DenkmalschutzKirchplatz 10: Ausschüsse machen Druck
ALSFELD (ls/jal). Die Opposition hat vorgelegt, die Koalition hat nachgezogen – mit ähnlich klingenden Anträgen, um die Sanierung vom Haus am Kirchplatz 10. Auch wenn die Beschlussempfehlungen im Ausschuss auseinander gingen, einig waren sich alle, dass eine Enteignung der letzte Schritt sei. Mit einem Instandsetzungsgebot ist der nächste hingegen schon greifbarer.
„Der Magistrat möge umgehend alle notwendigen Maßnahmen zum Erhalt des Gebäudes Kirchplatz 10 und zum Ankauf von Grundstück und Gebäude, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einleiten, ohne die aktuell laufenden Verfahren dabei zu behindern bzw. zu gefährden“, hieß es in einem gemeinsamen Antrag der SPD und ALA. Weiter hieß es: „Sind alle Gespräche und anderweitige Einwirkungsmöglichkeiten auf den Eigentümer gescheitert, so sind Initiativen zur Enteignung von Grundstück und Gebäude in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den übergeordneten Behörden in die Wege zu leiten.“
Die Koalition aus UWA und CDU brachte jedoch einen Gegenantrag ein, der lediglich besagte, dass die Stadtverordnetenversammlung alles tun wolle, um den Magistrat bei seinen Anstrengungen zum Erhalt und Eigentümerwechsel für das Gebäude zu unterstützen. Außerdem soll der Magistrat auf Verfahren anderer Verwaltungshoheiten hinwirken, die nicht in der städtischen Verwaltungshoheit liegen. „Insbesondere sollte ein Instandsetzungsgebot nach Paragraph 177 BauGB durchgesetzt werden“, heißt es in dem Antrag.
Kreis sieht keine Gefahr für den Bestand des Denkmals
Sollten, so sieht es der Antrag vor, alle weiteren Möglichkeiten zum Erhalt des Gebäudes nicht erfolgreich und eine Verhältnismäßigkeit einer Enteignung gegeben sein, dann soll der Magistrat zusammen mit allen anderen zuständigen Behörden das auf den Weg bringen.
„Das Gebäude hat ein Problem: Die Stadt nicht ist zuständig und kann nichts machen“, erklärte CDU-Mitglied Alexander Reinsch bei der Vorstellung des Gegenantrags. Zunächst könne nur der Kreis unterstützt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Enteignung vorliegen, dann soll enteignet werden, doch das dauere noch Jahre. „Das ist schon ein starkes Stück und wir haben nur einen Anlauf – und der muss rechtssicher sein“, sagte Reinsch.
Die Behörde hat 2018 bereits wegen Untätigkeit des Eigentümers das Haus mit Stützbalken und einem inneren Stützkorsett gesichert, ohne das das Haus wie eine Sanduhr ineinander eingesackt wäre, wie Bernhard Hofmann vom Kreisbauamt erklärte. Acht bis zehn Jahre sollen die Sicherungen halten, demnächst steht eine Überprüfung an. Kürzlich hieß es, man wolle den Schornstein entfernen, um Fußgänger vor möglicherweise herabstürzenden Teilen zu schützen. Die Maßnahme soll noch in dieser Woche geschehen. Eine „unmittelbare Gefahr für den Bestand des Denkmals“ sieht der Kreis, auch wegen den installierten Stützen, derzeit nicht. Das machte Hofmann später am Abend nochmal deutlich.
„Was noch fehlt, ist ein bisschen die Unterstützung der Alsfelder“
Das Haus ist schon seit Längerem in einem schlechten Zustand. In jüngster Zeit hat der Marburger Denkmalaktivist Jan-Patrick Wismar mit verschiedenen Aktionen auf den fortschreiten Verfall aufmerksam gemacht. Auch wenn Aktionen wie Mahnwachen vor dem Gebäude bei der Alsfelder Bevölkerung wenig Anklang fanden, so organisierte Wismar immer wieder Vor-Ort-Termine mit Behördenvertretern und sorgte so für Presseberichte und Öffentlichkeit für das Thema.
