Gesellschaft0

Faktencheck zur Klimaanpassung in der Wasserwirtschaft zeigt langsame Fortschritte und dringenden HandlungsbedarfUmweltschonende Grundwassergewinnung in Hessen stagniert trotz positiver Tendenzen

VOGELSBERG (ol). Trotz einiger positiver Entwicklungen bei der Umweltschonenden Grundwassergewinnung in Hessen ist die Klimaanpassung in der Wasserwirtschaft nur vereinzelt angekommen. Die Schutzgemeinschaft Vogelsberg fordert daher von der neuen Landesregierung und den Kommunen eine konsequentere Umsetzung des Zukunftsplans Wasser, um nachhaltige Fortschritte zu erzielen. Ein Faktencheck verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf.

Der hessische Zukunftsplan Wasser und seine praktische Umsetzung im Sinn der Umweltschonenden Grundwassergewinnung haben in den letzten beiden Jahren Fortschritte gemacht. Allerdings sei diese Entwicklung zaghaft, könne an der Politik jederzeit noch scheitern und komme in vielen Bereichen gewaltig zu spät. Zu diesem Ergebnis kommt die Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. (SGV) laut einer Pressemitteilung in ihrer aktuellen Zusammenschau der Fakten bei der längst überfälligen Klimaanpassung der Wasserwirtschaft. Um die positiven Tendenzen bei der Grundwasserschonung zu stärken und zu beschleunigen, habe sie die potenziellen Koalitionspartner einer künftigen Landesregierung aufgefordert, zusammen mit den Kommunen konsequent die Maßnahmen des Zukunftsplans zu realisieren. Denn die Parteien hatten sich vor der Wahl überwiegend dafür ausgesprochen, heißt es.

Um die Umsetzung nicht scheitern zu lassen, müsse das Land in 2024 die drei wichtigsten Grundlagen schaffen, die im Zukunftsplan vorgegeben werden: ein Finanzierungsinstrument, aus dessen Aufkommen das Land effektive Anpassungsmaßnahmen finanziell fördert, einen technischen Gebäudemindeststandard für das Einsparen von Trinkwasser auch durch das Verwenden von Betriebswasser sowie ein unabhängiges Wasserkompetenzzentrum des Landes zwecks Programmsteuerung und Beratung von Akteuren, so die Schutzgemeinschaft. Und es müsse seinem eigenen, ebenfalls festgeschriebenen Anspruch gerecht werden, bei allen Anpassungsmaßnahmen in seinen eigenen Liegenschaften und Programmen eine Vorreiter- und Vorbildfunktion zu erfüllen. Eine entsprechende Selbstverpflichtung dürfe im künftigen Koalitionsvertrag nicht fehlen, denn bei der praktischen Realisierung beispielsweise der Betriebswassernutzung habe das Land in den letzten Jahren unter anderem bei seiner Nassauischen Heimstätte und den Universitätsneubauten kläglich versagt.

Wichtige Anpassungsinitiativen haben auch einige andere Einzelakteure ergriffen. So hat eine Arbeitsgruppe mit dem Städte- und Gemeindebund eine Zisternenmustersatzung veröffentlicht, die es den Kommunen endlich ermöglicht, für ihren Versorgungsbereich zwecks Entlastung eine Betriebswassernutzung vorzuschreiben, heißt es. Ebenso greife eine neue, rechtssichere Musternotstandsverordnung den Kommunen unter die Arme, mit der bei drohendem Wassermangel der Verbrauch stufenweise eingeschränkt werden könne. Einzelne Kommunen haben allerdings schon davor diese und ähnliche Maßnahmen des Zukunftsplans in ihre Verwaltungsroutinen integriert, so die Vertreter der Schutzgemeinschaft.

Ein herausragendes, beispielgebendes Pilotprojekt zur Grundwasserschonung, das in den letzten beiden Jahren konkrete Formen angenommen habe, treibe ausgerechnet der Wasserverband Kinzig WVK voran, der nicht nur nach Ansicht der SGV früher rücksichtslosen Grundwasserraubbau betrieben habe. Wie bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2022 im Oktober 2023 erläutert wurde, wolle er bei Bad Soden ab 2028 pro Jahr bis zu 9 Million Kubikmeter Stauseewasser ohne Bodenpassage zu hochwertigem Trinkwasser aufbereiten. Durch ein flexibles Kombinieren von Grund- und Oberflächenwassernutzung solle damit die Trinkwasserversorgung auch in extremen Trockenzeiten abgesichert und die Grundwasserneubildung erheblich unterstützt werden.

