niveau für ein Badegewässer erreicht ist, gehen noch Jahrzehnte ins Land.“

See und Hotel ergänzen sich zu einer immer beliebteren Destination für Besucher und Urlauber im Vogelsberg. Foto. privat

Ist die Romröder Kläranlage schuld?

Eine andere Erklärung wird mitunter auch angeführt: Die Romröder Kläranlage sei zu schwach ausgelegt, und die durch das Stadtgebiet fließende Antreff transportiere zu viele Kolibakterien in den See. Erst müsse die Kläranlage verbessert werden, ehe der See badetauglich wird. Tatsache ist, dass es immer wieder Gruppen junger Menschen gibt, die unerlaubt an den Ufern lagern und fröhlich baden. Die Angenröder Seite ist als Naturschutzzone ohnehin von jeder Nutzung ausgenommen.

Ansonsten war über Jahrzehnte neben dem Angeln nur der gut 2,7 Kilometer lange Spaziergang drum herum erlaubt, und es dauert bis Ende der 1990er Jahre, ehe das Stausee-Restaurant den Freizeitwert der 31 Hektar Seefläche erhöhte. Wer aber dachte, ein Hotel- und Restaurantbetrieb und große Pläne sind Selbstgänger in der schönen Umgebung, sollte sich täuschen. Die ersten Jahre darf man rückblickend als durchaus holprig bezeichnen. Mehr als das Haus und eine Gastro-Terrasse entstanden nicht, wechselten sich die Pächter des Betriebes ab. Zwischendurch sollte das Haus sogar zu einer Seniorenwohnanlage der gehobenen Art werden.

Ein Regenrückhaltebecken mit markantem Überlauftrichter an der Staumauer: So war der Angenröder Stausee geplant worden. Foto: Archiv/aep

Seit 2017 Lakeside Resort Michaela

Von stetem Aufschwung aber kann Michaela Eckstein erzählen. Sie leitet als Geschäftsführerin die Lakeside Resort Michaela GmbH & Co. KG, die das Hotel-Restaurant mit dem Namen Lakeside Resort Michaela seit 2017 betreibt. Die neuen Inhaber bauten die Terrasse aus, schufen den Hang hinab einen breiten Weg, bauten den Steg zum Hochzeitspavillon und erreichten den Titel als offizielles Standesamt der Gemeinde Antrifttal. Das lohnte sich: Zwei bis drei Paare geben sich in der Saison wöchentlich das Ja-Wort auf dem Wasser und feiern anschließend mit Seeblick.

Das freut auch Antrifttals Bürgermeister Krist, dessen Gemeinde einen touristischen Anlaufpunkt mehr bekommen hat. „Die Trauungen auf der Seebühne sind seit Corona der Renner“, erklärt er auf Nachfrage. „Wir haben bis zu 30 Trauungen im Jahr.“ Er freue sich auch über weitere Neuerungen am Seeufer. So habe das Seehotel die Idee der Tiny-Häuschen umgesetzt und fünf Stück davon errichtet.

Das „Stausee-Hotel“ wertet den See seit Ende der 1990er-Jahre auf. Foto: Archiv/aep

Aktivitäten auf dem Wasser möglich

Neun Tretboote und zwei Standup-Wasserstepper laden außerdem Tagesausflügler  zu Aktivitäten ein, und das Hotel würde auch solche Angebote noch ausweiten, erklärt Michaela Eckstein. „Aber der Naturschutz setzt uns da enge Grenzen.“ Auf den verstärkten Besucherverkehr und damit einhergehende Probleme reagierte die Gemeinde bereits, erklärt der Rathauschef. Mit LEADER-Mitteln seien zur Lenkung der Ströme neue Schilder aufgestellt worden. Dazu wurde der Parkplatz am DGH Angenrod als Wanderparkplatz ausgewiesen und an einigen Stellen das Grillen erlaubt, „um die Situation am See etwas zu entschärfen“.

Nicht ganz zufrieden ist die Hotel-Chefin mit der Begründung für das Badeverbot. Angeblich sei das Wasser ja nicht gut genug, aber, so erklärt sie: „Wir haben einen reichen Fischbesatz, an dem sechs Angelvereine aktiv sind.“

von Axel Pries

Ein Gedanke zu “Der lange Weg vom Hochwasserschutz zur Hochzeitsromantik

  1. Das mit der Wasserqualität ist ja absoluter Blödsinn und nur vorgeschoben, weil man bei einem offiziellen Badestrand auch für die Sicherheit sorgen müsste. Dieses Geld möchte die Gemeinde Antrifttal nicht aufbringen. Kann man ja sogar verstehen, nur sollte man ehrlich sein.

    Auch der Rest stimmt nicht: Es wurde bereits Ende der 70er eine umfangreiche touristische Nutzung mit Sportplätzen, Feriendorf und Badestrand geplant. Warum es wirklich gescheitert ist müsste man mal recherchieren.

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