Das Gebäude, in dem einst der Stadtschreiber Alsfelds lebte, hat eine besondere Bedeutung. Das Landesamt für Denkmalpflege hält dazu unter anderem dies in seinen Akten fest: „Das Haus, das den Kirchplatz in nordwestlicher Richtung abschließt, gehört aufgrund seiner ablesbaren Baugeschichte zu den interessantesten Gebäuden der Alsfelder Altstadt. Die drei Stockwerke des giebelständig erschlossenen Hauses datieren aus unterschiedlichen Epochen. Der älteste Bauteil aus dem Jahr 1392 (…).“
Eigentümer fordert Unterstützung
Wismar wie auch Bürgermeister Stephan Paule machten im Laufe der Zeit deutlich, dass sie nicht viel vom bisherigen Eigentümer des Gebäudes halten. Paule bezeichnete ihn unter anderem als „Immobilien-Messi“, der alte Gebäude erwerbe, dann aber nichts Vernünftiges mit ihnen anstelle. Wismar sagte unter anderem: „Der Eigentümer schaut bewusst weg, spielt auf Zeit und zeigt keinerlei Interesse an der Bauerhaltung.“ Wie hoch die Sanierungskosten wären, ist nicht ganz klar. Die Stadt taxierte die Kosten bislang öffentlich grob auf 1,5 Millionen Euro, doch dem traut der Eigentümer nicht ganz.
Der Mann, dem das Haus gehört, heißt Dr. Günther Gräff und wohnt südlich von München. Im Gespräch mit OL verwies der damals 86-Jährige Ende vergangenen Jahres immer wieder darauf, wie sehr er das Haus schätze. Ihm fehle jedoch das Geld, um es in Stand zu setzen. Außerdem seien Handwerker schwer zu bekommen. Statt konkreter Pläne, wie er die Substanz bewahren will, schwärmte Gräff immer wieder von den Möglichkeiten einer Art Kunstausstellung, die man in dem Haus einrichten könne.
Dazu forderte er von den Alsfeldern, mehr oder weniger direkt, ihm zu helfen, Geld für den Erhalt aufzutreiben. Die Ideen, die er anriss, reichten von potenten Geldgebern aus Übersee bis zur Hilfe bei der Beantragung entsprechender Darlehn. „Die sollen mal in die Tasche greifen und etwas Spenden zu Verfügung stellen, dann ist das leichter“, sagte Gräff mit Blick auf die Sanierung in Richtung der Alsfelder Bevölkerung. Er zeigte sich damals aber auch offen für einen Ankauf des Gebäudes, allerdings zu einem in Augen von Experten deutlich zu hohem Preis von 100.000 Euro. Er umriss dabei auch die Idee, eine noch einzurichtende Stiftung könne nach seinem Tod das Gebäude bekommen und der Stadt zur Verfügung stellen.
Bürgermeister Stephan Paule hatte bei einem Pressetermin im vergangenen Jahr das Thema Enteignung selbst aufgebracht. Jedoch stimmten ihm mehrere Experten, darunter die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, später zu: Ein solcher Schritt aus Denkmalschutz-Gründen mag theoretisch denkbar sein, ist aber nur die aller letzte Maßnahme in solchen Fällen und hat wenig Aussicht auf Erfolg. Demnach gilt das Schloss Reinhardsbrunn als einziger Fall in Deutschland, in dem eine Enteignung zum Erhalt eines Denkmals geklappt hat.
