Bauen und Wohnen9

Fragen und Antworten zum maroden Haus am Kirchplatz 10 in Alsfeld„Was noch fehlt, ist ein bisschen die Unterstützung der Alsfelder“

ALSFELD (ls/jal). Alsfeld hat ein Problemhaus. Fachwerkaktivisten versuchen, das notdürftig abgestützte Gebäude am Kirchplatz 10 irgendwie zu retten, doch die Stadt und der Eigentümer liegen im Clinch. Wer sagt was in dem Streit? Und wie geht es mit den Rettungsplänen weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Knapp 630 Jahre hat das Haus am Kirchplatz 10 in Alsfeld schon auf dem Buckel – und die sieht man dem Fachwerkhaus in der Altstadt deutlich an. Fünf große Stützbalken halten das Denkmal aufrecht, sonst droht der Einsturz. Im Winter könnte es ernst werden, befürchtet der Verein Stadtbild Deutschland. Das Kreis-Bauamt sieht zumindest keine akute Gefahr.

Und dann sind da noch die Stadt und der Eigentümer, die sich über den Erhalt des Gebäudes nicht einig sind. Außerdem gibt es verschiedene Zuständigkeiten von Behörden.

Das alles zeigt: die Lage rund um das historische Häuschen ist alles andere als übersichtlich. OL trägt an dieser Stelle die zentralen Aussagen aller Akteure zusammen und beantwortet so die wichtigsten Fragen.

Was ist zur Historie des Hauses bekannt?

Die Geschichte des Hauses am Kirchplatz 10 ist lang, nicht nur seine bauhistorische. Zunächst aber zu der: Mit seinen über 600 Jahren gehört das Fachwerkhaus am hinteren Kirchplatz zu den ältesten Häusern in Alsfeld – jedenfalls Teile des Hauses. Die drei Stockwerke des giebelständig erschlossenen Gebäudes sind nämlich auf unterschiedliche Epochen datiert: 1392, 1585 und 1664.

Das älteste Bauteil stammt aus dem Jahr 1392. Dabei handelt es sich um den oberen Teil der Ständerbauhalle und auch das Mittelgeschoss der westlichen Traufwand stammt aus dieser Bauphase. Das zweite Obergeschoß, der Giebel und das Dach stammen aus dem Jahr 1585. Darauf deuten die weit ausgereiften Mannfiguren, also die Form des Strebenkreuzes. Das Erdgeschoss hingegen geht auf einen Umbau aus 1664 zurück. Von einem Umbau aus dem Jahr 1664 zeugt das Erdgeschoß.

Einst lebte der Stadtschreiber in dem Gebäude, weshalb nicht nur Bürgermeister Stephan Paule dem Haus eine besondere Bedeutung zumisst. Das Haus ist als Einzelkulturdenkmal geschützt, da es baugeschichtlich prägend den Übergang vom „Ständerbau“ zum „Rähmbau“ dokumentiert. Außerdem gilt es einigen wegen seines Alters als eine Art Keimzelle der beliebten Alsfelder Altstadt. Das kleine Häuschen ist zudem so ikonisch in seinem Fachwerkstil, dass es Modellbauern als Vorlage diente. 23,95 kostet das Haus aktuell – also die Miniaturausgabe.

Von der ursprünglichen Pracht des Hauses lässt sich mittlerweile nur noch wenig erkennen, zu sehr haben Witterung und Sanierungstau an dem Gebäude genagt.

Wie ist das Gebäude aktuell gesichert?

Mittlerweile ist es so einsturzgefährdet, dass das Kreis-Bauamt Sicherungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführen musste, damit das Haus nicht in sich zusammenbricht und dabei noch andere gefährdet.

Die Untere Bauaufsichtsbehörde musste daher durch eine sogenannte „Ersatzvornahme“ Sicherungsmaßnahmen veranlassen. Am und im mehrgeschossigen Fachwerkgebäude wurden in zwei Abschnitten statische Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. Im ersten Abschnitt Anfang 2018 wurde die straßenseitige Giebelfassade abgestützt, um diese in sich zu halten und eine Gefährdung für den öffentlichen Straßenraum zu verhindern.

Im darauffolgenden zweiten Abschnitt im Frühjahr 2018 wurde die Fachwerkkonstruktion durch eine Art „Korsett“ in sich abgestützt und gehalten. Von außen sei diese umfangreich Sicherungsmaßnahme durch Holzeinbauten kaum sichtbar. Die Sicherung soll acht Jahre halten und eine abschnittsweise Instandsetzung des Gebäudes ermöglichen.

