KOMMENTAR zum Zank um MultifunktionsturmBaut den Turm auf der Herchenhainer Höhe!
MeinungHERCHENHAIN. In Herchenhain soll ein Aussichtsturm gebaut werden, an dem auch Funktechnik angebracht werden soll. Wieder einmal formiert sich Protest erst spürbar, als schon alles beschlossen ist. So werden wir den Kampf gegen den Klimawandel verlieren – und unseren Wohlstand gleich mit, kommentiert Juri Auel.
Bei den Worten „Aussichtsplattform“ und „Gemeindebeschluss“ kann man als geneigter Zuschauer etwaiger Realsatire-Formate des deutschen Fernsehens schon mal schlucken. In Sendungen wie „Extra 3“ sind sie immer wieder zu sehen: grotesk hässliche Stahlkonstruktionen in der deutschen Pampa, die es geschafft haben, als förderwürdiges Tourismusprojekt anerkannt zu werden. Da stehen sie dann, in Hintertupfingen. Tausende Euro teuer und verwaist, weil wer auf sie hochkraxelt, dasselbe sieht wie der, der unten bleibt: Einfach. Komplett. Nix.
Nun soll also auch in Herchenhain ein Aussichtsturm entstehen. Doch das Projekt, unglücklicherweise bürokratisch, technisch und lieblos Multifunktionsturm genannt, taugt nach jetzigem Stand aus mehreren Gründen nicht als Stoff für Satiresendungen: Es soll mitten in einer wunderschönen Landschaft entstehen, wo es vieles zu sehen gibt, nur eben kein Nix.
Ein Blick auf das Projekt: So soll der Multifunktionsturm aussehen – jedenfalls wenn er gebaut werden sollte. Insbesondere die Kosten von rund 124.000 Euro, die auf die Gemeinde selbst zukommen, sorgten in der Vergangenheit für Diskussionen – auch im Gemeindeparlament. Visualisierung: Gemeinde Grebenhain
Die Konstruktion ist ästhetisch ansprechend geplant, nicht zu klein und soll dazu auch noch einen echten Nutzwert haben. Der Energieversorger Ovag will an ihr Funktechnik anbringen. Aber nicht irgendeine. Bundesweit wird gerade ein neues 450-Megahertz-Netz aufgebaut. Ausgestattet mit einer Notstromversorgung soll es helfen, auch in Krisenszenarien wie Stromausfällen unser modernes Stromnetz aus vielen Photovoltaik- und Windkraftanlagen steuerbar zu halten. Das Netz ist also wichtig, um Infrastruktur zu schützen und unangreifbarer zu machen. Spätestens seit dem Ukrainekrieg wissen wir alle, wie wichtig so etwas ist.
Das Netz ist sogar so wichtig, dass so oder so ein Mast dafür gebaut würde. Die Verantwortlichen waren nur so clever, eine hübsche Form dafür zu suchen. Und kamen so auf die Idee, die Technik an einem schicken Aussichtsturm anzubringen.
Aber wir wären nicht in Deutschland, wenn es nicht Protest gegen das Projekt geben würde – der erst wirklich spürbar wird, wenn dafür vorgesehenen Schritte, Offenlegungen und Anhörungen längst geschehen sind. Natürlich ist Protest legitim. Es sollte in einer Demokratie auch möglich sein, Beschlüsse jederzeit wieder zu ändern. Nur was heißt das für die Entwicklungschancen unseres Landes und auch unseres Kreises, wenn extra vorgesehene Dialogchancen zu Beginn eines Bauprojekts ins Leere laufen, das Geschrei aber dann groß wird, wenn eigentlich alles beschlossene Sache ist? Wie wollen wir so die Energiewende schaffen? Den Klimawandel bekämpfen? Mit anderen Wirtschaftsstandorten mithalten?
Noch bedauerlicher wird das Ganze, wenn man sich die Kritikpunkte der Gegner anschaut.
