Tierisches Selbstbewusstsein für die SchullaufbahnProjekt der KiTa Rodenberg: Tiergestützte Entdeckungskiste für die Vorschulkinder
ALSFELD (ol). In einem 15-wöchigen pädagogischen Programm der KiTa Rodenberg konnten Vorschulkinder durch den Kontakt mit unterschiedlichen Tieren ihre motorischen, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten weiterentwickeln. Das Projekt steigerte das Selbstbewusstsein der Kinder und ermöglichte ihnen, ihre eigenen Ressourcen für die bevorstehende Schulzeit zu erkennen.
„Können wir bei dir nicht mal eine Übernachtungsparty machen?“, „Darf ich bei dir einziehen?“ oder „Ich komme dich jede Woche besuchen!“ – Fragen und Versprechen zum Abschluss eines schönen Projektes, dass die Kindertagesstätte „Am Rodenberg“ laut einer Pressemitteilung mit ihren Vorschulkindern im gerade zu Ende gegangenen Kindergartenjahr gemeinsam mit der Alsfelder Coaching.Praxis IMPULS durchgeführt hat.
Unter dem Motto: „Starke Kids – von und mit Tieren lernen“ hatte Praxisinhaberin Anja Kierblewski ein 15-wöchiges pädagogisches und entwicklungsförderndes Programm für die Sechsjährigen konzipiert, in dem diese die tierischen Co-Therapeuten der 48-jährigen Alsfelderin kennenlernen und auf Tuchfühlung gehen konnten: Kaninchen, Zwerghühner, Landschildkröten, Achatschnecken, Hunde, Pferde, Kühe, Schweine, Ziegen und Schafe begeisterten die Kinder bei jeder Begegnung – so sehr, heißt es, dass unter anderem die Ängstlichen mutig, die Lauten leise, die Langsamen schnell oder umgekehrt wurden.
Während die Kinder nach und nach die kleinen und großen Tiere und ihre Tierfamilien kennenlernten, etwas über deren artgerechte Haltung, Pflege und Ernährung erfuhren, wissbegierig viele Fragen stellten und die jeweiligen Tiere beobachteten, streichelten oder fütterten, übten die zukünftigen Schülerinnen und Schüler nebenbei sich zu konzentrieren, trainierten ihre motorischen und feinmotorischen Fähigkeiten, schulten ihre Sinne und vor allem auch sprachliche und kognitive Fähigkeiten. Mehr noch: Im Beisein und Begleitung der Tiere, fiel ihnen das Lernen leicht, sie trauten sich Dinge, die sie sich vorher nicht getraut oder probiert hätten und erfuhren so, was alles in ihnen steckt und auf welche Ressourcen sie in ihrer jetzt beginnenden Schulzeit zurückgreifen können, so KIerblewski.
Auch übten sie sich darin ohne Frustration, Wut und Tränen Dinge zu akzeptieren – wenn zum Bespiel ein Hase nicht freiwillig aus der Hand aß oder das Huhn schnell wieder von der Schulter fliegen wollte – ohne sich selbst dabei als „nicht gut genug“ oder „unfähig“ zu fühlen, hieß es weiter.