Es ist seine Schuld, dass ein wichtiges Kulturdenkmal auf diese Art und Weise verkommt.Bürgermeister Paule über den Eigentümer

Was sagt der Bürgermeister?

„Der Stadt sind hier leider die Hände gebunden“, erklärt Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule. Das Gebäude hat seit etwa acht Jahren einen Besitzer, der sich dem CDU-Politiker zufolge nicht um das Gebäude kümmert und es vernachlässigt – aber auch die Vorbesitzer hätten das Haus bereits verkommen lassen. Immer wieder habe die Stadt zum aktuellen Eigentümer Kontakt aufgenommen, immer wieder habe der Eigentümer versprochen zu sanieren, doch nie sei etwas geschehen. Das mache die ganze Situation besonders tragisch, sagte Paule zu OL.

Mittlerweile ist der Ton zwischen der Stadt und dem Eigentümer rauer geworden. Laut dem hr wirft Paule dem in Süddeutschland lebenden Mann „betrügerisches Gebaren“ vor. „Es ist seine Schuld, dass ein wichtiges Kulturdenkmal auf diese Art und Weise verkommt“, wird der Bürgermeister zitiert. Paule bezeichnet den Mann zudem als „Immobilien-Messi“, der alte Gebäude erwerbe, dann aber nichts Vernünftiges mit ihnen anstelle.

Diese Klingel hat schon lange keiner mehr benutzt. Foto: ol

Hat die Stadt versucht, das Haus zu kaufen?

Ja, hat sie. Die dem Kreis durch die Abtstützmaßnahmen entstandenen Kosten in Höhe von etwa 64.000 Euro wurden an den Eigentümer weitergegeben, doch der bezahlte nicht. Es kam zur Zwangsversteigerung, bei der neben drei Kauf-Interessenten auch die Stadt mitbot – und der Eigentümer selbst, der das Haus am Kirchplatz 10 für 28.000 Euro – 27.000 Euro hatte er in Barschecks dabei, die restlichen 1.000 Euro organisierte er vor Ort – ersteigerte und eine Sicherheitsleistung vorlegen musste.

Die vor Gericht vorgeschlagene Zusammenarbeit schlug Bürgermeister Paule damals aus. „Da gibt es keine Vertrauensbasis mehr“, sagte Paule gegenüber OL vor einigen Wochen.

Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass es einen zweiten Termin für eine weitere Zwangsversteigerung des Gebäudes geben wird, doch der wurde kurzfristig abgesagt. Der Eigentümer hat seine offenen Rechnungen beglichen, wie die Bauaufsichtsbehörde des Kreises bestätigte. So blieb das Haus in seinem Besitz.

Gibt es Unterstützung aus der Bevölkerung?

Mittlerweile gibt es auf Facebook eine Unterstützergruppe, die sich für den Erhalt des Hauses stark macht. 100 Mitglieder haben sich bereits zusammengefunden. Der Kopf dahinter ist Jan-Patrick Wismar, ein Fachwerkfan aus Marburg und seines Zeichens Vorsitzender des Stadtbild Deutschland e.V. Regionalverband Mittelhessen. „Der Eigentümer schaut bewusst weg, spielt auf Zeit und zeigt keinerlei Interesse an der Bauerhaltung. Verfällt das Gebäude weiter, muss es wohl in den nächsten Jahren abgerissen werden“, sagt er.

Denkmalschutz-Aktivist Jan-Patrick Wismar. Foto: privat

Wismar hat Erfahrung im Retten alter Gebäude. So war er eine treibende Kraft beim Erhalt der Alten Post in Gießen. Mit dem Blick auf den damaligen Erfolg ist in Alsfeld aus Wismars Sicht leider auch beim Engagement der Bevölkerung ein bisschen Luft nach oben. „Was noch ein bisschen fehlt ist die Unterstützung der Alsfelder“, sagt Wismar. So sei bei einer Infoveranstaltung kürzlich im Grunde niemand erschienen. Er selbst komme aus Marburg und engagiere sich gern für das Haus, aber in Gießen sei die Unterstützung für die Rettung der Post unter den Bewohnern deutlich spürbarer gewesen.

Der Fachwerkfan gibt dennoch nicht auf. Mehrfach hat Wismar den Eigentümer des Gebäudes bereits kontaktiert. Die jüngste Antwort hat ihn ziemlich sprachlos zurückgelassen. Mehr dazu im nächsten Punkt.

Was sagt der Eigentümer?

