Volkstrauertag: Gedenkfeier am Ehrenmal auf dem Alsfelder Friedhof„Frieden ist keine Selbstverständlichkeit“
ALSFELD (nhü). In Erinnerung und Gedenken an die Opfer von Krieg, Verfolgung und Vertreibung fand am Volkstrauertag wieder eine traditionelle Feierstunde mit Kranzniederlegung am Ehrendenkmal auf dem Friedhof in Alsfeld statt.
Vielerorts wurde am heutigen Volkstrauersonntag den Opfern von Krieg, Gewalt, Verfolgung und Vertreibung gedacht. So ist es auch in Alsfeld Tradition, dass man sich rund um das Ehrendenkmal auf dem städtischen Friedhof versammelt, um eine Feierstunde zu Ehren der Opfer zu begehen. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung vom Evangelischen Posaunenchor Alsfeld.
Bürgermeister Stephan Paule eröffnete die Feierstunde mit einem Blick auf die letzten 800 Jahre der Stadt Alsfeld, die in diesem Jahr ihr großes Jubiläum feiern durfte. Aber zurückblickend habe es nicht nur schöne und „Jubel-Ereignisse“, sondern eben auch viele Auseinandersetzungen, Kriege und schlimme Ereignisse gegeben, die in diesen 800 Jahren stattgefunden haben.
Bürgermeister Stephan Paule. Alle Fotos: Nadine Hütter
Der ehemals nach dem ersten Weltkrieg als Helden-Gedenktag eingeführte Volkstrauertag soll an die Opfer von Krieg, Gewalt, Verfolgung und Vertreibung aller Generationen erinnern und auch denjenigen, die noch Zeitzeugen sind, gewidmet sein. Paule verwies darauf, dass bei dem Rückblick auf mehr als nur die letzten 80 Jahre deutlich werde, dass sich bestimmte Muster in der Geschichte der Menschen so oft wiederholt haben, dass es ungeheuer wichtig sei, den Ursachen dieser kriegerischen Auseinandersetzungen, dieser Not und dieses Elends und der Opfer zu gedenken.
Der Toten Gedenken, damit die Lebenden nicht vergessen werden
Gehe man die Hälfte unserer Geschichte zurück in die Zeit des dreißigjährigen Krieges, standen im Jahr 1622 zum ersten Mal feindliche Heere vor der Stadt, zum ersten Mal musste sich die Stadt frei kaufen, zum ersten Mal habe es im Umland große Verwüstungen, Vergewaltigung und Mord innerhalb der kriegerischen Auseinandersetzungen gegeben, erläuterte der Bürgermeister der Stadt Alsfeld.
100Jahre später gab es den Durchzug vieler Heere aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, später des napoleonischen Krieges, der immer wieder Menschen in der Gegend leidvoll ums Leben, ihr Eigentum und die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz brachte.
Auslöser und Ursache für das Gedenken des Volkstrauertages seien auch im 19. und 20. Jahrhundert zu finden. Große kriegerische Auseinandersetzungen, die dazu führten das Millionen von Menschen, unseren Mitbürgern, Freunden und Familien Opfer von Krieg, Verfolgung und Vertreibung wurden. Nicht nur Kämpfer oder Soldaten, sondern auch die Schwächsten und Schutzlosen wie Zivilisten, Frauen und Kinder waren dem immer wieder ausgesetzt und mussten darunter leiden, sagte Paule.
Für die musikalische Umrahmung spielte der Evangelische Posaunenchor Alsfeld.
Einen besonderen Stellenwert unter den historischen Begebenheiten nehme die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges ein, als erstmals aus „blinder, wütender politischer Ideologie Menschen außerhalb der militärischen Auseinandersetzung systematisch verfolgt und getötet wurden“. Auch ihnen werde ebenso gedacht.
Mit solidarischer Haltung Frieden bewahren
Die Flucht und Vertreibung der Menschen nach dem letzten Weltkrieg erinnere auch an die Ereignisse der jüngsten Zeit: „Wer hätte in den neunziger und Zweitausender Jahren gedacht, dass der Alltag auch in Städten und Gemeinden, nicht nur in der großen Politik, mit kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt, im Nahen Osten, wo man es fast gewohnt war, bis hin zu unseren fast Nachbarstaaten Ost-Europa wie der Ukraine geprägt sein würde und wir bis auf die Ebene unserer Städte und Gemeinden auch wieder die Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung in unser tägliches Wirken einschließen müssen,“ führte der Bürgermeister weiter aus.
Dieses Gedenken führe zu der Einsicht, dass der demokratische Rechtsstaat, aus Paules Sicht, langfristig in der Lage sei, den Drang des Menschen sich mehr Macht durch vielleicht auch kriegerische Auseinandersetzungen anzueignen, einzudämmen und der demokratische Diskurs Konflikte und Entscheidungen vermag friedlich zu lösen und zu entschärfen. Auch das Militär stelle mit der Bundeswehr einen „Garant des Friedens“ dar und Feuerwehren, Rettungsdienste sowie alle anderen Helferinnen und Helfer die ehrenamtlich tätig sind, seien unverzichtbar für eine gemeinsame gemeinschaftliche Haltung, die uns den Frieden bewahre.
Kränze wurden niedergelegt.
Nachdem Bürgermeister Stephan Paule, Mitglieder der Reservistenkameradschaft und die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr die Kränze am Ehrendenkmal niederlegten, knüpfte Artur Schnitzer vom VdK an die Worte von Stephan Paule an und verdeutlichte den leitenden Gedanken des Volkstrauertages – nämlich, dass sich das fürchterliche Geschehen von Krieg, Verfolgung und Vertreibung nie mehr wiederholen dürfe, genauso wie die Mahnung, das Frieden keine Selbstverständlichkeit sei, sondern nur von allen gemeinsam durch solidarisches Handeln gewahrt bleiben könne.
Artur Schnitzer legte weiter dar, dass sich die Hoffnung, dass die Menschen aus den furchtbaren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben und in Frieden in Europa zusammenleben können, nicht erfüllt habe, wie man an Kriegen, ob weltweit, im Nahen Osten oder dem ehemaligen Jugoslawien und auch jetzt an der dramatischen Lage in der Ukraine, sehen könne.
Artur Schnitzer vom VdK
Anlass für die Gründung des VdK am 13. Dezember 1946 war das Leid der vielen Kriegsopfer in Deutschland. Seither verpflichte die Satzung den Sozialverband dazu, alle Maßnahmen zur Friedenserhaltung zu unterstützen. „Nutzen wir die Erinnerung an die Vergangenheit, damit wir uns auf unsere Werte besinnen, damit wir Orientierung finden, und uns wieder bewusst machen, für eine gerechte und friedliche Welt, für sozialen Ausgleich, gegen jede Form der Missachtung und Ausgrenzung und für eine Gesellschaft, die in allen die Perspektive auf ein Leben in Würde und ohne Not eröffnet“, gab der Vorsitzende den Anwesenden mit auf den weg. Abschließend sprach Pfarrer Theo Günther ein Gebet.
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