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Insolvenz des Fernwärme-Anbieters EAB„Der Fall Wetzlar/Alsfeld ist ein recht exotischer“

ALSFELD (jal). Der Fernwärme-Versorger EAB ist insolvent. Auch in Alsfeld sind Kunden davon betroffen. Welche Rechte haben Verbraucher in einem solchen Fall? Und müssen Kommunen, so wie Alsfeld es vorhat, für Heizungsalternativen sorgen? Ein Anwalt der Verbraucherzentrale Hessen gibt im Interview mit OL Antworten.

Weil die EAB als Fernwärme-Anbieter kein Gas mehr einkaufen kann, hat der Energiezulieferer RhönEnergie angekündigt, die Versorgung mit Gas einzustellen. Mindestens 23 Anwohner in 13 Haushalten sind davon laut Bürgermeister Stephan Paule betroffen, darunter zwei Vereine, wie beispielsweise der Hessische Turnverband.

Besonders mit Blick auf die privaten Kunden wollte die Stadt gemeinsam mit dem Energieversorger RhönEnergie prüfen, mobile Heizgeräte zur Verfügung zu stellen. Eine entsprechende Lösung ist inzwischen gefunden. In Wetzlar, wo ebenfalls Kunden betroffen sind, steht Ausrüstung für Wärmeinseln bereit.

Einigen Alsfeldern droht kalter Jahresbeginn

Peter Lassek ist Syndikusrechtsanwalt und Leiter der Fachgruppe Recht bei der Verbraucherzentrale Hessen. Im Interview mit OL ordnet er die Geschehnisse aus Sicht der Kunden ein – und gibt für Betroffene hilfreiche Tipps.

Oberhessen-live: Herr Lassek, welche Rechte haben die betroffenen Kunden in Alsfeld?

Peter Lassek: Zunächst einmal gilt: Ein Insolvenzverfahren beendet keine Verträge und gibt dem Kunden auch kein Recht, vorzeitig aus dem Vertrag – etwa über eine Sonderkündigung – auszusteigen. Der Verbraucher hat Anspruch auf Weiterbelieferung und muss die vertraglich vereinbarten Zahlungen leisten. Anders sieht es aus, wenn die Belieferung eingestellt wird.

… das ist in Alsfeld ja der Fall …

Dann komme ich aus dem Vertrag raus, müsste mich um Alternativen bemühen und könnte im Falle etwaiger Unkosten und Mehrkosten Schadensersatz beim bisherigen Fernwärmeversorger fordern. Das ist natürlich bei einem insolventen Unternehmen unter Umständen schwierig.

Das Kesselhaus des Heizkraftwerks der EAB.

Gibt es bei Fernwärme keinen Grundversorger?

Nein. Natürlich gibt es staatliche Unterstützungsleistungen, wenn die Wärmekosten nicht mehr allein gestemmt werden können. Deshalb spricht man hier und da von einem „Recht auf Wärme“. Aber das ist eine andere Geschichte, die mit der vorliegenden nichts zu tun hat.

Im Strom- und Gasbereich werden Kunden automatisch in der sogenannten Ersatzversorgung des Grundversorgers aufgefangen, wenn es zu einer Einstellung der Belieferung kommt. Bei Fernwärme springt niemand ein. Und es gibt diesbezüglich auch keine gesetzlichen Verpflichtungen oder Regelungen. Es müssen andere Lösungen her. Und das scheinen die betroffenen Städte ja zu machen.

Wenn vor Ort kein Unternehmen da ist, das Wärme liefern kann, dann kann rein faktisch keine geliefert werden. Wir haben es bei Fernwärme mit Monopolen zu tun.

Das müssen Sie genauer erklären.

Der Markt für Fernwärme ist nicht reguliert. Bundesweit gibt es um die hundert Versorger. Zumeist handelt es sich um Stadtwerke. Sie liefern dabei nicht nur Energie, sondern betreiben auch die Kraftwerke und die Wärmenetze – alle drei Funktionen vereint auf ein Unternehmen. Im Gegensatz zum Gas- und Strommarkt, in dem die Energie ebenfalls leitungsgebunden über Netze zum Verbraucher fließt, unterliegt der Fernwärmemarkt nicht den Entflechtungsregeln, die das Energiewirtschaftsrecht festlegt.