Da wäre das Argument der schädlichen Strahlung. Wollen wir uns ernsthaft bei jedem frischem Funk- und Handymast auf lokaler Ebene aufs Neue mit der Grundsatzfrage befassen, welche Risiken von der Technik eventuell ausgehen könnten? Die Politik hat auf wissenschaftlicher Grundlage Grenzwerte festgelegt, Behörden überwachen ihre Einhaltung. Die Energiewende, der Kampf gegen den Klimawandel und unser Wohlstand sind verloren, wenn wir bei dieser Frage nicht mehr Pragmatismus an den Tag legen und unseren eigenen Sicherheitssystemen mehr vertrauen.
Das zweite Argument der Gegner stellt den Turm als eine Art Umweltbedrohung dar. Durch das Ausflugsziel könnten so viele Touristen angezogen werden, dass die Natur in Mitleidenschaft gezogen würde. Die Region sei lediglich auf „sanften“ Tourismus ausgelegt.
Wenn man das hört, dann muss man sich schon fragen: Was bitte ist sanfter in Sachen Tourismus als ein Aussichtsturm, mit dem die Menschen einen besseren Blick auf die zweifelsfrei schöne Landschaft haben sollen? Jeder Fahrradweg, jede Wanderstrecke ist ein Eingriff in die Natur. Wer sich im schönen Vogelsberg erholen möchte, will doch nicht nur auf einer grünen Wiese sitzen. Einen Aussichtsturm so darzustellen, als greife er wie eine neue Skipiste samt Lift und beides benutzende Menschenmassen ins Ökosystem ein, schießt eindeutig übers Ziel hinaus. Der Turm wird keine verblendeten Abenteuerjunkies anziehen – sondern Menschen, die die Aussicht und damit die schöne Natur um ihn herum zu schätzen und zu bewahren wissen.
Es ist daher traurig, wenn sich Naturschutzverbände eher leicht skeptisch bis zurückhaltend zu dem Projekt äußern. So zementieren sie ihr Image, bloße „Verhinderer-Verbände“ zu sein. Wer sagt denn, dass mögliche Eintrittsgelder des Turms nicht genutzt werden könnten, um die umliegende Natur zu erhalten, für Aufforstungsmaßnahmen, zum Beispiel? Der Turm kann für die Menschen, die Wirtschaft und die Natur vor Ort gleichermaßen eine Chance sein.
Es bleibt den Gegnern des Projekts daher zu empfehlen, sich bis dass der Turm auf der Herchenhainer Höhe steht, schonmal nach einer anderen Aussichtsplattform umzuschauen, für einen kleinen Ausflug dahin. Vielleicht schärft ein Spaziergang in luftiger Höhe ja auch im übertragenen Sinne die Weitsicht.
Eine super Idee, warum aus einem normalen Sendemast keine „Touristenattraktion“ machen???? Der Multifunktionsturm mit Aussichtsplattform ist eine super Möglichkeit den Sendemast sinnvoll aufzuwerten. Egal was kommt, einen Turm gibt es eh, da wäre jeder nicht von Sinnen, wenn er so eine Gelegenheit nicht nutzt und stattdessen verstreichen lässt!!! Ich sehe bei dieser Aktion nur Vorteile und hoffe sehr, dass auch die ganzen „Multitunktionsturm-Gegner“ zu Verstand kommen und aufhören sich dagegen zu wehren und sich lieber um wichtigere Dinge kümmern würden. Ein dickes Dankeschön an alle die versuchen dieses Projekt umzusetzen und sich dafür einsetzten!
Volle Zustimmung zum Kommentar. Der neue Turm wird die Herchenhainer Höhe aufwerten.
Is mir eigentlich egal ob da ein Turm steht oder nicht bei der Menge an Windrädern, die in den nächsten Jahren noch in den Vogelsberg geschafft werden, fällt so ein Turm nicht auf.
Ich würde die Standorte aber jedem per Post mitteilen, damit jeder weiß, wo ich diese Stationen finde, welche zum Schutz von systemkritischer Infrastruktur gebaut werden, wenn ich Sie zerstören will.
Ein Baumwipfelpfad wäre vielleicht schön gewesen!
Ein wirklich guter Kommentar, den man übrigens für fast jedes neue Projekt in Deutschland anwenden kann.