Der jüngste handschriftliche Brief des Eigentümers, den Wismar als „beleidigend“ beschreibt, liegt OL vor. Dr. Günther Gräff heißt der Mann, der das Haus besitzt und südlich von München wohnt. In dem Brief kokettiert Gräff damit, Wismar wegen Verleumdung anzuzeigen, außerdem wirft er ihm „mangelnde geistige Potenz“ vor. „Es ist eine dummdreiste Behauptung, ich hätte das schöne Fachwerkhaus ‚mutwillig und im Bewusstsein dem Gebäude Schaden zufügen zu wollen“ verfallen lassen“, schreibt er.

Im weiteren Verlauf des Briefes schlägt Gräff Wismar vor, ihm ein Darlehn in Höhe von 500.000 Euro für den Erhalt des Hauses zu besorgen. Auch im Gespräch mit Oberhessen-live betont Gräff, wie sehr er das Haus wegen seiner Schönheit schätze – und fordert von den Alsfeldern mehr oder weniger direkt, ihm zu helfen, Geld für dessen Erhalt aufzutreiben. Die Ideen, die er anreißt, reichen von potenten Geldgebern aus Übersee bis zur Hilfe bei der Beantragung entsprechender Darlehn. „Die sollen mal in die Tasche greifen und etwas Spenden zu Verfügung stellen, dann ist das leichter“, sagt Gräff mit Blick auf die Sanierung in Richtung der Alsfelder Bevölkerung.

Es ist eine dummdreiste Behauptung, ich hätte das schöne Fachwerkhaus mutwillig (…) verfallen lassen.Dr. Günther Gräff, Eigentümer

Gräff sagt, er wolle das Haus erhalten, es sei jedoch nicht leicht, Handwerker oder zunächst einen Sachverständigen zu finden, der die Kosten für die Sanierung schätzt. Die Stadt taxiert die Kosten grob auf 1,5 Millionen Euro, doch dem traut der Eigentümer nicht ganz. Eine akute Einsturzgefahr verneint er mit Blick auf die vorgenommenen Sicherungsarbeiten.

Seinen Argumenten ist nicht immer leicht zu folgen. Gräff sagt zum Beispiel, dass er das Geld für eine Sanierung nicht habe, gleichzeitig schwärmt er jedoch wiederholt von einer Kunstausstellung, die in dem Haus entstehen könnte – und für die er bereit sei, wertvolle Sammlerstücke wie Teppiche oder Bilder im Wert von mehreren Hunderttausend Euro bereitzustellen. Diese Gegenstände aber durch Verkauf zu Geld zu machen, sei wegen dem teilweise geringen Interesse an Antiquitäten schwierig. Durch die Zinssteigerungen sei auch der Verkauf seiner Immobilien nicht leicht. Keines seiner Objekte bringe Rentabilität. Dazu zähle auch das alte Kloster Sittichenbach bei Lutherstadt Eisleben in Sachsen-Anhalt. Und seine Renteneinkünfte seien „minimal“ und „unter 1000 Euro“, sagt der 86-Jährige.

Warum er das Haus zweimal vor einem Eigentümerwechsel durch eine Zwangsversteigerung bewahrt hat? Weil er seit dem Kauf insgesamt etwa 150.000 Euro investiert habe, sagt Gräff. Seine Großmütter väterlicherseits stamme aus Alsfeld, deswegen habe er das damals schon baufällige Haus vor Jahren für etwa 35.000 Euro ersteigert. Mittlerweile sagt er, er habe als Laie nicht gewusst, wie viel Arbeit in das Haus zu investieren sei. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich davon Abstand genommen“, sagt er heute. Er sei durchaus bereit, das Gebäude abzugeben – für etwa 100.000 Euro. Auch die Gründung einer Stiftung, die das Haus nach seinem Tod verwalte und der Stadt zur Verfügung stelle, sei denkbar. Er selbst habe keine Kinder. Schließlich sagt Gräff noch, er würde sich gerne mit Bürgermeister Paule unterhalten – aber der habe wenig Zeit. Er bietet zudem an, persönlich in Alsfeld vorbeizukommen.

Diese Balken stützen das Haus derzeit. Foto: ol

Was sagt die Bauaufsicht des Kreises?

Die Bauaufsichtsbehörde sieht – anders als Fachwerk-Aktivist Wismar – keine akute Einsturzgefahr in diesem Winter. Die von der Behörde vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen seien „durch einen fachkundigen Statiker nach Bauaufnahme festgelegt und vor Ort begleitet“, worden. „Sie sind, wie gesagt, auf die Dauer von mindestens acht Jahren ausgelegt“, heißt es zur Erklärung.