Ersatzzwangshaft kein probates Mittel
Ähnliches hatte auch Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule vor den Ausschuss-Mitgliedern zu erzählen und skizzierte daraufhin erneut das Hin- und Her zwischen Zwangsversteigerung, Ersatzvornahmen und Gesprächen mit dem Eigentümer. Gerade erst vor wenigen Tagen habe ein solches erst stattgefunden, in dem der Eigentümer erneut deutlich gemacht habe, dass er sich mit der Stadt verbunden fühle und ein Verkauf des Gebäudes für ihn deshalb nicht in Frage komme – und schon gar nicht zu einem niedrigeren Preis.
In dem Gespräch habe Gräff allerdings auch erklärt, er beabsichtige 300.000 Euro in die Sanierung zu stecken, müsse dazu aber vorher noch Wohnungen in Dresden verkaufen, die vorab überhaupt erst einmal fertig renoviert werden müssten. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Enteignung das aller letzte Mittel ist“, sagte Paule. Auch eine Ersatzzwangshaft sei kein probates Mittel.
Der nächste für die Stadt mögliche Schritt sei das Sanierungsgebot, was ausgesprochen werden kann. Auch dazu müssten alle sonstigen Schritte bereits versucht worden sein, ehe die Stadt selbst dann mit einem Bauingenieur schaut, was in dem Haus saniert werden muss und welche Maßnahme dem gesetzlichen Vorgaben des Paragraphen 177 BauGB standhalten würde. Kommt der Eigentümer dem nicht nach, müsse die Stadt selbst eine Ersatzvornahme auf zunächst eigene Kosten vornehmen und die dann auf den Eigentümer umlegen. „Es kann also passieren, dass die Stadt saniert, ohne zu wissen, ob das Geld wieder rein kommt“, erklärt Paule.
Dass denkmalschutzrechtlich kaum Spielraum für weiter Maßnahmen bleibt, machte daraufhin Bernhard Hofmann vom Kreisbauamt deutlich. Dort würden nur Möglichkeiten bleiben, wenn eine unmittelbare Gefahr für das Denkmal bestehen würde, die allerdings durch die Ersatzvornahme beseitigt wurde. Auch eine Enteignung sei alles andere als einfach. In Gesprächen mit den Bauämtern im Osten, wo Gräff ebenfalls Objekte besitze, die verfallen sind, habe Hofmann in Erfahrung bringen können, dass auch dort keine Enteignung angepeilt werde und die Schritte sich den Vogelsberger ähneln.
Instandsetzungsgebot als nächster Schritt
„Aus meiner Sicht ist der nächste Schritt das Instandsetzungsgebot nach Paragraph 177 BauGB. Das ist aber etwas langwierig und nicht so einfach“, sagte Hofmann. „Das ist die einzige Chance, die Sie als Stadt haben“, erklärte er und bot an, dass die Stadt beim nächsten Termin, bei dem die Sicherung begutachtet werde, mitkommen könne. Gleichzeitig wolle man in Gesprächen mit dem Eigentümer weiterhin darauf hinwirken, dass er doch zum Verkauf zu einem anständigen Preis bereit ist. „Er wird aber nicht verkaufen“, prognostizierte Hofmann.
„Statt zu sagen, dass alles lange dauert und kompliziert ist, sollten wir handeln“, sagte ALA-Fraktionschef Michael Riese. Noch nämlich habe man ein paar Jahre Zeit, in der die Sicherungen des Kreises eine unbeschwerte Sanierung möglich mache. „Statt abzuwarten, sollten wir diese Zeit nutzen“, plädierte er. „Dass das alles schnell und unkompliziert geht und man schnell Ergebnisse sieht, davor warne ich“, sagte Paule.
Während alle Behörden also künftig ihre Maßnahmen weiter verfolgen, ist damit auch der nächste städtische Schritt klar – und der soll ein Instandsetzungsgebot sein. „Mit dem Risiko, dass wir viel Geld investieren und es nicht wieder bekommen“, machte Paule deutlich. Denn immerhin könne es erneut zu einer Zwangsversteigerung kommen, wenn der Eigentümer wie in der Vergangenheit schon, nicht für die Maßnahmen aufkomme.
