Gunther Thias von der HLG im Gespräch über das Industriegebiet „Weißer Weg“„Wir gehen davon aus, dass die Erschließungsarbeiten im Frühjahr 2024 beginnen können“
ExklusivALSFELD (jal). Das Industriegebiet „Weißer Weg“ ist ein Mammutprojekt für Alsfeld. Bei der Planung hat sich die Stadt deswegen Hilfe geholt – und zwar bei der HLG. Im Interview mit OL erklärt deren Mitarbeiter Gunther Thias, was sich hinter diesen drei Buchstaben verbirgt – und wie seine Kollegen und er versuchen, Naturschutz, Landwirtschaft und Bauvorhaben unter einen Hut zu bringen.
Als Gunther Thias die Redaktionsräume von Oberhessen-live betritt, funkelt das Logo mit dem hellgrünen L an seinem Revers. Die Hessische Landgesellschaft, wie die HLG ausgeschrieben heißt, ist eine GmbH und staatliche Treuhandstelle, die hauptsächlich vom Land Hessen getragen wird, an der aber auch die Landesbank Hessen Thüringen, der Bauernverband und einige Landkreise und Kommunen beteiligt sind.
Die Aufgaben der 1919 gegründeten Gesellschaft sind wirklich vielschichtig. Thias beschreibt seine gut 170 Kollegen und sich als die „Grundstücksexperten des Landes Hessen“ mit Fokus auf den ländlichen Raum. Bei der HLG laufen verschiedene Belange und Interessen in Bezug auf Grundstücke in Regionen wie dem Vogelsberg zusammen. So hilft die GmbH Landwirten bei der komplexen Beantragung von Fördermitteln für Stallungen, verwaltet und verpachtet landwirtschaftliche Güter im Besitz des Landes, sogenannte Staatsdomänen, kauft im Auftrag von Behörden Grundstücke an, auf denen Straßen oder Schienen gebaut werden sollen, kümmert sich um Naturschutzmaßnahmen bei Bauprojekten, und – ganz wichtig: übt in bestimmten Fällen ein Vorkaufsrecht aus und sorgt unter anderem so dafür, dass der Landwirtschaft genügend Äcker und Wiesen zur Verfügung stehen.
Und dann gibt es noch die Aufgabe, die Thias an diesem Tag in die OL-Redaktion führt. Die HLG bietet Kommunen wie Alsfeld an, sie rundum bei der Umsetzung eines Projekts wie der Schaffung eines Industriegebiets zu unterstützen. Gunther Thias selbst hat für die HLG im Auftrag der Stadt Alsfeld die Grundstücke, auf denen unter anderem DHL Express seinen Deutschland-Hub bauen will, angekauft. Im Interview mit OL erklärt der Vogelsberger nun, wie solche Gespräche ablaufen, welche Schwierigkeiten es gab – und wann die Arbeiten am Weißen Weg voraussichtlich losgehen werden.
Das Interview
Oberhessen-live: Herr Thias, wir haben im Vorgespräch über die Aufgaben der HLG gesprochen. Das sind ja wirklich eine ganze Menge. Wenn wir uns jetzt auf Ihr Engagement beim Industriegebiet Weißer Weg konzentrieren. Sie haben also für die Stadt die Grundstücke, auf denen die Logistikhallen gebaut werden sollen, angekauft. Ähnlich wie Sie das tun, wenn die Bahn irgendwo neue Schienen verlegen will und dafür Grundstücke braucht?
Gunther Thias: Genau. Auch Kommunen können die HLG beauftragen, für Bauprojekte nach fest vorgeschriebenen Vorgaben Grundstücke anzukaufen. Genau das haben wir für die Stadt Alsfeld beim Industriegebiet Weißer Weg getan. Aber das war nicht unsere einzige Aufgabe bei dem Projekt.
Was kam denn noch dazu?
Wir arbeiten schon über 40 Jahre mit Alsfeld zusammen, in verschiedenen Projekten. Die Stadt hat beim Weißen Weg sozusagen das Komplettpaket gebucht. Dabei unterstützen wir die Kommune ab der Idee für ein Projekt bei allen nötigen Planungs- und Arbeitsschritten, um unbebaute Fläche so zu erschließen, dass darauf gebaut werden kann – zum Beispiel ein Industriegebiet. Dabei arbeiten wir als Projektleiter auch mit externen Experten zusammen und bieten Finanzierungsmöglichkeiten an. Am Ende sind die Grundstücke vermarktet, Straßen führen dorthin, Versorgungsleitungen sind gelegt. Es fehlen nur noch die Gebäude.
Bleiben wir nochmal beim Ankauf der Grundstücke für solche Projekte. Das ist bestimmt nicht einfach. Nicht jeder will vermutlich sofort verkaufen.
Natürlich gibt es immer wieder Menschen, die zögern, weil sie zwar verstehen, dass eine Straße oder ähnliches gebaut werden soll, damit aber einfach nicht einverstanden sind. Außerdem trennt man sich schwer von Eigentum, aus ganz unterschiedlichen Gründen, finanziellen, steuerlichen oder sentimentalen. Uns ist daher der persönliche Kontakt wichtig. Wir kommen raus zu den Menschen und erklären unser Anliegen, ehrlich und transparent. Die Leute müssen sich verstanden und abgeholt fühlen. Und wir machen deutlich, dass wir niemanden bevorzugen.
Das heißt, es macht keinen Sinn, als Letzter zu verkaufen und auf einen höheren Preis zu hoffen?
Genau, das ist uns ganz wichtig. Ohne Gleichbehandlung gibt es kein Vertrauen. Jeder bekommt im Verhältnis das Gleiche.
Und wenn sich jemand weigert, für den Preis zu verkaufen?
Dann sind wir als HLG erst einmal raus. Unser Modell basiert auf Freiwilligkeit. Die Kommune kann dann aber aktiv werden und ein so genanntes Baulandumlegungsverfahren anstoßen. Das ist keine Enteignung, sondern ein mit gesetzlichem Zwang arbeitendes Tauschverfahren von Grundstücken, bei dem der Eigentümer gewisse Einschnitte hinzunehmen hat. Diese Möglichkeit gibt es immer. Ein verkaufsunwilliger Eigentümer kann ein geplantes Bauprojekt also nicht verhindern. Dieses Verfahren ist Sache der Kommune, aber wir können sie dabei unterstützen – indem wir nach verfügbaren Tauschflächen suchen, zum Beispiel.
Da klingt an, was Sie in unserem Vorgespräch erklärt haben: Sie versorgen die Landwirtschaft mit dem nötigen Land.
So ist es. Einem Landwirt wird seine wirtschaftliche Grundlage entzogen, wenn sein Land bebaut wird. Da hilft eine Geldentschädigung wenig. Also helfen wir der Kommune in solchen Fällen, Land zu finden, welches der Landwirt pachten oder kaufen kann. Die Stadt Alsfeld hat das übrigens beim Weißen Weg ziemlich gut gemacht.
Inwiefern?
Sie hat uns früh beauftragt, landwirtschaftliche Fläche in der Region anzukaufen. Diese konnte den Bauern, auf deren Feldern nun das Industriegebiet gebaut wird, angeboten werden. Der Weiße Weg ist mit gut 40 Hektar unser größtes Projekt in Mittelhessen. 2017 haben die Planungen dafür angefangen. Weil viele Projektschritte parallel liefen und auch wegen der Größe war das Vorhaben für uns durchaus anspruchsvoll.
Wie ist denn der aktuelle Stand bei dem Projekt?
Der Bebauungsplan ist durch das Regierungspräsidium genehmigt und mittlerweile veröffentlicht. Das Ausschreibungsverfahren für die Erschließungsarbeiten läuft noch. Wir gehen davon aus, dass die Erschließungsarbeiten im Frühjahr 2024 beginnen können.
Nicht jeder in der Region ist Fan des Industriegebiets. Es gab im Vorfeld Proteste von Anwohnern und Umweltschützern. Wir sind nicht weit entfernt vom Dannenröder Wald, in dem heftig gegen den Ausbau der A49 protestiert wurde. Rechnen Sie bei den Arbeiten mit Störungen?
Sie sprechen da etwas Richtiges und Wichtiges an. Überall dort, wo größere Eingriffe gemacht werden, gibt es nicht nur Zustimmung. Aber wir bewegen uns völlig auf dem Boden der rechtlichen Normen im Baugesetzbuch bei diesem Projekt. Da haben wir versucht, größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen, um keine Verfahrensfehler zu begehen. Uns ist bewusst, dass es da Widerstand gegeben hat.
Aber bei der Aufstellung des Bebauungsplans können Bedenken und Kritik angemeldet werden. Die Dinge, die eingegangen sind, haben wir ordnungsgemäß bearbeitet. Der Bebauungsplan war dreimal in der Offenlage, es sind dreimal Einwände gekommen, die immer wieder eingearbeitet worden sind. Wir rechnen jetzt nicht mit massivem Protest bei den Arbeiten. Wenn dann doch auf einmal ein Zelt auf dem Grundstück steht, dann müssen wir reagieren. Bisher haben wir aber keine Hinweise, dass das so sein wird.
Die Kritik, die vorgebracht wurde, richtete sich vor allem gegen die Versiegelung und damit die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen. Flächen, die sie ja eigentlich bewahren sollen.
Bei der HLG treffen sich viele Nutzungskonflikte mit Bezug zu Grundstücken. Unsere Aufgabe ist es, die zu moderieren. Es ist richtig: Wir können nicht jede Versiegelung verhindern. Aber ich glaube, wir haben beim Weißen Weg ein ordentliches Bodenschutzkonzept sowie ein ordentliches Naturschutzkonzept abgeliefert. Und auch für die Landwirtschaft haben wir insbesondere mit unseren vorher gesammelten Tausch- und Ersatzflächen eine gute, ausgewogene und faire Behandlung angeboten. Dennoch lief nicht alles total reibungslos. Natürlich waren da emotionale Sachen dabei, wo jemand gesagt hat, er müsse sich überlegen, ob er seinen Betrieb überhaupt weiterführen könne, wenn er die Fläche abgibt.
Alles in allem haben wir aber ohne größere Probleme in relativ kurzer Zeit sehr viele Flächen für das Industriegebiet kaufen können. Ein Baulandumlegungsverfahren, also eines dieser gesetzlich geregelten Tauschverfahren, läuft noch. Aber wir sind zuversichtlich, dass das bald abgeschlossen sein wird.
Bürgermeister kommen und gehen, aber Bausünden bleiben ewig bestehen…
Sie sind nur ein kleines Licht bei dieser Sauerei.Und wessen Brot ich Ess dessen Lied ich Sing.Die Täter sind die Stadtverordneten, in verbindung mit den höheren Ebnen.Das GELD HAT ENTSCHIEDEN NICHT DIE VERNUFT.