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Optimisten fürs LebenFreundeskreise für Suchtkrankenhilfe aus ganz Hessen trafen sich zu den Suchttagen in Nieder-Moos

NIEDER-MOOS (ol). Die regelmäßig stattfindenden „Suchttage“ des Landesverbandes Hessen e.V. bieten einen sicheren Raum für Menschen, die sich mit Suchtproblematiken auseinandersetzen. Teilnehmer aus verschiedenen Freundeskreisen für Suchtkrankenhilfe erlernen neben kreativen Hobbys und Entspannungstechniken auch Möglichkeiten der öffentlichen und politischen Interessenvertretung.

Sie alle teilen ein Thema: Sucht. Die Menschen, die sich in den Freundeskreisen für Suchtkrankenhilfe zusammenschließen, haben selbst Erfahrungen als Suchtkranke oder Angehörige von an einer Sucht Erkrankten. Sich bei Menschen Hilfe und Rat zu holen, die selbst betroffen sind, ist von großer Bedeutung und schmiedet auch zusammen. Sichtbar wird dieser Zusammenhalt an verschiedenen Treffen, die auf unterschiedlichen Ebenen regelmäßig stattfinden. Eine der größeren Veranstaltungen sind die Suchttage des Landesverbandes Hessen e.V., zu der in diesem Jahr auch der frischgewählte Bundesvorsitzende Ralf Vietze erschienen war. Alle zwei Jahre laden die Organisatoren dazu ein, ein ganzes Wochenende gemeinsam zu verbringen, verschiedene Themen zu vertiefen, Ausgleich und Inspiration zu finden und natürlich sich zu treffen, auszutauschen und gemeinsame Zeit zu verbringen, so heißt es in einer Pressemitteilung des Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe.

Zum wiederholten Mal fanden die Suchttage nun schon im Freizeitpark Vulkan in Nieder-Moos statt. „Hier werden wir mit offenen Armen empfangen und haben auf dem ganzen Gelände viele Möglichkeiten“, sagt Thomas Steinhäuser, der Landesvorsitzende.  Gemeinsam mit einem Vorbereitungsteam hattet er für die etwa achtzig Gäste der Suchttage ein interessantes Programm ausgearbeitet, das diese über die Pfingstfeiertage wahrnehmen konnten. Neben verschiedenen Kreativ-Workshops wie Holz- oder Specksteinbearbeitung, Weben oder Basteln, standen auch Bewegungsangebote wie Minigolf und Wanderungen auf dem Programm. Alle Teilnehmenden konnten nach ihren Wünschen auswählen, woran sie mitwirken wollten. „Es geht in erster Linie darum, gemeinsam Zeit zu verbringen, aber auch Inspirationen für Hobbys zu finden, Entspannungsmöglichkeiten kennenzulernen“, so Ursula Nahrgang vom Freundeskreis Vogelsberg.

Doch auch die Interessensvertretung der Freundeskreise in der Öffentlichkeit und den politischen Gremien sei ein großes Thema in den Vereinen. Aus diesem Grund wurden anlässlich der Suchttage professionelle Workshops im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angeboten. Dazu hatten die Organisatoren zum einen die Redakteurin Hanna von Porsch gewinnen können, zum andere war der PR- und Kommunikationstrainer Wolfgang Nafroth mit einem Workshop in Nieder-Moos vertreten. Beide Referenten versorgten die Teilnehmenden mit viel Wissen und auch praktischen Übungen. Für Thomas Steinhäuser ist ein offener Umgang mit Sucht von großer Bedeutung: Zum einen könne man nur durch Offenheit präventiv arbeiten, zum anderen sei es wichtig, in der Gesellschaft diese Themen anzusprechen: Suchtkranke lebten in Familien, seien in Vereinen und in der Arbeitswelt anzutreffen. Ihre Krankheit und auch die Befindlichkeiten der Angehörigen seien dort von Bedeutung. „Und wir müssen auch zeigen, dass wir trotz unserer Suchterkrankung Teile der Gesellschaft sind, leistungsfähig, und bereit zur Mitwirkung.“

Viel habe sich in dieser Hinsicht schon getan, freuen sich die Verantwortlichen in den Vereinen und regionalen Gruppen. Dennoch bleibe viel zu tun. Derzeit stelle die Freigabe von Cannabis die Freundeskreise vor Herausforderungen und schaffe Diskussionsbedarf: Während Thomas Steinhäuser die Legalisierung von Cannabis als leichter Weg zu einer Einstiegsdroge sieht, argumentiert Christina Stolz vom Freundeskreis Bad Nauheim, dass eine Entkriminalisierung der Konsumenten sowie die Gewährleistung von Grenzwerten und Qualität Vorteile habe. Einigkeit herrscht in jedem Fall darüber, dass Prävention und Aufklärung nötig seien – und das schon in Schulen. „Es geht auch nicht darum, alle Drogen zu verteufeln“, sagt Steinhäuser deutlich, „sondern klar die Grenze zwischen Konsum und Missbrauch zu ziehen.“

Um all diese Themen ging es auch in einem Theaterstück, das die Gruppe schrieb, einstudierte und aufführte. Eine Aktivität, die allen Beteiligten stets Freude mache und mit der sie sich auch auf verschiedenen Anlässen immer wieder präsentierten. Die Wege in die Öffentlichkeit seien also vielfältig.

Daneben spielen aber auch die Gruppe an sich und das Miteinander eine wichtige Rolle: Die Teilnehmenden an den Suchttagen freuen sich über die Auszeit und die wertschätzende, verständnisvolle Atmosphäre, die in Nieder-Moos herrscht. Einige kennen sich bereits untereinander, freuen sich über ein Wiedersehen und bringen die ganze Familie mit. Andere wiederum sind zum ersten Mal dabei und genießen die vielen Anregungen, die Gesprächsmöglichkeiten über Leichtes und Schweres sowie die Ruhe abseits eines oft anstrengenden Alltags, heißt es weiter. Stolz blickten sie auf ihre verschiedenen Arbeiten, seien es ausgefallene Webbänder in der Brettchenwebtechnik oder Kettenanhänger aus Speckstein. Manchen stellten Geschenke her, die sie ihren Lieben und Freunden mitnehmen wollten – auf diese Weise hat ein schönes Vogelhäuschen mit Kerstin die Heimreise nach Kassel angetreten. Auch kleine Traditionen pflegen die Freundeskreise in Nieder-Moos bereits: Auf dem selbstgemachten Insektenhotel werden seit Jahren Plaketten für die Treffen angebracht – natürlich auch dieses Mal wieder. Und ein Baum, der schon vielfach umgesetzt wurde, steht für die Widerstandskraft und das Durchhaltevermögen der Selbsthilfegruppe und ihrer Menschen.

14 regionale Vereine gehören zum Landesverband. Sie kommen aus Altenstadt, Bad Nauheim, Dillenburg, Fulda, Hanau, Hessisch Lichtenau, Kassel, Montabaur, Oberhessen, Osthessen, Selters, dem Vogelsberg und dem Westerwald. Ihr Motto in diesem Jahr lautete „Optimisten fürs Leben.“ Dazu Thomas Steinhäuser: „Wir schauen immer auf das, was geht, und nicht darauf, was nicht geht. Wir alle haben viel erlebt, aber wir haben auch jeden Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu gehen.“

Fotos: T. Schlitt

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