Und die Anträge? Trotz ähnlichem Inhalt konnte sich in den Ausschüssen nicht auf einen geeinigt werden: Der eigentlich Oppositionsantrag wurde aber wenig überraschend unter Ablehnung der Koalition nicht zur Annahme empfohlen, der CDU/UWA-Gegenantrag mindestens genauso wenig überraschend hingegen schon. Die endgültige Entscheidung obliegt wie immer dem Stadtparlament.
Super Sache, ich drück dem Mann die Daumen, dass er durchhält und dieses Amt noch eine Weile auf Trab hält. Willkürentscheidungen und hochnäsige Bevormundung je nach Tageslaune! Wir haben das hier am eigenen Leib erfahren müssen.
Oh,das freut mich für sie, dass sie finanziell in der Lage sind ein paar Tausender extra im Jahr in einen Fördertopf einzuzahlen.
Genau hier liegt der Unterschied zwischen Ihnen und dem Normalverdiener. Der hat es nämlich nicht so dick und darf dann die Kapriolen der Stadt letztlich mit einer saftigen Steuer- oder Gebührenerhöhung bezahlen.
Ich sags nochmal: Was hier wenn es schlecht läuft an Kosten für den Steuerzahler anfallen würde ist höchst unverhältnismäßig.
„Manche Dinge sind einfach wichtiger, als Finanzen oder Effizienz“. Da geb ich Ihnen recht. Aber hier nicht.
Spaßig gemeinter Vorschlag von mir: Kaufen sie doch die Bruchbude und bauen sie alles denkmalgerecht neu auf. Ein Eintrag in den Alsfelder Geschichtsbüchern wäre Ihnen sicher.
Manche Dinge sind einfach wichtiger, als Finanzen oder Effizienz… unsere Altstadt gehört sicher dazu und gibt uns seit vielen Jahren sehr viel zurück.
Ich bin gerne bereit meinen Teil dazu beizutragen und ein paar Tausender extra pro Jahr in einen Fördertopf einzuzahlen.
„Es kann also passieren, dass die Stadt saniert, ohne zu wissen ob das Geld wieder reinkommt“. So der Bürgermeister in obigem Artikel. Diese Ruine denkmalgerecht neu aufzubauen wird bestimmt eine Million kosten. Will die Stadt die Risiken eines „Instandsetzungsgebotes“ wirklich tragen?
Es wäre auf gut deutsch eine „Sauerei“, wenn diese Maßnahme mit Steuergeld der Alsfelder Bürger bezahlt werden würde. Ich habe es hier bei OL schon mehrmals geschrieben: Nicht alles was so rumsteht ist erhaltenswert. Schon mal gar nicht wenn es solche Irsinnsummen kostet.
Hier wäre mein Vorschlag: Lasst die darüber abstimmen, die diesen Irrsinn bezahlen müssen, nämlich die Alsfelder Bürger. Ich kann ihnen sagen wie die Abstimmung ausgeht.
Wie hier schon einmal zu diesem Thema geschrieben wurde. Hier geht es gar nicht um den Denkmalschutz, das ist marode und muss abgerissen werden. Das wird, sollte der Eigentümer enteignet sein, sowieso festgestellt werden. Ich hoffe dass der Eigentümer standhält und sich nicht klein kriegen lässt. Es fällt immer mehr auf, die Arroganz der Macht. Das erinnert mich an die Zeit des Untergangs der SPD in Alsfeld. Da würde auch gegen die Bürger gearbeitet. Heute macht das die CDU/UWA die Sorgen und Bedürfnisse der Bürger werden weggewischt oder nur so getan als ob. Zum Beispiel das Industriegebiet mit der Belastung für Alsfeld, LKW Verkehr in Alsfeld, nächtlicher Lärm durch LKW, marode Stadtstrassen, Schmutz, Wohnungsmangel, Sicherheit u. s. w.