Wer Fernwärme bezieht, kann nicht zwischen unterschiedlichen Versorgern wählen

Das bedeutet auch, dass jeder Fernwärmeversorger ein Monopol auf sein Wärmenetz besitzt. Er muss sein Netz keinem anderen Anbieter zugänglich machen, damit dieser in Wettbewerb zu ihm treten kann, wie das im Strom- und Gasmarkt möglich ist. So kommt es, dass es im Fernwärmemarkt keinen Wettbewerb einzelner Anbieter untereinander gibt. Wer Fernwärme bezieht, kann nicht zwischen unterschiedlichen Versorgern wählen, auch nicht, wenn es zu Preisanpassungen und Rechtsstreitigkeiten kommt.

Es gibt also in der jeweiligen Region nur ein Unternehmen, das beliefern kann. Welche Entgelte die Versorger verlangen dürfen, prüfen höchstens die Kartellbehörden.

Das klingt nach möglicher Arbeit für Sie.

Ob hohe Preise berechtigt sind, beschäftigt Verbraucherzentralen und Kartellbehörden immer wieder. Das Bundeskartellamt hat 2011 eine sogenannte Sektoruntersuchung zur Fernwärme vorgenommen und anschließend bei sieben Versorgern überhöhte Preise festgestellt. Daraufhin leisteten diese Anbieter Rückzahlungen an ihre Kunden.

Seit Ende Juli 2022 unterliegen die Fernwärmeanbieter einer vermeintlich stärkeren Aufsicht der Kartellbehörden. Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollen die Kartellbehörden nunmehr auch Fernwärmepreise prüfen und dem Verdacht nachgehen, wenn Anbieter ihr Preismonopol missbrauchen und überhöhte Preise verlangen. Maßstab für die Preise eines Anbieters sollen dabei die Preise vergleichbarer Lieferanten sein. Dabei gilt gegenüber den Kartellbehörden die Beweislastumkehr: Steht ein Anbieter im Verdacht des Missbrauchs, muss er diesen ausräumen und höhere Kosten als die vergleichbarer Wärmelieferanten nachweisen.

Kommen Fälle wie der in Alsfeld häufiger vor?

Die Fragen zu den eher technischen Hintergründen und etwaigen rechtlichen Verpflichtungen zur Unterhaltung und Instandhaltung kann ich leider nicht beantworten.
Dies war bislang eher kein Verbraucherzentralen-Thema. Der Fall Wetzlar/Alsfeld ist ein recht exotischer. In der Regel hat ein Unternehmen ja ein Interesse daran, dass die Fernwärmeversorgung funktioniert und die Vertragsverhältnisse bedient und abgerechnet werden können.

Und: Kommt es zu Unterbrechungen und Streitigkeiten, ist der Kunde in „normalen“ Zeiten in der nicht unbedingt schlechten Situation, sich unter Umständen von einem langjährigen „Knebelvertrag“ lösen zu können und auf eine andere Energieversorgung umzusteigen. Fernwärmeverträge haben meist eine Grundlaufzeit von 10 Jahren. Problem aktuell ist aber, dass es kaum Alternativen gibt – auch deshalb, weil fast alle Wärmepumpen weggekauft wurden oder sehr lange Lieferzeiten haben.

Sind Kommunen gesetzlich verpflichtet, die betroffenen Bürger mit Wärme zu versorgen?

Eine gesetzliche Verpflichtung sehe ich eher nicht, allenfalls eine moralische. Man kann sich hier schon mal fragen, wem Ausbau und Unterhaltung des Wärmenetzes überlassen wurde. Mehr können wir an dieser Stelle nicht bewerten, da hier die Hintergründe zur Historie nicht näher bekannt sind.

Haben Sie einen Tipp, wo es noch mehr Informationen gibt?

Nützliche Tipps zur Insolvenz von Energieversorgern finden Sie auf der Homepage der Verbraucherzentrale Hessen. Diese sind natürlich nicht allesamt auf Fernwärmeanbieter übertragbar – weil es wie gesagt beispielsweise keine Grundversorgerregelung gibt. Dennoch können Sie etwas Orientierung bieten.

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