Weiterhin stehe man mit dem Statiker und auch dem Verein von Wismar in Kontakt. Mit diesem und dem Bezirkskonservatoren des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen ist,  ein persönliches Gespräch diesen Januar vorgesehen, das war zumindest der Stand im Dezember. „Zudem ist, im Hinblick auf mögliche zusätzliche Instandhaltungsanordnungen, die in der Zuständigkeit der Stadt Alsfeld liegen, ein Gespräch mit der Stadt geplant, um dieser in den baurechtlichen Fragen beratend zur Seit zu stehen“, lässt der Kreis zudem noch wissen.

Wie geht es nun weiter?

Sollte der Eigentümer nicht selbst irgendwie aktiv werden, gibt es laut Fachwerk-Freund Wismar mehrere Szenarien. Zum einen könnte die Stadt ein Sanierungsgebot aussprechen. Sollte darauf keine Reaktion folgen, wovon Bürgermeister Paule fest ausgeht, könnte die Stadt eine so genannte Ersatzvornahme einleiten, also selbst zumindest gewisse Erhaltungsmaßnahmen anstoßen – so wie bereits die Bauaufsicht des Kreises. Die rechtliche Lage dazu ist jedoch äußert komplex.

Als Ultima Ratio hat Bürgermeister Paule kürzlich eine Enteignung angesprochen, also dass dem Eigentümer sein Besitz entzogen wird. Doch Wismar stimmt dem Rathauschef in einem sehr wichtigen Punkt zu: Enteignungen sind bei einer solchen Thematik äußerst schwer. Wismar sieht nur sehr geringe Aussichten auf Erfolg. Experten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sehen das ähnlich. Demnach gilt das Schloss Reinhardsbrunn als einziger Fall in Deutschland, in dem eine Enteignung zum Erhalt eines Denkmals geklappt hat. „Und selbst wenn das Haus enteignet ist, dann ist es noch nicht instand gesetzt. Wer hat dann die Aufgabe auf den Schultern?“, sagt Ursula Schirmer, Pressesprecherin der Stiftung, wo zumindest in der Vergangenheit der Erhalt des Hauses noch nicht gefördert wurde. Ein solcher Antrag sei immer möglich, so Schirmer.

Zeitlich gesehen ist für die Unterstützer rund um Wismar der 10. Januar ein wichtiges Datum. Denn dann wollen sie mit Kerzen und einer Mahnwache ab 17 Uhr vor dem Haus ein weiteres Zeichen setzen.

9 Gedanken zu “„Was noch fehlt, ist ein bisschen die Unterstützung der Alsfelder“

  1. Da der Eigentümer ja schon im betagten Alter von 85 Jahren ist ,hat es sich ja vielleicht bald erledigt. Dann erbt vielleicht der Staat. Dauert halt auch eine gewisse Zeit, was natürlich nicht gut ist für das alte Haus. Nachkommen gibt es auch keine. Die Aussage er hat kein Geld zur Sanierung,nehm ich ihm nicht ab. Im übrigen gibt es noch mehr alte Häuser, die eigentlich dringend saniert werden müssten in Alsfeld. Da haben Architekten auch ihr Geld angelegt, ohne bisher was zu tun.

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    1. @ Gerolf
      Logo…..😎😊… und Sie wären einer der ersten der diese
      „Dienstleistung„ : „benutzen“ würde !
      @ get a life Gerolf !!!!!
      Wie erbärmlich …. 😎👍

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      1. Warum so spießig, Marlene?

        Und warum hat Gerolf kein Leben? Ganz schön überheblich und geringschätzig, diese Verurteilung.

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  2. Man sollte den Eigentümer enteignen. Artikel 14 und 15 Grundgesetz. Eigentum verpflichtet.

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  3. Es ist traurig, dass man gegen solche Leute nichts tun kann.

    Weiß man, was die wirklichen Motive des Herrn sind? Oder weiß er einfach nicht wirklich, was er tut. Die Aussagen aus seinem Brief ergeben nicht wirklich Sinn. Wenn er als „Immobilien-Messi“ bezeichnet wird, wo sind die anderen Immobilien und was wird dort unternommen?

    Wie sollte idealerweise denn wirksame Unterstützung der Alsfelder aussehen?

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    1. „Wie sollte idealerweise denn wirksame Unterstützung der Alsfelder aussehen?“
      FETA und sein Pseudo-Ich JULIUS CESAR sollte hier Tag und Nacht Baustellen-Wache schieben, damit wenn er wieder nicht schlafen kann und die Nacht zum Tag macht, hier keine weiteren unqualifizierten Kommentare abgeben kann.

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