Sozialraumorientierte Jugendhilfe im Vogelsbergkreis feiert JubiläumEine Erfolgsgeschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben ist
VOGELSBERG (akr). Kaum wurde das 50-Jährige Bestehen des Vogelsbergkreises groß gefeiert, stand an diesem Donnerstag ein weiteres bedeutendes Jubiläum auf dem Programm: Zehn Jahre Sozialraumorientierte Jugendhilfe – eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben wurde.
Zehn Jahre Sozialraumortientierte Jugendhilfe im Vogelsberg – genau das wurde am Donnerstag groß gefeiert. Rund 250 Gäste hatten sich hierzu in der Alsfelder Stadthalle versammelt. „Ich bin überwältig, dass Sie so zahlreich erschienen sind“, freute sich Christian Kornmann vom Jugendamt, der nicht nur ein Wegbegleiter des Umsetzungsprozesses ist, sondern an diesem Tag auch als Moderator durch den Abend führte.
Doch zunächst einmal ein kleiner Exkurs, was Sozialraumorientierung eigentlich bedeutet. „Sozialraumorientierung ist ein Konzept in der Sozialen Arbeit und gleichermaßen eine Strategie zur Bewältigung der Anforderungen von Inklusion und des demographischen Wandels. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Veränderung der Lebenswelten, die in Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und denjenigen Menschen erfolgt, die einen Hilfebedarf formulieren“, heißt es in dem dazugehörigen Konzept des Vogelsbergkreises.
Die Ziele der Umstrukturierung der Jugendhilfe im Vogelsberg sind hierbei eine „aktivere
Beteiligung und passgenauere Hilfen für junge Menschen und Familien sowie ein effizienterer und effektiverer Einsatz der finanziellen Mittel im Vogelsberg“. Erreicht wird das durch eine zielgerichtete Kooperation der freien und öffentlichen Träger, einer gemeinsamen Haltung und ein einheitliches Fallverständnis.
Zusammengefasst: Die Jugendhilfe wird als kooperatives Handlungsfeld verstanden. Der Mensch soll möglichst in seinem Umfeld, sprich dort, wo er seine sozialen Bezüge hat, „ein flexibles, an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtetes Angebot erhalten, um seine individuellen Ziele zu erreichen“, wie es in dem Konzept heißt. Das Angebot der Jugendhilfe müsse sich immer am Bedarf des Einzelnen orientieren, nicht umgekehrt.
Dank für das große Engagement
„Wenn ich hier in den Saal hineinschaue, dann ist das etwas sehr Schönes, denn es beweist, dass wir in den vergangenen zehn Jahren sehr viel richtig gemacht haben“, freute sich auch der Erste Kreisbeigeordnete und Jugenddezernent Jens Mischak über die zahlreich erschienenen Gäste, als er als erster Redner des Abends für sein Grußwort die Bühne betrat.
Mischak bezeichnete die Sozialraumorienterte Jugendhilfe im Vogelsberg als eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben sei. Er nahm sein Grußwort zum Anlass, allen Akteuren für ihr Engagement in diesem Umbauprozess zu danken. Dieser Systemwechsel habe auf allen Seiten eine enorme Kraftanstrengung erfordert und ein gemeinsam tragendes Verständnis gefordert.
Für den Jugenddezernenten hat sich an diesem Abend sogar noch ein Wunsch erfüllt. Er wollte nämlich unbedingt Dr. Wolfgang Hinte, den „Vater der Sozialraumorientierung“ bei der Feierlichkeit zum Zehnjährigen dabei haben. Hinte war nämlich öfter zu Besuch im Kreis, „dass es so werden konnte, wie es ist, das ist auch ein Stück weit sein Verdienst“, betonte Mischak.
Vortrag des „Vaters der Sozialraumorientierung“
Anschließend betrat Prof. Dr. Wolfang Hinte, der als Vater der Sozialraumorientierung gilt, das Rednerpult. „Ich bin beeindruckt, von dem was ich gehört habe und was ich sehe. Ich fühle mich geehrt, dass ich hier reden darf“, freute sich der Professor, der in seinem spannenden und mit Humor gepaarten Vortrag sich unter anderem kritisch mit der Pädagogik und auch der „pädagogischen Besserwisserei“ auseinandersetze. Oft würden Menschen nämlich die Vokabel „aus pädagogischer Sicht“ verwenden, ohne zu wissen, was damit eigentlich gemeint sei.
Hinte betonte in seinem Vortrag, dass es nicht darum gehe, den Menschen, sondern die Sozialräume für den Menschen zu verändern. Er sprach davon, dass die Geschichte der Pädagogik eine „Geschichte der Niederlagen“ sei und dass immer, wenn gesellschaftliche Probleme auftauchten, eine neue Pädagogik geschaffen wurde, sei es beispielsweise die Konsumerziehung, Verkehrserziehung, Friedenserziehung oder Gesundheitserziehung.
Auch einen kleinen Exkurs in die Vergangenheit ließ sich Hinte nicht nehmen. Er erinnerte daran, wie damals Comics wie „Fix und Foxi“ oder „Tarzan“ als „Schundliteratur“ galten und Eltern dachten, diese würde die Jugend „versauen“, sodass sie heimlich unter der Bettdecke gelesen wurden – ebenso die Jugendzeitschrift „Bravo“, wo Lehrer der Ansicht gewesen seien, sie würden die Jugend verderben.
„Ich werbe dafür, den erzieherischen Blick abzulegen und den Menschen einfach so zu sehen, wie er in der Situation ist“, betonte er. Man solle niemanden beim Sehen etikettieren. Der nicht-erzieherische-Blick sehe den Menschen so, wie er ist, ohne ihn zu verurteilen, betonte der Kritiker des erzieherischen Blicks. „Bitte erzieht den Menschen nicht, sondern setzt gute, klare, mit dem Menschen abgesprochene Regeln für das Zusammenleben“, bat er und lobte die hohe fachliche Kompetenz und Arbeit hier im Vogelsberg.
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