„Manchmal habe ich meinen Augen nicht getraut, als ich gesehen habe, was die Kinder alles probiert und mitgemacht haben“, erinnert sich Heike Schweiner, ehemalige Leiterin der Kindertagesstätte und Initiatorin des Projektes. „Gerade als wir auf dem Bauernhof waren und Anja Kierblewski das Thema Nutztiere durchgenommen hat, probierten auch diejenigen Kinder die Lebensmittel aus Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch, die sonst eher schwierig beim Essen sind.“
„Das ist die Besonderheit bei der tiergestützten Arbeit – ob in der Pädagogik, im Coaching oder Therapie“, erläutert Kierblewski. „Alleine durch die Anwesenheit von Tieren passiert schon so viel, die Kinder sind motiviert, erleben sich selbst neu und in anderen Kontexten, werden fürsorglich, ruhig, bekommen durch die Reaktion der Tiere ihre Verhalten gespiegelt und lernen darüber sich auszudrücken und zu reflektieren.“
In jeder Einheit, in der ein neues Tier vorgestellt wurde, ergänzte Kierblewski, die inzwischen auch Dozentin an einer Ausbildungseinrichtung für Tiergestützte Systemische Fachkräfte, Berater und Coaches und als Supervisorin tätig ist, kleine kreative Übungen oder Erlebnisse. „Beim Thema Hühner haben wir natürlich frische Eier aus dem Stall geholt und diese zu Rührei verarbeitet, das die Kinder probieren durften“, nennt die Pädagogin ein Beispiel. „Jedes Kind hat ein Ei aufgeschlagen – das war für manche feinmotorisch keine leichte Aufgabe. Dabei ist Feinmotorik wichtig, um Schreiben zu lernen.“
Beeindruckt hat selbst die erfahrene Fachkraft vor allem die Wirkungsweise von den Großen Achatschnecken auf die Kinder: „Es gibt in dem Jahrgang zwei, drei Kinder, für die es eine große Herausforderung ist für eine kurze Zeit ruhig zu sitzen – mit einer Schnecke auf der Hand war das aber überhaupt kein Problem mehr!“ Ein Mädchen, dem es besonders schwer zu fallen schien, habe eine Dreiviertelstunde ganz ruhig die Schnecke mit ihren grazilen Bewegungen beobachtet – und auch die anschließenden Schwungübung, um mit Zauberstiften die Schnecken-Schleimspur sichtbar zu machen – führte sie unerwartet konzentriert und präzise durch, so die Pädagogin.
Aber auch andere Tiere zeigten wie geplant ihre Wirkungsweisen: Beim Pferd wurde durch das Führen Körperhaltung, Selbstvertrauen, Abgrenzung und im Parcoursbauen Teamarbeit geübt. Mit den Hasen lernten die Kinder etwas über gesunde Ernährung und ihre eigene Kraft beim Halten der Löwenköpfchen einzuschätzen. Durch den Hund erfuhren sie etwas über Umweltschutz, soziales Verhalten, Respekt und Rücksichtnahme und lernten worauf es bei einem sicheren Umgang mit fremden Hunden ankommt. Und mit den Schildkröten – um ein letztes Beispiel zu nennen – machten sich die Kinder auf Erkundungstour durch die heimische Pflanzenwelt, säten selbst Futterblumen in kleinen Töpfen, um die sie sich über Wochen fürsorglich kümmerten.
In dem Projekt ging es aber nicht nur um Haustiere. „Mir war es wichtig, dass die Kinder auch an das Thema Nutztiere herangeführt werden. Dort erlebten sie zum einen all ihre Sinne bewusster, bauten Berührungsängste ab – auch gegenüber den großen Tieren wie Pferd oder Kühe oder aufdringlichen Tieren wie Schafen und Ziegen – und erfuhren vieles über den Nutzen der Tiere für die Menschen: Lebensmittel wie Milch, Eier, Fleisch oder tierische Rohstoffe wie Leder, Wolle, Haare oder Federn“, erklärte Kierblewski.
Je nach Tierart und dem entsprechenden kreativen Begleitprogramm dazu, hätten sich die Kinder selbst – aber auch die Erzieherinnen, die die Kinder in den Kleingruppen begleiteten, besser kennengelernt, neue Seiten an sich entdeckt und vor allem Selbstvertrauen entwickelt. Kierblewski: „Das ist wohl etwas, das die Kinder zum Start ihrer Schullaufbahn gut gebrauchen können.“
Noten gab es natürlich bei dem Projekt der Rodenberger „Entdeckungskiste“ nicht, aber eine Teilnahmeurkunde, auf der festgehalten wurde, welche wunderbaren und wichtigen Erfahrungen die Kinder in der gemeinsamen Zeit mit den Tieren und der tiergestützten Pädagogin zum Ende ihrer Kindergartenzeit gemacht haben.
Fotos: Anja Kierblewski
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