Sollte diese Methode der grundwasserunabhängigen Versorgung Schule machen, und sollte zudem das System der örtlichen Betriebswasserversorgung endlich flächendeckend realisiert werden, würde die Klimaanpassung einen gewaltigen Umsetzungsschub erfahren, erläutert die Schutzgemeinschaft. Deshalb arbeite die SGV in Kooperation mit anderen Verbänden intensiv an der weiteren Maßnahmenumsetzung des Zukunftsplans mit. Je mehr kommunale Wasserkonzepte große Teile des Maßnahmenkatalogs übernehmen, und je mehr Kommunen wie zum Beispiel Altenstadt und Florstadt die ganzjährige Betriebswassernutzung in B-Plänen vorschreiben, desto größer seien die Erfolgsaussichten.

Leider aber fehle es gerade in vielen Verbrauchsgebieten immer noch an der Einsicht, dass die konsequente Klimaanpassung wichtiger ist als das Geldverdienen durch Trinkwasserverkauf, heißt es. So werde der Trinkwasserverbrauch in Frankfurt nach wie vor durch riesige Neubauprojekte wie die DFB-Akademie oder die neuen Hochhauskomplexe völlig unnötig, aber offensichtlich profitabel, hochgetrieben. Hier, wie in anderen Städten des Ballungsraums auch, rauschen allen Versprechungen von Entscheidungsträgern zum Trotz in den Neubauten für die nächsten 100 Jahre große Trinkwassermengen durch die WC-Spülungen und Waschmaschinen. Obwohl genügend Betriebswasser vor Ort wäre, kritisiert die SGV.

Dieses nicht wiedergutzumachende, politisch gewollte Versäumen von Substitutionspotentialen sei immer noch eine gängige Praxis, die den Zukunftsplan Wasser und die Umweltschonende Grundwassergewinnung torpediere. Daran werden auch neue Förderprogramme wie die Frankfurter Bezuschussung für Regenwasserversickerung und Rückhaltezisternen nichts ändern, so die SGV. Solange Baugenehmigungen nicht von einer ganzjährigen Betriebswasserversorgung abhängig gemacht werden, werde die Trinkwasserverschwendung weitergehen. Förderprogramme werden ohnehin erst dann glaubwürdig, wenn die entsprechenden Anlagen wie im Fall Frankfurt von städtischen Unternehmen wie der ABG tatsächlich gebaut und betrieben werden, heißt es weiter.

Das gelte ebenfalls für die weitere Umsetzung des Zukunftsplans. Hier stehen jetzt das Land und die Kommunen, aber auch alle anderen Beteiligten wie Bauträger, Planer, Versorger sowie die Berufs- und sonstigen Verbände mit ihren Netzwerken in der Verantwortung, so die Vertreter der Schutzgemeinschaft.

Wie in den letzten Jahren wiederholt aufgetreten, brauche es zur breiten Umsetzung des Zukunftsplans wohl aber, neben dem laufenden Anmahnen seitens des Naturschutzes, erst noch weitere verheerende Dürreperioden. Denn viele uneinsichtige Entscheidungsträger behaupten jetzt schon wieder, die ausgiebigen Niederschläge der letzten Wochen würden beweisen, dass ein Weitermachen-wie-bisher möglich wäre. Was den Analysen der Hessischen Landesanstalt für Umwelt widerspreche: 2023 haben die trockenen und heißen Monate Mai und Juni die Wasserstände stark sinken lassen, der viele Regen in Juli und August wurde von der Vegetation verdunstet, September und Oktober waren zu trocken und zu warm, und die ausgiebigen Niederschläge seit Mitte Oktober haben gerade mal eine ausreichende Bodenfeuchte erzeugt. Das sind die Fakten – alles andere ist Wunschdenken. Wer in der Wasserwirtschaft nicht langfristig vorbeugt, darf sich später über Notstände nicht wundern, so die SGV abschließend.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren