"Leerstand-Rundgang" durch die Alsfelder Innenstadt„Es läuft niemand einfach rum und will ein Geschäft mieten“
ALSFELD (akr). Vor drei Jahren war die Obergasse in Alsfeld kurz davor, sich in eine Geister-Meile zu verwandeln. Mittlerweile sieht das wieder ganz anders aus. Leer stehende Geschäfte gibt es dort kaum noch. Das heißt aber nicht, dass sich das Thema Leerstand für die Stadt erledigt hat, wie sich bei einem Rundgang mit Bürgermeister Stephan Paule und Wirtschaftsförderer Uwe Eifert gezeigt hat.
Es ist nicht der erste Rundgang dieser Art für Wirtschaftsförderer Uwe Eifert. Vor genau drei Jahren schon ging er mit OL auf einen Spaziergang durch die Gassen der Alsfelder Innenstadt: Auch damals lag der Fokus auf dem Thema Leerstand. An diesem trockenen, recht kühlem Dienstagvormittag ist Eifert aber nicht allein. Er wird von Bürgermeister Stephan Paule begleitet.
„Da muss noch eine Nutzung gefunden werden“, sagt der Rathauschef, als er vor der ehemaligen Geschäftsstelle von Alexander Skalitzki steht. Seit dieser vor einigen Monaten nur ein paar Meter weiter in die Schellengasse 13 zog, steht die Räumlichkeit leer. Neben diesem gibt es in der Obergasse noch drei weitere Leerstände, so zum Beispiel das Schuhmaxx. Vor drei Jahren waren es noch deutlich mehr. Überspitzt gesagt: Die Obergasse war kurz davor, sich in eine Geister-Meile zu verwandeln.
In den vergangenen drei Jahren hat sich viel in der Obergasse verändert. So ist dort, wo einst Benetton und Zeit für Schönes ihre Räumlichkeiten hatten, nun die häusliche Krankenpflege Alina zu finden und gegenüber in dem Gebäude mit der Hausnummer 38 herrscht ebenfalls kein Leerstand mehr, sondern es werden die Nägel der Alsfelder schön gemacht. „Hier dachten wir eigentlich, es passiert nie was“, erzählt der Bürgermeister. Schon vor drei Jahren war Eifert ähnlicher Meinung, denn für eine kleine Räumlichkeit mit gerade einmal 30 Quadratmetern jemanden zu finden, sollte nicht leicht sein, prognostizierte Eifert. Doch es hat geklappt.
Mal auf Mal zu hat hingegen die Gastronomie in der Obergasse 31. „Hier haben schon mehrere Gastronomen ihr Glück versucht. Die Geschäfte, die hier rein gehen haben aber offensichtlich kein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell“, sagt Paule als er vor dem Dönerladen steht, der an diesem Tag geschlossen hat. Mittlerweile hat das Restaurant wieder geöffnet. Seiner Meinung nach hätten zu viele Eigentümerwechsel den Platz verdorben. Eifert ergänzt, dass es auch schwierig sei, ein Speisenangebot zu etablieren, dass es an vielen anderen Stellen in Alsfeld gibt.
Zwei Leerstände im Eigentum der Stadt
Ein paar Schritte weiter treffen die beiden Herren auf zwei unveränderte Leerstände: Das ehemalige Ernstings Family und die ehemalige Metzgerei Koch – beide Gebäude gehören mittlerweile der Stadt. 2020 hat die Stadt nämlich das ganze Koch-Areal gekauft. Das soll schließlich mit dem Rossmann-Tedi-Areal laut Paule einer „Gesamtneuordnung“ zugefügt werden. Vielen Alsfeldern auch besser bekannt als die von der Stadt geplante Parkfläche, die dort irgendwann entstehen soll.
Grundlegende Neuigkeiten hat der Rathauschef an diesem Tag aber nicht im Gepäck. „Die Verhandlungen dauern an“, erklärt er und blickt auf den kleinen Durchgang zwischen den Häusern. In der letzten Stadtverordnetenversammlung wurde der Kauf eines weiteren Gebäudes auf dem Areal zugestimmt, das Schlüsselgrundstück – also das Gebäude in dessen Untergeschoss Rossmann ist und oben drüber Tedi – kann allerdings vom Eigentümer aus steuerlichen Gründen nicht vor 2025 verkauft werden, wie Paule in der Sitzung erklärte. Eine mündliche Zusage gab es hier allerdings bereits.
„In diesen drei Jahren war so viel Bewegung drin, was einem auf den ersten Blick aber nicht auffällt“, sagt der Wirtschaftsförderer, als er vor der ehemaligen Bäckerei Hinnerbäcker steht. Hier befindet sich seit Kurzem ein Kosmetikstudio, zuvor war ein Corona-Testcenter und das Bekleidungsgeschäft Sagawe in den Räumlichkeiten untergebracht.
Woran es liegen könnte, dass manche Geschäfte öfter einen Wechsel erfahren? „Das liegt meistens am Eigentümer oder am Geschäftsmodell, was sich einmietet“, sagt der Rathauschef, läuft ein paar Schritte weiter und bleibt vor der ehemaligen Buchhandlung Heinz stehen. „Wer etwas tut als Mieter und Eigentümer, der hat Erfolg“, betont Eifert und meint damit das Laternchen, das vor rund eineinhalb Jahren dort Eröffnung feierte, wo früher allerhand Bücher ihr Zuhause hatten.
Mit Förderprogrammen unterstützen
84 Jahre lang war das Traditionsunternehmen „Buchhandlung und Bürobedarf Reinhold Heinz“ in der Obergasse ansässig, im September 2015 schloss der Familienbetrieb seine Pforten. Der Grund: zu viel Internet- und Supermarktkonkurrenz. Im Sommer 2021 wurde dem Leerstand wieder neues Leben eingehaucht und zuvor ordentlich in die Immobilie investiert.
Unterstützung gab es auch seitens der Stadt – und zwar durch das Förderprogramm „Lokale Ökonomie“. Mittlerweile gibt es das Förderprogramm aber nicht mehr, da es zum 31. Dezember 2022 als EU-Programm ausgelaufen ist, wie Eifert erklärt. Aktuell gibt es also nur noch die „Altstadtsanierung“, „Fachwerkstadt Alsfeld“ sowie das „Mietfreie Startquartal“.
„Besonders die Lokale Ökonomie, mit der über 450.000 Euro EU-Förderung in das Gewerbe innerhalb der Altstadt geflossen sind, hat sichtbare Ergebnisse erzielt“, freut sich der Wirtschaftsförderer. Die Förderung war nicht nur für Neuansiedlungen und Wiederbelebung von Leerständen, sondern insbesondere auch für die Unterstützung von vorhandenem Gewerbe für Modernisierung und Neuinvestitionen gedacht.
Obwohl der größte Teil der Programmlaufzeit in die Coronazeit gefallen ist, konnten insgesamt 23 Investitionen von Gewerbeunternehmen in der Altstadt gefördert werden und somit Gesamtinvestitionen von über einer Millionen Euro umgesetzt werden. „Besondere Unterstützungsbeispiele durch die Lokale Ökonomie sind unter anderem ML Fashion und Lifestyle, das Laternchen sowie die Wiederbelebung der Restaurants Pranger und Kartoffelsack, bei der die Unterstützung eine wesentliche Rolle gespielt hat“, erklärt Eifert.
Dass mitten in der Corona-Pandemie sogar noch Neueröffnungen stattgefunden haben, darunter beispielsweise das Laterchen, der Pranger – das einstige „städtische Sorgenkind“ wie Eifert es damals nannte – oder aber die Kultgastronomie Kartoffelsack, hat die Stadt natürlich sehr gefreut. Zwischenzeitlich habe Alsfeld sogar als „Vorzeigestadt“ gegolten, erinnert sich der Wirtschaftsförderer zurück. Nicht nur wegen der Neueröffnungen, sondern auch weil kaum Leerstände vorhanden gewesen seien.
„Im Sommer/Herbst 2021, als wir dachten Corona wäre vorbei, sind wir als Stadt gut raus gekommen. Und dann kam der gefühlte Lockdown Ende 2021. Der hat wehgetan, danach ist es nicht mehr so richtig in die Gänge gekommen, finde ich“, sagt Eifert. Corona-bedingte Schließungen habe es aber zum Glück nur einmal gegeben. Doch auch dieser Leerstand ist mittlerweile schon wieder Geschichte – dort ist nämlich jetzt das Reisebüro „Derpart“ beheimatet, das aufgrund des Brandes in der Obergasse im März 2020 ebenso wie das „Kännchen“ seine Räumlichkeiten verlassen musste.
Das ehemalige Kännchen ist seit der Wiedereröffnung aber nicht leer: Dort hat eine Versicherung ihre neue Heimat gefunden. Ohnehin sind es einige Dienstleister und Versicherer, die in der Obergasse mittlerweile zu finden sind.
Momentan wenig Mietinteressenten
Beim Gang über den Marktplatz müssen die beiden nicht stehen bleiben, denn leere Geschäfte gibt es hier nicht. Das ändert sich aber in der Mainzer Gasse. Vier Leerstände sind hier zu verzeichnen und alle vier befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander: Der Fotograf Zabel, das Bekleidungsgeschäft Santana, die Pizzeria von Martino Dessi und das Haus Schnitzer, wo zuletzt im Rahmen des Stadtjubiläums Ausstellungen stattfanden und zuvor die Restauratoren von „Old School“ ihre Räumlichkeiten hatten.
„Hier haben wir ein Beispiel für einen Eigentümer, der richtig agil ist“, sagt Eifert und blickt auf die Schaufenster des ehemaligen Santana. Dieser wäre nämlich sogar bereit, das gesamte Haus zu verkaufen, weil er einfach niemanden finden würde, der dort einziehen könnte. „Es ist einfach momentan wenig los was Mietinteressenten betrifft“, spricht der Wirtschaftsförderer aus Erfahrung. „Das Haus ist in Schuss“, sagt Paule und blickt ebenfalls auf die große Schaufensterfront. „Mit den großen Glasfronten wäre auch eine Cocktailbar interessant“, lächelt der Rathauschef.
Neben den Leerständen in der Obergasse und Mainzer Gasse gibt es auch noch einen in der Baugasse und insgesamt fünf im Bereich „Am Kreuz/Roßmarkt“. „Bei der Zählung nehmen wir nur die Straßen auf, die auch als Geschäftsstraßen gefühlt noch wahrgenommen werden – aufgrund ihres Charakters und auch der vorhandenen Gebäudesubstanz“, erklärt der Wirtschaftsförderer. „Insbesondere sehen wir als Geschäftsstraßen hier die Obergasse, den Marktplatz, die Mainzer Gasse, Baugasse, Obere Fulder Gasse und Am Kreuz sowie Roßmarkt.“
Leerstände in Gebäuden, die aufgrund ihrer Bausubstanz nicht mehr vermietbar seien, werden laut Eifert zunächst eher von der baulichen Seite im Rahmen der Altstadtsanierung durch das Bauamt betrachtet und gemeinsam mit dem Eigentümer versucht eine Sanierung herbeizuführen.
„Wir versuchen aktiv Leute zu finden“
Das bedeute jedoch nicht, dass die anderen Bereiche außen vor bleiben in der Bemühung Mieter beziehungsweise Alternativen und Lösungen zu finden, versichert er. „Wir versuchen aktiv Leute zu finden, dann schauen wir, welche Leerstände passen“, erklärt der Rathauschef und biegt auch zugleich in die nächste Gasse ein – und zwar am Roßmarkt.
Doch wie sucht die Stadt eigentlich nach potentiellen Mietern? „Wir sind im Internet aktiv und über Netzwerke“, bringt es Eifert kurz und knapp auf den Punkt. „Das ist der Häuserkampf, man muss immer, wenn man eine Gelegenheit aufspürt, jemanden ansprechen“, ergänzt der Rathauschef. Sprich: Selbst wenn nur jemand kurz erwähnt, dass er beispielsweise etwas sucht, Pläne hat oder sonstiges, müsse man denjenigen am besten direkt zum Gespräch einladen.
„Man versucht ihn erstmal für Alsfeld zu begeistern, zeigt ihm Locations und redet dann mit dem Eigentümer“, erklärt Eifert. Eine andere Option sei, dass das Bauamt, nachdem es mit dem Eigentümer über eine Sanierung gesprochen hat, Kontakt zu Eifert aufnimmt. „Es fragt mich dann, was denn ein passendes Geschäftsmodell sein könnte“, erzählt der Wirtschaftsförderer, ehe er sich gemeinsam mit Paule, „Am Kreuz“ entlang, wieder auf den Weg in Richtung Marktplatz macht.
Habe er eine Projektidee im Kopf, redet er mit dem Eigentümer, ob dieser sich das auch vorstellen könnte. „Und dann gehst du auf die Suche, beispielsweise über Netzwerke. Es läuft niemand einfach rum und will ein Geschäft mieten“, betont der Wirtschaftsförderer. Paule stimmt ihm zu.
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